Experten im Gespräch: Tino Haller von der SKY Energy Gruppe
Tino Haller ist seit 1997 beruflich in Europa und USA im E-Commerce tätig. Heute ist er Gesellschafter der SKY Energy Gruppe in Stuttgart, die vier stationäre Geschäfte mit Markenschmuck und Uhren in Süddeutschland betreibt. Seit 2009 leitet er zusätzlich das Onlinegeschäft von DerMarkenJuwelier.de. Er berät Markenhersteller im Multi Channel eCommerce und ist Geschäftsführer der Werbegemeinschaft der Königsbau Passagen in Stuttgart.
In einem Interviewgespräch erläutert er, in welche Richtung er die Entwicklung des Marktes sieht und wie sich Online-Händler den künftigen Herausforderungen stellen können.
Prognose / Aussicht: Wie schätzen Sie die Situation ein – werden in den nächsten Jahren tatsächlich bis zu 90% der Online-Händler ihre Segel streichen müssen?
Deutschland zählt im E-Commerce zu den stärksten Märkten. Und die sog. Digital Natives treiben die nach wie vor zweistelligen Wachstumsraten weiter an. Daher sehe ich nicht, dass eine Marktbereinigung 90% aller Pure Player treffen könnte. Außerdem kommen derzeit noch viele Unternehmen, die erst jetzt in den Online-Handel investieren. Dieses steigende Angebot wird auch die Nachfrage befeuern.
Wohin die Reise geht
Die heutige Situation im E-Commerce ist vergleichbar mit den 70er und 80er Jahren im Einzelhandel, als die Einkaufscenter aufkamen. Nur dass heute die Versandhändler die damaligen Einzelhändler sind. Es werden diejenigen wegfallen, die keine Prozesse und keine Positionierung haben.
Oder diejenigen, die nicht schnell genug auf das sich verändernde Kundenverhalten eingehen. Beinahe jeder fünfte Besucher unserer Webseite kommt heute bereits über mobile Endgeräte oder kauft sogar darüber. Also muss ich mich entsprechend darauf einstellen.
Macht Eure Hausaufgaben – 1,2,3 E-Commerce Basics, E-Commerce Plus und Erfolgsfaktoren
Es gibt eine Summe an Erfolgsfaktoren, die bearbeitet werden müssen. Dazu gehören eine klare Positionierung, die Beantwortung der Frage nach der Einzigartigkeit und immer in Bewegung zu bleiben.
E-Commerce Basics bedeutet die Professionalisierung der Infrastruktur und Prozesse – dies stand bisher noch viel zu selten im Fokus. Es gibt sogar noch genügend Anbieter von ERP- bzw. Warenwirtschafts-Systemen, die noch keine optimalen Prozesse bieten. Schnittstellen, Frontend und Prozesse für die Abwicklung von Bestellungen, Versand und Retouren müssen optimiert werden. Im Idealfall kann der Kunde beispielsweise seine Retouren selbst bearbeiten.
Zu den Basics gehören jedoch auch, was gerne vergessen wird, die richtigen Mitarbeiter!
E-Commerce Plus zielt auf Shop Usability, Marketing und die Verkaufsstrategie ab. Während die Basics der Motor eines Autos ist, sorgen die Plus-Faktoren dafür, dass es auch gut aussieht und die Türen gut funktionieren. Der Shop muss von der Haptik her sehr nah an erfolgreichen Best practises, wie Globetrotter oder Zalando, angelehnt sein.
Das Marketing muss eng auf den Shop abgestimmt sein. Nicht nach dem Gießkannen-Prinzip handeln, sondern die einzelnen Maßnahmen Schritt für Schritt anschalten, sobald die vorhergehende ausreichend optimiert wurde.
Last, but not least stellt sich die Frage, wie und über welche Kanäle verkaufe ich. Händler die ausschließlich über Plattformen verkaufen, werden es, da ohne Mehrwert für den Kunden, schwer haben.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Einzigartigkeit, dem Mehrwert, um Stammkunden – möglicherwiese sogar Fans – zu gewinnen. Dies kann zum Beispiel über Anreiz- und Bonussysteme gelingen. Oder kleinen Geschenken, wie einem Silberputztuch für den Schmuck oder einer Geschenkbox.
Wenn der Kunde mit dem Online-Shop, in dem er kauft, nachhaltig zufrieden ist, wird er wiederkommen und ihn möglicherweise sogar weiterempfehlen.
Im Idealfall verfügt man auch über ein Sortiment, das wiederkehrend gekauft wird.
Mögliche Strategien und Maßnahmen für Online-Händler zur Positionierung
Die Zielgruppe muss genau definiert sein und der Händler sollte nicht nur wissen, was diese bewegt, sondern auch, wo er diese für seine Marketingmaßnahmen am Besten erreicht.
Elementarer Kern eines Ladens wie auch eines Online-Shops sind die Produkte: Sortimentstiefe, die Warenverfügbarkeit und eine gute Aufbereitung der Produkte, beispielsweise in Themengebiete und Produktkonfiguratoren. Das können auch bereits ausgelistete Produkte oder Ersatzteile und Zubehör zu nicht mehr ganz aktuellen Artikeln sein.
Dazu gehören auch Top-Produkte, die man sich in hoher Stückzahl aufs Lager legt und im Shop und Marketing besonders bewirbt.
Beratungskompetenz lässt sich durch selektive Produktauswahl beweisen und dem Kunden wird dadurch die Kaufentscheidung erleichtert. Im stationären Geschäft läuft der Kaufprozess doch üblicherweise so ab: Der Kunde kommt in den Laden, der Verkäufer fragt die Präferenzen ab und bietet nur eine kleine Auswahl seines gesamten Sortiments an.
Es spricht auch erst einmal nichts dagegen, seine Produkte auch auf Marktplätzen wie Amazon oder eBay anzubieten. Schließlich kann auch das der Positionierung dienen. Unser Ziel ist es, dass überall dort, wo ein Kunde eines unserer Produkte sucht, auch wir als Einkaufsquelle erscheinen möchten.
Praxis-Beispiele für Online-Händler mit einer klaren Positionierung und deren Erfolgsfaktoren
Globetrotter – die Bedienung ihrer Webseite ist einfach, intuitiv. Sie arbeiten sehr stark mit Produktvideos und binden ihre Kunden bzw. deren Erfahrungen so gut als möglich ein. Sie bieten einfach eine tolle Experience.
Gilt – klare Positionierung und ein klares Produkt, jeden Tag um 12 Uhr wird eine neue Verkaufsschlacht gestartet.
Interviewpartner
Tino Haller ist Experte im Multi Channel eCommerce und betreibt neben vier stationären Geschäften auch einen florierenden Onlinehandel. Gleichzeitig berät er Markenhersteller und ist Geschäftsführer der Werbegemeinschaft eines Shoppingcenters.
Bitte beachten: Der Original-Artikel im Magazin, enthält möglicherweise hilfreiche Grafiken, Abbildungen oder Charts, die hier nicht dargestellt werden.
Tino Haller ist Experte im Multi Channel eCommerce und betreibt neben vier stationären Geschäften auch einen florierenden Onlinehandel. Gleichzeitig berät er Markenhersteller und ist Geschäftsführer der Werbegemeinschaft eines Shoppingcenters. |