Rechnungskauf in Onlineshops
Für Einzelshops ist nicht einfach, Besucher gegen die Dominanz der großen Portale wie Amazon & Co. auf die eigenen Seiten zu locken. Nicht umsonst macht die Neukundengewinnung einen der größten Kostenblöcke im Onlinehandel aus. Um so ärgerlicher ist es, dass bei einer durchschnittlichen Konver¬sions¬rate von 2% in deutschen Online¬shops von 100 teuer gewonnenen Besuchern 98 wieder abziehen, ohne zu bestellen.
Unpassende Zahlarten als Konversionshürde
Jeder Händler, der rechnen kann, wird daher versuchen, die Konversionshürden im Shop so weit wie möglich abzubauen. Welche das sind, hat das auf Shop-Personalisierung und User Engagement spezialisierte Unternehmen trbo kürzlich mit einer Kundenbefragung untersucht (siehe Chart 1). Dabei gaben über die Hälfte der Befragten an, dass sie ihren Einkauf wegen „unpassender Zahlungsmethoden“ abbrechen. Zudem erklärten 21%, dass sie auch dann abbrechen, wenn sie dem Shop nicht vertrauen.
Welche Zahlmethode „passt“?
Zur Kundengewinnung ist es also wichtig, „passende Zahlmethoden“ anzubieten. Welche dies allerdings sind, darüber klaffen die Meinungen von Kunden und Händlern so weit auseinander, wie bei kaum einem anderen Thema. Kurioserweise aus demselben Grund: mangelndes Vertrauen.
Kunden gehen insbesondere bei ihnen noch unbekannten Shops gern auf „Nummer Sicher“, möchten also die Ware erst nach Erhalt und Prüfung bezahlen. Aus diesem Wunsch spricht nicht immer ein Misstrauen gegen den jeweiligen Händler. Angesichts dessen, dass Hacker-Banden in der jüngsten Vergangenheit selbst professionellste Systeme knackten, widerstrebt es vielen Kunden, Zahlmittel-Daten wie Kontoverbindungen oder Kreditkartennummern via Web „herauszurücken“.
Hier punktet die Rechnung als Zahlart mit der höchsten Datensparsamkeit. Als Konsequenz vertrauen Konsumenten dieser Zahlart wie keiner anderen. Deshalb wirkt sie laut einer Untersuchung von ibi research in Form von Kundenbefragungen auch stärker gegen Checkout-Abbrüche als alle anderen Paymentmethoden (siehe Chart 2): Je nachdem, welche anderen Zahlarten im Shop angeboten werden, sanken die Abbrüche durch Hinzufügung der Rechnungsoption um bis zu 88%, im Schnitt über alle Szenarien um 79% !
Diese Studienergebnisse werden durch die Erfahrungen von Gerald Schönbucher, Geschäftsführer des Online-Shopping-Portals Hitmeister, bestätigt: „Der Rechnungskauf hat für Online-Shopper zwei entscheidende Vorteile: Zum einen fühlen sich Kunden, besonders Erstkäufer, sicherer, wenn sie ihre Zahlungsdaten nicht an den Online-Shop geben müssen und die Ware direkt geschickt bekommen. Zum anderen ist es bequem und fühlt sich ebenfalls sicherer an, den Einkauf erst zu bezahlen, wenn man die Produkte auch angesehen und getestet hat. So müssen Käufer nicht darauf warten, nach einer Rücksendung eines bestellten Artikels ihr im Voraus bezahltes Geld erstattet zu bekommen. Das macht den Rechnungskauf als Zahlungsmethode sehr attraktiv und wird so zu einem Entscheidungskriterium für oder gegen einen Online-Shop.“
Bei Hitmeister, einem der größten Portale in Deutschland, ist der Rechnungskauf die beliebteste Zahlart. So ist deren Anteil viermal so hoch wie der Anteil einer durchschnittlichen anderen Zahlungsart an allen Transaktionen.
Es gibt also für Onlinehändler starke Argumente dafür, im eigenen Shop die Bezahlung per Rechnung zu ermöglichen. Laut EHI ist der Kauf auf Rechnung mit einem Anteil von einem Viertel (25,4 Prozent) in Deutschland deutlicher Marktführer . Auf der Gegenseite wiegt für Händler – insbesondere kleinere – der mit dieser Zahlmethode verbundene hohe Abwicklungsaufwand sowie die Sorge um die Zahlungssicherheit schwer, zudem ist hier die Liquidität bei verzögerten Kundenzahlungen stärker in Gefahr. Beides lässt sich durch die Nutzung von Dienstleistern jedoch merklich reduzieren.
Rechnungskauf teuerste Payment-Option
Eine aktuelle Untersuchung von ibi Research zu den realen Kosten der unterschiedlichen Payment-Optionen weist die Zahlung per Rechnung als bei weitem teuerste Zahlart aus: Durchschnittlich 8,31% des Warenkorbwertes kostet nach einer Musterfallberechnung die Abwicklung des Rechnungskaufes in Eigenregie. Selbst mit einem Dienstleister, der Abwicklung sowie Risiko übernimmt, sollen es noch 5,19% sein (siehe Chart 3).
Der Musterrechnung von ibi research liegen als Testszenario folgende Werte zugrunde:
- Anzahl der monatlichen Bestellungen: 2.979
- Höhe des durchschnittlichen Warenkorbs: 100,60 €
- Durchschnittliche Retourenquote: 7,0 %
- Interne sowie externe Risikoprüfungen sowie Mahn- und Inkassoverfahren werden durchgeführt.
Ein erheblicher Teil der Kosten – 60 Ct. je Bestellung! – kommt bei der Musterrechnung aus dem Posten „Retouren-Korrektur-Faktor“. Dieser Faktor soll die erhöhten Retouren bei den Zahloptionen abbilden, die nicht diejenigen mit der niedrigsten Retourenquote sind. Umgekehrt trägt die Musterrechnung allerdings weder geringeren Abbruchraten noch größere Warenkörben Rechnung.
Insofern ist die Kostenrechnung eigentlich unvollständig: Wegen der stark positiven Wirkung der Rechnung auf Kaufabbrüche (ibi selbst ermittelt hier ja 79%, s.o.) würden ein positiver „Conversion-Korrektur-Faktor“ sowie ein „Warenkorbsumme-Korrektur-Faktor“ sicherlich die rechnerischen Gesamtkosten bei der Rechnungsoption stark senken. Solche Korrekturen einzurechnen wäre wichtig, weil der erhöhte Retourensatz bei Rechnungskauf ja gerade auf zusätzliche Auswahlbestellungen sowie vor allem Neukundenbestellungen basieren, bei denen die Kunden die Produkte noch nicht kennen bzw. diesen gegenüber generell noch unsicherer sind.
Dieses Problem sieht ibi research selbst und merkt in der Studie dazu an:„Zu beachten ist dabei jedoch, dass die Kosten eines Zahlungsverfahrens nicht der einzige Aspekt bei der Auswahl und dem Angebot von Zahlungsverfahren sind. Auf gar keinen Fall darf man z. B. die Kundenakzeptanz oder die Abbruchquoten eines Zahlungsverfahrens außer Acht lassen.“ Dass diese wichtigen Effekte in der vorliegenden Studie nicht eingerechnet werden konnten, liegt daran, dass die Datenerhebung über Händlerbefragungen bereits mit dem Fokus allein auf die Kostenseite enorm umfangreich war. In noch größerem Umfang Daten zu erheben, hätte die Leistungsfähigkeit der teilnehmenden Händler überfordert – und damit die gesamte Studie gefährdet.
Übrigens, von der oft postulierten erhöhten Retourenrate von Rechnungszahlern konnten die von uns für unseren Gratis-Ratgeber „Rechnungskauf in Onlineshops“ befragten Onlinehändler glücklicherweise kaum berichten: Nur rund ein Viertel der Händler gaben an, dass sie bei Rechnungskäufern gegenüber anders zahlenden Kunden eine erhöhte Retourenquote oder gar stärker verschlechterte Rückläufe spüren. einzelne Händler berichteten sogar von reduzierten Retouren. Dies ist insofern wenig verwunderlich, weil die Retourenproblematik generell vor allem ein Sortimentsproblem ist.
In diesem Zusammenhang sind die Zahlen des Portals Hitmeister hinsichtlich Warenkorbgrößen und Retourenquoten interessant: Dort liegt die Retourenquote für Einkäufe per Rechnung tatsächlich um 34,8% höher als die durchschnittliche Retourenquote der restlichen Zahlungsmethoden.
Gleichzeitig ist der durchschnittliche Warenkorb beim Rechnungskauf um 7,5% kleiner als der durchschnittliche Warenkorb der restlichen Zahlungsmethoden. Dies liegt nach Aussage Hitmeisters jedoch vor allem am Ratenkauf, der deutlich höhere Warenkörbe bedingt und somit den Durchschnitt der restlichen Zahlarten nach oben zieht.
Unter dem Schnitt weichen diese Zahlen allerdings deutlich von den durch uns erhobenen Werten anderer Händler ab. Ein Grund hierfür könnte in den unterschiedlichen Kundengruppen liegen, die direkt in Shops bzw. über ein Portal wie Hitmeister bestellen.
Fazit
Ob sich das Angebot der Rechnungszahlung lohnt oder nicht, ist von vielen Faktoren abhängig. Diese liegen einerseits in der eigenen Leistungsfähigkeit begründet, beispielsweise hinsichtlich von Datenabgleichen sowie einer weitgehend optimierten Abwicklung der Kundenkommunikation inkl. Mahnlauf und Inkasso. Gleichzeitig spielen die Konditionen des Dienstleisters eine wichtige Rolle. Den letztendlichen Ausschlag geben oft allerdings die Vorlieben der Kunden sowie das Angebot des Wettbewerbs.
Erich Gassner, General Manager & Handlungsbevollmächtigter der mPAY24 GmbH, betont: „Die Händler, die bei uns die Rechnungsoption anbieten, tun dies sehr häufig kundengetrieben, weil Kunden konkret nach der Rechnungszahlung fragen – oder weil der Wettbewerb diese Option bietet und damit die Messlatte setzt. Allerdings sehen wir auch, dass Österreicher die Rechnungszahlung eventuell noch nicht so richtig ins Herz geschlossen haben und deren Vorzüge zu schätzen wissen. Das Bezahlverhalten ändert sich nicht von heute auf morgen. Oft wird noch zur Kreditkarte gegriffen oder die eps-Online-Überweisung (Direktüberweisung ähnlich giropay) genutzt.“
Dabei schlägt sich jedoch nicht jeder Erfolg der Rechnungsoption direkt in deren Nutzungszahlen nieder: So berichtete im Rahmen unserer obengenannten Befragung ein Händler, dass Kunden u.U. gerade wegen des Angebots des Rechnungskaufes die bequemere Option der Lastschrift nutzen. Ganz nach dem Motto: „Oh, der vertraut mir – dann kann auch ich dem vertrauen!“
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Bitte beachten: Der Original-Artikel im Magazin, enthält möglicherweise hilfreiche Grafiken, Abbildungen oder Charts, die hier nicht dargestellt werden.
Nicola Straub arbeitet seit 1999 als Projektleiterin für Internetplattformen. Darüberhinaus arbeitet sie als Workshopleiterin und Coach für Online-Marketing-Projekte und Content- Entwicklung. Seit 2005 schreibt sie regelmäßig auf shopanbieter.de und anderen Portalen über E-Commerce-Themen und ist Autorin vieler Ratgeber sowie eines E-Commerce-Buches.
Webseite: http://www.physalia.de |