Aktuelles Recht: Die alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten
Besonders bei (grenzüberschreitenden) Vertragsschlüssen im Internet ist es sinnvoll, dass Streitigkeiten nicht generell vor Gericht ausgetragen werden müssen, sondern Verbraucher sich an eine Schlichtungsstelle wenden können. Ein entsprechendes Regelpaket auf europäischer Ebene will die Möglichkeiten für EU-Verbraucher nun verbessern. Verbraucher sollen bei Streitigkeiten mit Händlern über Waren oder Dienstleistungen in einem alternativen außergerichtlichen Verfahren zur Streitbeilegung leichter, günstiger, schneller und fairer zu ihrem Recht kommen. Die entsprechenden Regelungen werden derzeit ins deutsche Recht umgesetzt.
Ein Verfahren zur Streitbeilegung als effektive Alternative zu herkömmlichen Gerichten
Ein neues deutsches Gesetz steht unter dem großen Ziel, Verbrauchern langwierige und kostspielige Gerichtsverfahren, vor allem bei Online- und grenzüberschreitenden Einkäufen, zu ersparen. Der Europäische Rat verabschiedete dazu bereits am 22.04.2013 zwei neue Rechtsakte zur alternativen Streitbeilegung in Verbrauchersachen: die Richtlinie (2013/11/EU) über die alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (sog. „Alternative Dispute Resolution“, kurz ADR-Richtlinie). Der europäische Gesetzgeber hat damit eine wichtige Lücke für Verbraucher geschlossen – nämlich eine kostengünstige und schnelle Einigung mit dem zerstrittenen Unternehmen bei einer qualifizierten Schlichtungsstelle zu finden.
Umsetzung in nationales Recht
Diese europäische Richtlinie wird nun nach und nach von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt. Auch Deutschland ist derzeit dabei, im Verbraucherbereich flächendeckend für alternative außergerichtliche Streitbeilegungsstellen zu sorgen. Ende Mai hat die Bundesregierung das Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie über Alternative Streitbeilegung verabschiedet. „Durch den Ausbau der außergerichtlichen Beilegung von Verbraucherstreitigkeiten werden sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmer neue niedrigschwellige Möglichkeiten der Konfliktbeilegung geschaffen“, sagte Bundesjustiz- und Verbraucherschutzminister Heiko Maas nach dem Beschluss. Die ADR-Richtlinie muss bis spätestens 09.07.2015 in deutsches Recht umgesetzt werden.
Der jetzt beschlossene Gesetzesentwurf sieht sowohl private Schlichtungsstellen, als auch sogenannte ergänzende Universalschlichtungsstellen, welche durch die Länder betrieben werden sollen, vor. Eine Festlegung auf bestimmte Konfliktbeilegungsverfahren ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Die Schlichtungsstellen können diese in ihren Verfahrensordnungen selbst bestimmen.
Wer kann teilnehmen und welche Voraussetzungen gibt es?
Gegenstand der Streitigkeiten sind Kauf- oder Dienstleistungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Bei Streitigkeiten mit dem Unternehmer muss sich der Verbraucher zunächst an eine Schlichtungsstelle wenden, welche im Land des Unternehmers ansässig ist.
Die neu eingeführten bzw. anerkannten Schlichtungsstellen werden dabei von unabhängigen und unparteiischen Schlichtern betreut, welche über die Rechtskenntnisse, insbesondere im Verbraucherrecht, das Fachwissen und die Fähigkeiten verfügen, die für die Beilegung von Streitigkeiten in der Zuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle erforderlich sind.
Verbraucher können ihre Rechte gegenüber Händlern in einem außergerichtlichen Verfahren zur Streitbeilegung geltend machen und so Streitigkeiten in kürzester Zeit kostenlos bzw. kostengünstig beilegen.
Das Verfahren zur Streitbeilegung wird mit dem Einreichen der Beschwerde durch den Verbraucher bei der Schlichtungsstelle eingeleitet. Das Verfahren soll nur maximal 90 Tage dauern. Voraussetzung für die Beschwerdeeinreichung ist jedoch, dass der Verbraucher zuvor versucht hat, selbst eine Einigung mit dem Unternehmer zu finden. Dies unterbindet, dass diese kostengünstigen Verfahren für jede Zwistigkeit ausgenutzt werden. Vielmehr sollen sich die Antragsteller bemühen, die Auseinandersetzungen zunächst selbst zu lösen. Problematisch könnte dies bei grenzübergreifenden Streitigkeiten sein, denn bereits Sprachbarrieren können ausländischen Verbrauchern Schwierigkeiten bereiten.
Kein Zwang zur Teilnahme
Für beide Parteien ist die Teilnahme an den Verfahren laut dem Gesetzesentwurf freiwillig und jede Partei kann in jeder Verfahrensstufe von dem Streitbeilegungsverfahren Abstand nehmen. Kann der Schlichter keine Lösung mit den Parteien herbeiführen, unterbreitet dieser einen Vorschlag. Der Schlichtungsvorschlag soll am geltenden Recht ausgerichtet sein und soll insbesondere die zwingenden Verbraucherschutzgesetze beachten. Die Parteien steht es danach frei, diese Lösung zu akzeptieren oder nicht. Die Parteien sind nicht gehindert, nach Beendigung des Verfahrens ein Gerichtsverfahren über dieselbe Streitigkeit einzuleiten.
Auskunftspflicht über Streitbeilegungsverfahren für Unternehmer
Verpflichtet sich ein Unternehmer bzw. ist dazu verpflichtet, Schlichtungsstellen zur Streitbeilegung einzuschalten, so hat er die Verbraucher hierüber in Kenntnis zu setzen. Diese Informationen hat der Unternehmer auf seiner Website und dort ggf. in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Kauf- oder Dienstleistungsverträge in klarer, verständlicher und leicht zugänglicher Weise anzuführen. Können bei einer bestehenden Streitigkeit der Unternehmer und der Verbraucher keine Einigung erzielen, so hat der Unternehmer dem Verbraucher Informationen über die für ihn zuständige AS-Stelle auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln und zugleich anzugeben, ob er an einem möglichen Verfahren teilnehmen wird.
Allerdings müssen Unternehmer künftig auf ihrer Webseite oder mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen klar und verständlich informieren, ob sie an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherstreitschlichtungsstelle teilnehmen oder nicht. Dabei sind Kleinstunternehmer mit bis zu zehn Beschäftigten ausgenommen.
Mit dem neuen Gesetzesvorhaben hebt Europa die bisher schon in der alternativen Streitbeilegung arbeitenden Unternehmen (z.B. Youstice) auf eine neue Ebene und schafft einen einheitlichen rechtlichen Rahmen für deren Tätigwerden.
Der vorliegende Text entstammt der siebten Ausgabe des kostenlosen Online-Händlermagazins shopanbieter to go.
Die vollständige Ausgabe mit allen Artikeln, kann hier kostenlos als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Bitte beachten: Der Original-Artikel im Magazin, enthält möglicherweise hilfreiche Grafiken, Abbildungen oder Charts, die hier nicht dargestellt werden.
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Yvonne Gasch ist Volljuristin und berät in der Rechtsabteilung des Händlerbundes v.a. zum Vertragsrecht in Bezug auf den Fernabsatz, zum Wettbewerbsrecht, zum allgemeinen Urheber- und Markenrecht. Die Autorin schreibt regelmäßig zu aktuellen Rechtsthemen für das Infoportal OnlinehändlerNews sowie in verschiedenen Fachmagazinen.
Webseite: http://www.haendlerbund.de |