Gestern sandte ich ein angefragtes "Expertenstatement" zum Thema Web 2.0/Usability ab. Auf die Frage nach Möglichkeiten, eine soziale Komponente in einen normalen Shop aufzunehmen, ohne den bestehenden Shop komplett umzugestalten, hatte ich geantwortet:
Die einfachste - und eine ungemein wirksame - Methode ist,
Kundenbewertungen hinzuzufuegen. Diese bitte dann aber
auch pflegen, also bei Fragen oder Unzufriedenheit umgehend (und transparent)
reagieren!
Passend dazu berichtet eMarketer heute über eine Studie von Avenue A | Razorfish, in der es um Kundenbewertungen geht. Danach vertrauen (US-amerikanische) Kunden bei der Recherche nach Produkten vor allem den Bewertungen von anderen Nutzern.
Kunden vertrauen (vor allem) anderen Kunden
Die Ergebnisse der Studie veröffentlichte Avenue A | Razorfish in ihrem "Digital Design Blog". Danach vertrauen über die Hälfte der befragten (475 US-amerikanische) Onlineshop-Kunden am meisten den Produkt-Rezensionen anderer Kunden (55,04%). Auf Expertenmeinungen verlassen sich dagegen nur 21,01%. Interessanterweise schneiden auch Vergleichs-Tabellen oder -Schaubilder ähnlich schlecht ab, nur 22,48% der Befragten lassen sich bei ihren Produkt-Recherchen von solchen Hilfsmittel leiten.
Ganz schlecht schnitten übrigens Empfehlungslisten ab (1,47%). Das bedeutet aber nicht, dass eDelight und Co. einpacken können. Ihre Stärke liegt nun einmal mehr darin, Bedürfnisse zu wecken. Als Recherchetool bei der konkreten Produktauswahl dagegen sind sie auch gar nicht gedacht.
Insgesamt kommt die Studie zu dem Schluss, dass Webnutzer längst im Web 2.0 angekommen sind: Ein Großteil der Befragten (die sich aus allen demographischen und geographischen Gruppen zusammensetzten)
- liest regelmäßig (wöchentlich) Blogs,
- abonniert gelegentlich RSS-Feeds
- kauft Produkte aus individualisierten Empfehlungslisten (wie sie z.B. Amazon auf der Basis vorangegangener Käufe zusammenstellt)
- und nimmt aktiv am Netzleben teil, indem sie
- Videos hochladen (49%),
- in Blogs kommentieren oder schreiben (41%),
- Bookmarks – z.B. über del.icio.us – teilen (53%) und/oder
- Fotos – z.B. über Flickr – veröffentlichen (41%)
Wer macht mit beim Mitmachweb?
Letztere Erkenntnis ist besonders interessant, denn die weitere Entwicklung des "Social Webs" steht und fällt damit dass, wie viele und welche Nutzer im Web auf Dauer aktiv sein werden.
Das ist leicht zu verstehen, denn wenn nur wenige Menschen Produkte kommentieren und Blogs unterhalten, können diese Meinungen relativ leicht von gezielt platzierten "Meinungen" dominiert werden. Oder wenn nur einzelne technikaffine oder besonders selbstdarstellungs-orientierte Menschen die Web 2.0-Plattfomen definieren, entstehen dort ebenso Zerrbilder der Wirklichkeit, denen die anderen Nutzer auf lange Sicht hin nicht vertrauen werden.
Da das "Mitmachweb" also nur funktionieren kann, wenn so viele und so unterschiedliche Menschen "mitmachen", dass echte Pluralität entsteht, ist der Blick auf den Status quo der Teilnehmer besonders wichtig. A Avenue|Razorfish zeichnet mit ihrer Studie hierzu für die USA ein optimistisches Bild. Für Europa veröffentlichte justament comScore Inc. ein etwas differenzierteres Bild. Danach erreichten Social Networking Sites (wie beispielsweise bebo.com, Facebook.com oder MySpace.com) im August europaweit 127,3 Mio Besucher und damit 56% aller europäischen Online-Nutzer (Deutschland: 15.475 Besucher = 46,9% der Onliner).
Doch die Hälfte davon (50,0%) sind der Gruppe der "Geringnutzer" zuzuordnen, die insgesamt gerade einmal 20 Minuten auf solchen Sites verbrachten. 30% zählt comScore zu den mittleren Nutzern, die im August immerhin 3,9 Stunden auf Social Networking-Sites unterwegs waren und dabei knapp 600 einzelne Webseiten besuchten. Doch auch das ist nur eine geringe Aktivität verglichen mit den "Starknutzern", die 22,1 Stunden auf solchen Sites verbrachten und fast 3.200 Einzelseiten aufriefen. Doch diese Gruppe machen erst 20% der gesamten Nutzerschaft aus. ECIN zitiert hierzu Bob Ivins von comScore, der die Daten dahingehend interpretiert, dass "80 Prozent aller Online-Aktivität (nur) 20 Prozent der Nutzer zuzuschreiben (seien)".
Wenn dies für die (oft bereits länger bestehenden) Social Networking Sites stimmt, gilt für die Social Shopping Sites um so mehr, dass sie sich anstrengen müssen, noch weitere Teile der Onlinebevölkerung zur aktiven Teilnahme zu bewegen.
Herzlich aus Hürth
Nicola Straub
Dennis Heidtmann meint
Wir haben vor ca. 8 Wochen damit begonnen aktiv unsere Kunden anzuschreiben und eine Produktbewertung abzugeben.
Wir sind absolut überrascht über diesen Erfolg. Mittlerweile haben wir über 14.200 Produktbewertungen im Shop. Was uns direkt aufgefallen ist, dass der Kundensupport dadurch für einige Artikel (beispielsweise hier beim Titan Xenon http://www.koffer-direkt.de/titan-xenon-trolley-75.html) halbiert wurde.
Dieser Artikel hat im Moment 445 Kundenbewertungen. Wenn man sich die Texte dazu ansieht, dann ist so gut wie jede Supportanfrage bereits durch einen Kunden beantwortet worden.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Kundenbewertungen beim Kunden mehr akzeptiert werden, als Mails unserer Hotline.
Beachten muss man jedoch, dass alle Bewertungen auch glaubwürdig sind. Wir haben noch nicht eine Bewertung zensiert oder entschärft und dies merken auch unsere Kunden. Nur so ist man dem Kunden gegenüber auch glaubwürdig.
Artikel mit durchweg schlechten Noten (diese gibt es leider auch, wenn zum Glück auch nur ganz Wenige…) werden bei uns mittelfristig aus dem Programm genommen und die Bewertungen dem Lieferanten vorgelegt.
H.P. meint
Scheinbar gibt es hier keine Unterscheidung nach Kundengruppen.
Empfehlungen aus dem „Mitmachweb“ sind nämlich für Endkunden wertvoll, Businesskunden hingegen schätzen defintiv den Expertenrat. Dazu muss der Shopbetreiber natürlich entsprechendes Fachwissen haben und dieses in ansprechender Form an den Kunden weitergeben.
Letztendlich kann das alles aber eine fachlich gute Beratung nicht ersetzen.
Die Empfehlungsschiene ist zudem recht aufwendig und nicht für alle Shops handhabbar, von oftmals fehlenden Tools dafür ganz zu schweigen.