Händler im Gespräch: Andreas Unger von STABILO
Die STABILO International GmbH ist einer der führenden Schreibgerätehersteller in Europa. Die Kernkompetenzen liegen in den Bereichen Schreiben, Malen & Zeichnen und Leuchtmarkieren. Das Unternehmen ist international tätig und die Produkte gehen an mehr als 180 Länder. Seit fast 160 Jahren produziert STABILO Stifte.
STABILO hat mit Shopware ein emotionales Shopping-Erlebnis geschaffen. Was STABILO dazu bewogen hat, welche Herausforderungen damit verbunden waren und welche Tipps daraus resultieren, beantwortet Interviewpartner Andreas Unger, Head of eCommerce bei der STABILO International GmbH.
Genügt es nicht, dass STABILO einfach ihre Stifte über einen Produktkatalog verkauft, warum musste es der Erlebnis-Shopping-Ansatz sein?
Es freut uns, dass das als solcher wahrgenommen wird. In der Tat haben wir uns viele Gedanken darüber gemacht, wie wir die Markenbotschaft online transportieren können. Der Shop ist kein reiner Verkaufskanal, sondern in erster Linie ein Brand-Touchpoint und hier versuchen wir, die Marke auch digital erlebbar zu machen. Den Aufwand für solch eine Erlebnis-Plattform darf man dabei nicht unterschätzen. Wir hatten zunächst ein kleineres „shop only“ Projekt geplant, schließlich haben wir uns jedoch für einen kompletten Relaunch der globalen STABILO Website entschieden, der natürlich zeitintensiver war, aber auch die Verschmelzung von Markencontent und Commerce aus einem Guss ermöglicht hat. Da für uns als Hersteller Direktvertrieb ein absolutes Novum ist, kamen einige Herausforderungen auf STABILO zu, z.B. im Kundenservice. Wir freuen uns aber insgesamt sehr darüber, dass wir nun über einen weiteren Kanal zur direkten Interaktion mit dem Endkunden verfügen.
Mit welchen Elementen, Funktionen versuchen Sie den Besucher in Ihre Produktwelt zu „verführen“? Was ist Ihre Vorgehensweise dahingehend?
Schreibgeräte mit Emotionen aufzuladen ist mit Sicherheit eine größere Herausforderung, als es zum Beispiel mit Sportwagen der Fall ist. Dennoch versuchen wir es mit digitalen Mitteln, z.B. bildschirmfüllenden Bildelementen, Animationen, Parallax-Scrolling, spannenden Themenwelten und Videos. Da für uns klassischer Direktvertrieb neu ist, stehen wir im Online-Marketing noch am Anfang und müssen vieles ausprobieren, um herauszufinden, was zu uns passt. Mit der Zeit werden wir unsere Erfahrungswerte gezielt einsetzen, um sowohl den Markenwert weiter zu erhöhen, als auch Verkaufserfolge mit der Internetpräsenz zu erzielen.
Wie wichtig ist Ihnen Content Commerce und planen Sie auch einen Blog wie die Kollegen in UK?
Content und Blogging sind für uns relevante, wichtige Themen, die wir auf jeden Fall angehen wollen. Allerdings müssen zuallererst strategische Überlegungen stattfinden und dann organisatorische Maßnahmen und Veränderungen erfolgen, die die Grundstruktur bilden. Danach gehen wir an die Planung für Content Commerce.
Wie sind Sie bei der Planung vorgegangen, haben Sie eine Zielgruppenanalyse durchgeführt und haben Sie bereits Feedback zum neuen Web-Auftritt?
Als 160 Jahre altes Unternehmen und Marke mit entsprechenden Bekanntheitsgrad verfügt STABILO über ein breites Arsenal an Marketing-Handwerkszeug. Die Zielgruppe ist natürlich dieselbe, für die wir unsere Produkte entwickeln.
Bisher haben wir nur gutes Feedback zu unserem Erlebnis-Shop erhalten. Auch die Anzahl und die Interaktion unserer Facebook-Fans gibt uns positive Rückmeldung. Alle Anfragen werden mit Ernsthaftigkeit bearbeitet, denn Kundenservice wird bei STABILO ganz groß geschrieben.
Was waren bzw. sind aus Ihrer Erfahrung heraus die größten Herausforderungen, was haben Sie am meisten unterschätzt und wo werden Ihrer Einschätzung nach von Online-Händlern die meisten Fehler gemacht?
Die größten Herausforderungen lagen für uns in den Prozessen. Wir sind als Hersteller nur die erste Instanz eines mehrstufigen Vertriebsprozesses. Direkt an den Endverwender zu verkaufen, bedeutet z.B. in der Logistik von Paletten zu kleinen Paketen zu kommen. Darüber hinaus sind es aus meiner Sicht eher die Basics, die für einen erfolgreichen Online-Handel wichtig sind. So bringt es z.B. nichts, wenn Du eine Recommendation Engine einführst, aber Lieferzeiten von einer Woche hast.
Was würden Sie Online-Händlern mit begrenzten Ressourcen (Zeit, Geld) empfehlen, sich dem Thema Erlebnis-Shopping zu nähern und welche Tipps und Handlungsempfehlungen können Sie diesen mitgeben?
Als Erstes muss ein solides Fundament, eine funktionierende Grundlage geschaffen werden. Man mag es kaum glauben, aber gerade bei den Basics besteht noch viel Nachholbedarf. Es braucht z.B. ordentliche Produktbeschreibungen, eine klare Navigation, eine gute Suche, einen ausreichenden Servicelevel im Order-Fulfillment usw. Erst wenn das Fundament belastbar ist, macht es Sinn über weitere Dinge nachzudenken. Da empfehle ich ein überlegtes, stufenweises Vorgehen.
Außerdem sei erwähnt: Die Messbarkeit von vielen Dingen in einem digitalen Geschäftsmodell kann eine falsche Sicherheit vermitteln. Manchmal braucht man auch einfach gesunden Menschenverstand.
Was steht als Nächstes auf Ihrer To-Do-Liste?
Wir beschäftigen uns damit, als Marke noch attraktiver zu werden, den Markenwert und die -bekanntheit auszubauen. Wir arbeiten an der Personalisierung von Produkten, neuen Strukturen und Online-Marketing-Plänen. Auch Themen, wie Internationalisierung oder Marktplatzanbindung stehen auf der To-Do-Liste.
Ist Erlebnis-Shopping aus ihrer Sicht den großen Marktteilnehmern mit entsprechenden Ressourcen vorbehalten oder wird es sich auch bei den kleineren und mittleren Online-Händlern durchsetzen?
Gerade für kleinere und mittlere Online-Händler ist der Erlebnis-Shopping-Ansatz eine Chance, sich auf dem Markt zu differenzieren. Ein individueller Shop mit einmaligem Sortiment kann sich mit einem speziellen Einkaufserlebnis noch besser abheben. Deswegen denke ich, dass gerade die kleineren Shops auf diesen Zug aufspringen sollten. Denn die Großen haben es hier aufgrund der Sortimentsbreite und -tiefe schwerer, ihr Geschäftsmodell auf Erlebnis-Shopping auszurichten.
Wo sehen Sie die Zukunft des E-Commerce?
Das ist eine sehr philosophische Frage. Auf der einen Seite wird es meiner Meinung nach eine weitere Konzentration der Pure Player, wie z.B. Amazon, geben, auf der anderen Seite wird sich einiges tun in Richtung intelligentem, erlebnisorientierten Omni-/Cross-Channel-Commerce mit kanalübergreifendem Service, was gerade eine Chance für Händler mit einer starken stationären Präsenz darstellt. Hier ist das Potential noch lange nicht ausgeschöpft.
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Bitte beachten: Der Original-Artikel im Magazin, enthält möglicherweise hilfreiche Grafiken, Abbildungen oder Charts, die hier nicht dargestellt werden.
Andreas Unger ist seit September 2013 Head of eCommerce bei der STABILO International GmbH. Als Gründer von allmyTea, Shop-Betreiber und E-Commerce-Consultant kennt er viele Facetten des E-Commerce aus der selbständigen Praxis. Als Angestellter hat Unger den Aufbau der Fulfillment-Unit beim Logistikdienstleister Rhenus mitgestaltet und war bei Fressnapf, wo er im E-Commerce überwiegend an strategischen Projekten im Cross-Channel-Umfeld beteiligt war.
Webseite: https://www.stabilo.com/de |