Experten im Gespräch: Jan Griesel von plentymarkets
Jan Griesel, Geschäftsführer (CEO) der plentymarkets GmbH, erklärt im Interview für unser Magazin welche Grundlagen unabdingbar sind, um als Online-Händler eine funktionierende Logistik umsetzen und diese als wichtigen Erfolgsfaktor nutzen zu können.
Welche Fehler stellen Sie bei Ihren Online-Händlern häufig im Zusammenhang mit der Logistik (Prozesse, Versand, Retouren) fest?
Offensichtlich hat noch nicht jeder Händler erkannt, dass einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren im E-Commerce ein möglichst kurzer Zeitraum zwischen dem Auftragseingang und der Zustellung des Pakets ist. Während der Implementation von Neukunden stellen wir immer wieder fest, dass Kosten oft höher als der tatsächliche Nutzen bewertet wurden. Besonders die Auftragsabwicklung und der Versand sollen so kostengünstig als möglich abgewickelt werden. Das äußert sich beispielsweise an Lagerräumen, welche eine Grobkommissionierung mit Lagerwagen gar nicht ermöglichen, weil der Raum dafür nicht gegeben ist. Waren werden ohne Lagerortvermerk da positioniert, wo gerade Platz ist. Das wiederum erschwert das Anlernen neuer Mitarbeiter in Stoßzeiten. Oft werden keine richtigen Packtische eingesetzt, um Versandkartons, Füllmaterial, Klebeband und Terminal-PC optimal positionieren zu können. Beim Versanddienstleister wird häufig zuerst auf den Preis und scheinbar erst danach auf die Qualität geachtet. Dabei reduziert eine geringe Verlust- und Beschädigungsquote die Nachbearbeitung und vergrault weniger Käufer. Aus Sicht des Käufers ist die Samstagszustellung längst einkalkuliert, also sollten ausschließlich solche Versanddienstleister eingesetzt werden.
Retouren werden nicht immer als Chance erkannt und daher leider oft nicht schnell genug bearbeitet. Doch gerade durch eine schnelle Gutschrift kann Vertrauen geschaffen werden. Amazon versucht hier einen radikalen Anspruch zu etablieren: sobald die Retoure beim Versanddienstleister erfasst wurde, fließt das Geld zurück zum Käufer. Ich vertrete die Meinung, dass der Käufer durchaus bereit ist die Zustellung der Retoure abzuwarten, jedoch keine Woche auf sein Geld warten möchte.
Wie sieht bei plentymarkets prozessseitig der Best Case in der Logistik aus und welche Voraussetzungen sollten die Online-Händler dazu erfüllen?
Im Best Case wird der plentymarkets Client eingesetzt, da damit individuelle Arbeitsprozesse über einen grafischen Editor komplett individuell eingerichtet werden können. Wir unterstützen damit unterschiedliche Kommissionierungsarten, können Packfehler (Verpackung falscher Artikel) verringern und zur richtigen Zeit alle nötigen Versanddokumente inkl. Paketlabel automatisch generieren und ausdrucken lassen. Auch die schnelle Erfassung und Bearbeitung von Retouren kann als leicht verständlicher Prozess eingerichtet werden. Neben dem plentymarkets Client bietet die plentymarkets App für einige Prozesse eine sinnvolle Ergänzung, so können Picklisten und Umbuchungen bereits vollständig über die App vorgenommen werden. Durch diese Tools erreichen Sie eine deutliche Zeiteinsparung und die Prozesse werden nachvollziehbar, da jeder Prozessschritt am Auftrag dokumentiert werden kann. Der Käufer und die Hotline können somit live den aktuellen Bearbeitungsstand einsehen.
Damit diese technischen Lösungen sinnvoll eingesetzt werden können, sollten die Waren mit Lagerorten eingebucht worden sein, damit plentymarkets eine wegeoptimierte Kommissionierung ermöglichen kann. Packfehler können optimal durch das Scannen der Ware während des Pickvorgangs vermieden werden, dazu müssten jedoch alle Artikel über einen Barcode verfügen. plentymarkets kann dazu während des Wareneingangsprozesses entsprechende Etiketten drucken.
Wie viele Pakete verschicken Ihre Händler jährlich ungefähr und wie hoch ist der Anteil der ins Ausland geht?
In den letzten 12 Monaten wurden rund 43 Millionen Bestellungen mit plentymarkets versendet, davon gingen 12,9 % ins Ausland.
Online-Händler leiden bekanntermaßen unter permanentem Zeit- und Ressourcendruck. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Aufgaben (einmalig, regelmäßig) die im Zusammenhang mit der Logistik die größten Erfolge, Quick Wins versprechen?
Das Thema ist im Detail komplex und die Potenziale teilweise doch erheblich, es gibt nicht den allgemeingültigen Tipp. Zuallererst sollten die oben benannten Fehler vermieden werden. Daraufhin muss eine Prozessanalyse her, welche bestenfalls zusammen mit den MitarbeiterInnen durchgeführt wird, um keine Sonderfälle zu vergessen. Im Regelfall werden durch die Diskussion über den Ablauf bereits erste Missstände offensichtlich. Eine Umstrukturierung des Lagers und der Packsituation ist meist die Folge, selten auch ein Umzug. Dieser Analyseprozess sollte regelmäßig wiederholt werden, wobei das Intervall primär von der Wachstumsgeschwindigkeit abhängt. Dieses Vorgehensmodell ist sicherlich empfehlenswert, da dadurch auch die Ideen und Bedürfnisse der MitarbeiterInnen berücksichtigt werden können. Sofern Sie eigenständig nicht weiter kommen, kann der Prozess jederzeit durch externe Consultants unterstützt werden.
Wenn Sie darin keine weitere Optimierung sehen, denken Sie an die Motivation Ihrer Mitarbeiter. Sicherlich lässt sich Ihr Versandprozess als Basis für Gamification nutzen. Die nötigen Kennzahlen haben Sie, fehlen also noch Quest, Rangliste und ein spannender Gewinn.
Die vollständige Ausgabe mit allen Artikeln, kann hier kostenlos als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Bitte beachten: Der Original-Artikel im Magazin, enthält möglicherweise hilfreiche Grafiken, Abbildungen oder Charts, die hier nicht dargestellt werden.
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Jan Griesel, Geschäftsführer (CEO) der plentymarkets GmbH, legte den Grundstein für plentymarkets bereits 2001 durch den Entwicklungsstart einer eBay-Auftragsabwicklung mit integriertem Online-Shop. Heute verantwortet Jan Griesel die Teams Softwareentwicklung und Cloud-Hosting mit dem Ziel plentymarkets zum führenden ERP für E-Commerce zu etablieren.
Webseite: http://www.plentymarkets.com |