Umsatz ist nichts ohne Rendite
Eine Untersuchung des E-Commerce-Anbieters novomind vor einiger Zeit zeigte, dass ca. drei Viertel der befragten Onlinehändler über zufriedenstellende Tools zur Webanalyse verfügten. Doch nur 63% werteten darüber mehr als zehn Kennzahlen aus.
Mit 43% wusste fast die Hälfte der Befragten beispielsweise nicht, wie viele ihrer Webshop-Besucher auch tatsächlich kauften oder über welche Suchbegriffe die Besucher zum Onlineshop gelangten. „Vor allem betriebswirtschaftlich und strategisch wichtige Fakten bleiben bei der Webanalyse außen vor“, kommentierte novomind in seiner Pressemitteilung zur Studie. Beispielsweise hielt nur jeder zehnte Onlineshop-Verantwortliche die Abbruchraten und den Durchschnittswert der Warenkörbe für wichtig.
Dabei belegte die Studie, wie entscheidend ein gutes Webcontrolling für den Erfolg eines Onlineshops ist: „E-Shops, die beim Controlling Besucherströme, Umsatzgrößen und Kosten zu einem ausgefeilten Reporting verknüpfen, wandeln diesen Informationsvorsprung häufiger in wirtschaftlichen Erfolg um“, so novomind.
Von den Onlinehändlern, deren Controlling breit gefächert aufgestellt ist, äußerten sich 81% mit ihrem Umsatz und Gewinn zufrieden; in der Gruppe derjenigen mit „Schmalspur-Controlling“ waren es nur 53%.
„Natürlich fiel uns die Entscheidung, ein schlagkräftiges Controlling-Team aufzubauen, aus Kostengründen erst einmal nicht ganz leicht. Wir haben jedoch die Erfahrung gemacht,
dass eine kennzahlengetriebene Unternehmenssteuerung, wenn sie denn konsequent betrieben wird, unmittelbar auf den Unternehmensgewinn einzahlt und daher mehr als lohnenswert ist.“
Rico Paul, Geschäftsführer der Happy Kidz GmbH
Der Status quo ist nach wie vor alarmierend
Besagte Studie wurde im Jahr 2010 durchgeführt. Seitdem ist viel Zeit vergangen, genügend Zeit um die seinerzeitigen Ergebnisse als „Schnee von gestern“ sehen zu können. Möchte man meinen. Dass dies jedoch ganz und gar nicht so ist, zeigen zwei aktuellere Untersuchungen.
So untersuchten wir dieses Jahr im Rahmen einer Benchmarkstudie, gemeinsam mit mehr als 100 Online-Shops mit einem Jahresumsatz zwischen 25.000 und über 50 Mio. Euro, unter anderem die Intensität des Marketing-Controllings.
Die überraschendste Zahl gleich am Anfang:
- Lediglich 70,4% der bisherigen Teilnehmer werten überhaupt ihre Marketingkanäle zur Unternehmenssteuerung aus.
- Nur jeder zweite Händler (51,9%) berücksichtigt demnach auch die Kosten seiner Marketingkanäle.
- Gerade einmal etwas mehr als jeder Dritte (37,0%) der befragten Händler wertet die Konversionsraten je Kanal aus.
- Die Retourenquoten je Kanal haben nur 3,7% der bisherigen Teilnehmer im Blickfeld.
Noch nicht einmal die technischen Voraussetzungen für ein professionelles Controlling scheinen ausreichend geschaffen zu sein. So hat das Beratungsunternehmen aQvisit für eine Studie erst kürzlich bei über 6.500 Shop-Webseiten analysiert, welche Webcontrolling-Lösung bei diesen eingesetzt wird.
Diese Untersuchung ergab, dass nach wie vor nur vier von fünf Online-Händlern eine professionelle kostenpflichtige Software, wie Webtrekk, eTracker oder Econda, beziehungsweise zumindest eine etablierte freie Software, wie Google Analytics oder Piwik, einsetzen.
Weiß man nun gleichzeitig, dass zwar viele eine professionelle Lösung besitzen und einsetzen, aber nicht wirklich nutzen, ist das Ergebnis umso niederschmetternder.
Oder wie Eric Jankowfsky, Gründer und Geschäftsführer der Jankowfsky AG in einem Interview sehr treffend feststellte:
„Jeder sammelt Daten über Google Analytics, Econda oder was auch immer für eine Lösung. Die Herausforderung ist aber nicht, Daten zu erheben und Daten zu sammeln,
die Herausforderung ist es, die richtigen Fragen zu stellen.“
Kennzahlen sind das Schmieröl eines Unternehmens
Anhand von Kennzahlen erhält man einen Überblick über relevante Fakten zur Standortbestimmung, zur Erfolgsmessung und zum Erkennen von Optimierungspotential.
Dabei gibt es verschiedene Bereiche des Controllings, deren Kennzahlen oft separat und über verschiedene Controllingsysteme erfasst werden, die es aber gilt, für ein Gesamtbild verzahnt zu betrachten:
- Das betriebswirtschaftliche Controlling, das die Grundlage für die Geschäftssteuerung legt
- Das Website-/Shop-Controlling, das etwaige Probleme oder Optimierungspotential aufzeigt
- Das Marketing-Controlling, das zeigt, ob und wie gut sich die gewählten Marketingmethoden auszahlen
Die ganz klassischen Geschäfts-Kennzahlen kennt jeder Händler: Anzahl der Bestellungen, Umsatz durchschnittliche Bestellgröße etc.
Diese allein reichen jedoch nicht aus: Dass Umsatz nicht gleich Gewinn ist, ist eine banale und (hoffentlich) jedem Geschäftsbetreiber bewusste Wahrheit.
Welche Kosten aber genau auf dem Verkauf und Versand eines Produktes liegen, ist gar nicht so leicht herauszubekommen.
Dieses Wissen ist aber für eine realistische und aus Unternehmenssicht ‚gesunde‘ Preisgestaltung unabdingbar. Zudem dient es der Erkennung,
wo Einsparpotential oder evtl. sogar dringender Handlungsbedarf zur Kostensenkung liegt.
Ein aussagekräftiges Controlling ist kein Hexenwerk
Doch wo kommen die einzelnen Daten her, die für die durchaus anspruchsvolle Berechnung der Steuerungsgrößen benötigt werden?
Die Quellen für den Aufbau eines optimalen Kennzahlen-Systems sind:
- Die Shopstatistiken: Neben den direkt im System ausgegebenen Daten wie Bestellanzahl etc., ist hier ein professionelles Trackingsystem notwendig. Da die wenigsten Shopsysteme ausreichend umfangreiche Auswertungen bieten, haben sich ein paar wenige Webcontrolling-Unternehmen darauf spezialisiert und bieten entsprechende Integrationen an.
- Die Finanzbuchhaltung: Sie liefert detaillierte Zahlen zu den unterschiedlichsten Kostenblöcken, aber auch zu den tatsächlichen Einnahmen.
Schließlich führt nicht jede Bestellung wirklich zu einer Einnahme. - Die Warenwirtschaft: Sie erläutert die Erfolge je Produkt und Warengruppe und erlaubt dadurch weitere Optimierungen. Diese Zahlen können üblicherweise – vor Retouren
und Stornos – auch über die gängigen Trackingsysteme ermittelt werden.
Leistungsfähige Shopsysteme bieten die Möglichkeit, Waren gleichzeitig über sehr viele Kanäle (im Shop und auf Marktplätzen oder Marketingkanälen) anzubieten.
Die Herausforderung für den Händler besteht darin, das Potenzial und die Relevanz jedes einzelnen Kanals korrekt einzuschätzen.
Die wichtigsten Zahlen lassen sich aus modernen Shopsystemen erfahrungsgemäß bereits aus deren Datenmaterial ableiten. Bei plentymarkets beispielsweise lassen sich hier nicht
nur die Umsätze genau zuordnen, sondern auch etwaige Retouren der Bestellung zurückverfolgen und somit ebenfalls dem jeweiligen Marketing- oder Absatzkanal zuschlüsseln.
Da in plentymarkets, in seiner Eigenschaft als Warenwirtschaftssystem, auch die Wareneinsätze bekannt sind, sind somit in einem einzigen System sogar alle Daten für unsere
im Folgeartikel beispielhafte, dennoch umfangreiche und aussagekräftige, Beispielrechnung zur Erfolgsbewertung der Marketing- und Absatzkanäle vorhanden.
Über die guten Exportfunktionen in plentymarkets können diese Daten anschließend bspw. in eine Tabellenkalkulation, wie MS Excel, übertragen und weiterverarbeitet werden.
Erfahrungsgemäß empfiehlt es sich jedoch, die Daten in einer Datenbank, bspw. MS Access, aufzubereiten. Da sich über plentymarkets die Quelle des Besuchs, der zum Kauf führte, und auch wie viele Besucher bspw. über die einzelnen Marketinginstrumente kamen, nachvollziehen lassen, lassen sich auch die Kosten zumindest kalkulatorisch und annähernd erheben.
Die oben erwähnte Datenbank ließe sich auch um weitere Daten aus der eingesetzten Webcontrolling-Lösung oder der Finanzbuchhaltung anreichern.
Unabhängig davon, welches System zur Aufbereitung der Daten gewählt wird, festhalten kann man, dass ein aussagekräftiges Controlling bereits mit vergleichsweise einfachen
Bordmitteln möglich ist!
Gleichzeitig sollte man darauf achten, dass der Detaillierungsgrad der Zahlenanalyse zum Unternehmen passt.
Oder wie Alexander Graf, Herausgeber von Kassenzone.de und beratend, sowie operativ im E-Commerce tätig, zusammenfasst: „Ich glaube, man kann sich sehr viele Kennzahlen
anschauen, allerdings besteht schnell die Gefahr, dass man in jede Kennzahl sehr viel rein interpretiert und versucht, die Retourenquote für eine bestimmte Warengruppe zu
reduzieren.
Viel wichtiger ist es aber, den Deckungsbeitrag 4 (Betriebsergebnis vor den unternehmerischen Fixkosten) richtig zu erheben und jeden einzelnen investierten Marketing-Euro
dahingehend zu optimieren, dass er mindestens 5-10 Prozent DB4 beisteuert. Wenn der Top Down-Blick angewendet wird, bringt das am meisten Fokus und diese Zahl interessiert am
Ende des Tages auch alle.
Was bringen dem Händler 95% Lieferfähigkeit, 20 Euro CPO (Kosten je Auftrag) und 25% Retouren als Bester im Wettbewerb, wenn kein Geld verdient wird?“
Controlling zahlt unmittelbar auf den Unternehmensgewinn ein
Wie geschildert, muss die Intensität des Controllings zur Unternehmensgröße passen. Richtig angewandt, lohnt sich diese „Investition“ jedoch innerhalb kürzester Zeit,
wenn nicht unmittelbar. Diese Erfahrung machte auch Rico Paul, Geschäftsführer von Happy Kidz, einem Spezialversender für Kindergartenmöbel.
Heute arbeiten im Controlling-Team des Unternehmens drei Mitarbeiter, welche täglich das vorhandene Zahlenwerk intensiv, auch mithilfe einer eingeführten Kostenstellenrechnung,
aufarbeitet.
In Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen ergeben sich so einerseits Handlungsempfehlungen für die Geschäftsleitung. Andererseits sind die Zahlen und Erkenntnisse quasi für
jeden Mitarbeiter ein wertvolles Werkzeug für die tägliche operative Arbeit.
So haben die Mitarbeiter nicht nur Zugriff auf die üblichen, bereits ausführlich beschriebenen Kennzahlen, sondern bspw. auch darauf, was aktuell in der internen Produktsuche
des Shops gesucht wird, genauso über welche Suchbegriffe die Besucher über Suchmaschinen in den Shop kommen oder welche Landingpages die höchsten Absprungraten haben.
Doch Achtung vor der Überregulierung
Pauls Erfahrung nach ist es aus Effizienzgründen sehr wichtig, dass die Zahlen zentral vom Controlling-Team erhoben werden, dies jedoch in enger Zusammenarbeit mit den
Fachabteilungen geschieht. Andernfalls besteht die Gefahr, dass immense Zahlenberge entstehen, welche nicht wirklich sinnvoll genutzt werden.
Oder, wie Graf auch bei großen Internet-Unternehmen immer wieder erlebt: „Unternehmen die groß genug sind, um ein eigenes E-Commerce Controlling zu betreiben, erfassen
i.d.R. alles und sie verpacken auch alles in extrem hübsche Reports.
Seitdem Excel mit Powerpivot nutzbar ist, ist der Reporting-Ehrgeiz an vielen Stellen zu spüren. Führt das dazu, dass sinnvolle Maßnahmen eingeleitet werden?
Nicht immer, weil das Geflecht an Report-Schreibern, Report-Interpretierern und betroffenen Abteilungen zu komplex ist.
In Unternehmen, in denen das ordentlich aufgesetzt ist und keine internen Kanalkonflikte mehr ausgetragen werden, hilft das Controlling aber enorm weiter.
Das halte ich auch für eine bedeutende Stärke der Marktführer wie Otto oder Zalando.“
Graf weiter: „Obwohl im Idealfall alle mit entsprechenden Reports arbeiten sollten, so sind es am Ende oft nur die Geschäftsführung und die Leute aus dem Performancemarketing,
die sehr eng mit den Reports arbeiten. Vielen anderen Abteilungen erschließen sich die Kausalitäten aus den Reports nicht und sie finden immer wieder intelligente Begründungen,
warum Aussage xyz für sie jetzt gerade doch nicht zutreffend ist.“
Doch wer diese Empfehlungen beherzigt, hat tatsächlich beste Chancen, aus seinen vorhandenen Zahlen das Beste zu machen – nämlich größere Entscheidungssicherheit und als
Folge daraus mehr Umsatz und zugleich eine höhere Rendite.
Die vollständige Ausgabe mit allen Artikeln, kann hier kostenlos als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Bitte beachten: Der Original-Artikel im Magazin, enthält möglicherweise hilfreiche Grafiken, Abbildungen oder Charts, die hier nicht dargestellt werden.
Peter Höschl bewegt sich seit 1997 beruflich im Internethandel, gilt als E-Commerce Experte und verfügt über große gelebte Praxiserfahrung. Er ist Autor mehrerer Fachbücher und einer Vielzahl von Fachartikeln zu allen Aspekten des Onlinegeschäfts. Heute berät und begleitet er vor allem mittelständische Unternehmen im E-Commerce.
Webseite: http://www.shopanbieter.de |