Händler im Gespräch: Nils Bluhm von RhinoStores
Der Onlinehändler RhinoStores betreibt insgesamt vier Special-Interest-Shops im Netz. Dies erfordert auch beim Controlling erhöhte Aufmerksamkeit. Die damit verbundenen Herausforderungen hat der Multistore-Händler über selbst programmierte Dashboards gelöst, welche allen seinen Mitarbeitern die wichtigsten Kennzahlen auf insgesamt vier großen Monitoren laufend und in Echtzeit anzeigen.
Nils Bluhm, Gründer und Geschäftsführer der RhinoStores Bluhm & Gatz GbR, erläutert im Interviewgespräch zum Thema Controlling-Dashboards, welche Kennzahlen sie laufend im Blick haben und welche Erkenntnisse sowie Maßnahmen sie daraus ableiten.
Livedaten bieten engen Bezug zu aktuellen Entwicklungen und pure Effizienz bei der Datenanalyse
Ihr habt Euch in Eigenregie ein sehr beachtliches Controllingsystem mit den verschiedensten Dashboards und Auswertungen
zusammengestellt. Erzähl doch mal, was war der Grund für die Programmierung Eures Controlling-Dashboards
Hier kommen gleich mehrere Faktoren ins Spiel. Zum einen geht es darum, ein Gefühl für das eigene Unternehmen zu gewinnen. Die Livedaten führen zu einem engeren Bezug der aktuellen Entwicklungen in unseren Shops. Wir bekommen praktisch live mit, welche Auswirkungen z.B. ein Facebookposting hat. Das gilt natürlich für jede mögliche Marketingaktion.
Des Weiteren geht es um pure Effizienz bei der Analyse der Daten. Die Daten nachträglich aufzuarbeiten führt zu einem hohen Aufwand, welcher durch unser kleines Team kaum zu bewältigen ist. Unser System loggt schlicht alle für uns relevanten Daten mit und bietet uns laufend die Charts, die wir für sinnvoll erachten. Damit ergibt sich automatisch eine permanent aktualisierte Auswertung.
Ein weiterer Punkt ist die punktuelle Nachsteuerung von bestimmten Prozessen. So können wir erkennen, ob Bestellungen den notwendigen Ertrag auch wirklich erzielen oder ob in bestimmten Unternehmensteilen ein Bearbeitungsstau entsteht und wir unsere Arbeitskraft umschichten müssen.
Wenn beispielsweise auffällig hohe Retouren Rückstände entstehen, in anderen Bereichen aber immer alles auf Stand ist, dann kann der entsprechende Bereich durch Teilung der Arbeitskraft unterstützt werden. Ein Blick reicht, um diese Defizite zu erkennen.
Permanente Liveanalyse ermöglicht umgehende Reaktion auf Schwachstellen
Welche Daten wertet Ihr dort genau aus?
Unser grundsätzlicher Ansatz basiert auf einer permanenten Liveanalyse aller relevanten Daten und Zahlen innerhalb des Unternehmens. Die Liveanalyse untergliedert sich in vier Bereiche, welche auf vier Monitoren dargestellt werden.
Ein Monitor zeigt als Chart die letzten drei Bestellungen an, im Kreisdiagramm werden Umsatz, Ertrag, Wareneinsatz und Versandkosten angezeigt und anteilig berechnet. So fallen auch schnell Ungereimtheiten auf, falls eine Bestellung einen zu niedrigen Ertrag erzielt. Dies kann dann umgehend geändert werden.
Unter diesen Diagrammen finden sich zusammengefasst die Umsatz-, Ertrags- sowie Kostendaten eines jeden Tages der aktuellen Woche, des aktuellen Monats sowie des aktuellen Jahres. Wir können damit ermitteln, wie profitabel wir laufen.
Ein zweiter Monitor greift zum einen unsere Daten von Google Analytics per Schnittstelle ab und zeigt an, wo sich der Kunde gerade befindet und ob sich Kunden aktuell im Warenkorb oder im Bestellprozess aufhalten. Dazu wird grafisch aufbereitet, ob es sich um wiederkehrende oder neue Besucher handelt und über welches Device die Besucher gerade im Shop stöbern.
Zusätzlich greifen wir über eine SOAP-Anbindung auf die Daten unseres Shopsystems von plentymarkets zu und ermitteln damit alle fünf Sekunden die genaue Konversion. Hier werden auch telefonische Bestellungen berücksichtigt. Markplätze tauchen in der Konversion nicht mit auf. Ebenfalls wird ermittelt, über welchen Kanal die Besucher auf unsere Shops kommen.
Ein weiterer Monitor zeigt uns historische Verlaufsdaten zu Besuchern, Konversionraten und Bestellanzahl. Der letzte Screen zeigt uns wiederum alle aktuell im System befindlichen Bestellungen an. Zusätzlich sind dort auch noch bei Lieferanten offene Nachbestellungen abgebildet. Ebenfalls werden Retouren, Gutschriften und der Status unseres Mahnwesens dargestellt.
Zusätzlich zu diesen vier beschriebenen Screens haben wir mehr als ein Dutzend weitere Ansichten, welche wir für detaillierte Auswertungen betrachten.
Datenauswahl pro Bereich wird fortlaufend optimiert
Wie habt Ihr festgelegt, welche Mitarbeiter welche Daten benötigen?
Das Anforderungsprofil ist natürlich für jeden Arbeitsplatz unterschiedlich. Ein Lagermitarbeiter bekommt beispielsweise nur die für ihn wichtigen Daten angezeigt. Dazu gehören primär der Warenfluss sowie offene Bestellungen. Im Bereich des Backoffices sind dagegen Retouren, Gutschriften, Mahnungen usw. von Interesse.
Was genau auf die spezialisierten Screens kommt, entscheidet in der Regel der jeweilige Mitarbeiter selbst. Dies ist ein permanenter Veränderungsprozess. Falls eine Information doch nicht den gewünschten Mehrwert bietet, wird dieser wieder entfernt. Dieser Optimierungsprozess ist fortlaufend und endet nie.
Livekurven vermindern Arbeitsaufwand
Welche Rückschlüsse bietet Euch die Liveanalyse auf Eure Geschäftsplanung?
Bestimmte Entwicklungen lassen sich leicht aus unseren Daten lesen. Als Beispiel können hier unsere Besucher- und Conversionstatistik dienen. Unsere Verlaufskurven zeigen überdeutlich das Missverhältnis von Besuchern und Verkäufen am Wochenende.
In diesen Zeiten haben wir deutlich mehr Besucher als unter der Woche, aber konvertieren diese deutlich schlechter. Neben bekannten Gründen ist dies bei uns auf den nicht vorhandenen Telefonsupport am Wochenende zurückzuführen.
Nun können wir also Schlüsse ziehen, welche Maßnahmen notwendig wären, um diesen Missstand auszugleichen. Entweder bieten wir auch am Wochenende Support oder aber wir finden einen Weg, am Wochenende einen höheren Kaufdruck durch z.B. niedrigere Versandkosten zu erzeugen.
Natürlich ließen sich diese Schlüsse auch über andere Wege ziehen. Allerdings gibt es hier den Vorteil, permanente Livekurven dazu auf einen Blick erfassen zu können, ohne beispielsweise die Daten mit Excel oder einem ähnlichen Programm aufbereiten zu müssen.
Geplantes Ziel: Kostenfallen durch exakte Statistikdaten durchgehend beseitigen
Welche Erweiterungen der Systeme und Auswertungen plant Ihr in Zukunft?
Im Bereich der Kostenstrukturen wollen wir noch viel präziser werden. Aktuell ermitteln wir unsere Kosten pro Tag nur auf Jahresbasis in Zusammenarbeit mit unserem Steuerberater. Dies ist aber zu ungenau und besonders in Wachstumsphasen nicht zu 100% korrekt.
Wir werden in diesem Jahr versuchen, alle Kosten exakt aufzuschlüsseln. Ein Beispiel sind hier die AdWordskosten. Diese können automatisiert ausgelesen werden und für jeden Tag individuell berechnet werden. Wenn die Kosten für Adwords um 8 Uhr morgens noch bei 100 Euro liegen, dann zeigt das System dies auch so an. Der Rohertrag und die damit verbundenen Kosten werden also minütlich genau abgeglichen.
So wachsen unsere Statistikdaten über den Tag permanent mit. Letztlich ist unser Ziel, jederzeit Kostenfallen oder ineffiziente Maßnahmen zu eliminieren.
Selbst programmierte Dashboards im Einsatz
Welche Systeme verwendet Ihr für die Dashboards?
Unsere Shops laufen über Plentymarkets und unser Dashboard haben wir auf Basis des PHP Frameworks Kohana programmiert. Dazu greifen wir auf die Google Analyticsdaten zu, um Besucherstatistiken und Konversionsdaten zu ermitteln.
Hand aufs Herz – wieviel Programmieraufwand habt Ihr im Laufe der Zeit bereits in Euer Controllingsystem gesteckt
In der jetzigen Form stecken ca. 6 Monate Programmierarbeit. Allerdings wird das System schubweise weiterentwickelt. Ohne einen festen Programmierer Inhouse wäre dies deutlich schwerer zu bestreiten.
Diese Kennzahlen sollten für jeden Online-Händler obligatorisch sein
Welche Kennzahlen müssen Online-Händler Deiner Meinung nach „im Schlaf“ kennen?
- Besucherdaten (Anzahl, Herkunft, Device, ….)
- Warenkorbwerte
- Rohertrag
- Marketingkostenquoten
- Wiederbestellquoten
- Penner und Renner
- Betriebskosten
- Performancewerte (Jahresvergleiche)
- Retourenquoten
Online-Händler müssen ihr Datenmaterial präzise kennen
Was sind aus Deiner Erfahrung heraus die größten Herausforderungen, was wird am häufigsten unterschätzt? Wo liegen die größten Gefahren, beim Controlling Fehler zu machen?
Zunächst muss ermittelt werden, welche Werte wirklich kontrolliert werden müssen und wie diese interpretiert werden. Extrem wichtig ist das bestehende Datenmaterial korrekt auszuwerten. Wenn beispielsweise ein Programmierfehler dazu führt, dass eine Statistik verfälscht wird, dann können gefährliche Schlüsse gezogen werden.
Ein Beispiel: Die Shopkonversion wird nicht von den Bestellungen über Marktplätze bereinigt. Da können die Daten auf einmal traumhaft aussehen, geben aber ein falsches Bild der Wahrheit ab.
Controlling ist unverzichtbar
Welche Tipps und Handlungsempfehlungen kannst Du anderen Online-Händlern hinsichtlich des einfachen Aufbaus eines Controlling-Dashboards mitgeben?
Verzichten Sie nicht auf Controlling. Es ist essenziell wichtig, zu wissen, wie der eigene Shop performt. Dabei sollte man sich nicht rein auf sein Gefühl verlassen. Nehmen Sie sich die Zeit Ihre Daten auszuwerten. Auf welchem Wege das passiert, ist natürlich von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich.
Lösen Sie sich regelmäßig von Ihrem Tagesgeschäft, um einen Überblick zu gewinnen, wie Ihre Maßnahmen funktioniert haben. Wer ein Dashboard aufbauen möchte, sollte entweder einen Programmierer im Unternehmen oder eine gute Agentur haben, die fortlaufend die Entwicklung betreut.
Die vollständige Ausgabe mit allen Artikeln, kann hier kostenlos als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Bitte beachten: Der Original-Artikel im Magazin, enthält möglicherweise hilfreiche Grafiken, Abbildungen oder Charts, die hier nicht dargestellt werden.
Nils Bluhm ist seit mehr als 10 Jahren im Bereich eCommerce selbstst�ndig und dabei auf den Bereich Onlinemarketing und Controlling spezialisiert. Unter der Dachmarke RhinoStores betreibt er mehrere spezialisierte Nischenshops, welche sich durch Expertenwissen sowie Kundenservice auszeichnen. Das Businessdevelopment erfolgt dabei datengetrieben und kennzahlenorientiert.
Webseite: http://www.rhino-stores.de |