Erfolgsfaktor Zahlarten: Das Payment als multipler Wirkfaktor im E-Commerce
Händler balancieren beim Zahlartenmix zwischen Kundenwunsch, Zahlungssicherheit und Kosten. Tatsächlich ist die Relevanz des Payment im E-Commerce enorm, denn es wirkt direkt auf viele der wichtigsten KPI eines Online-Shops: Konversions-/Abbruchrate, Kundenbindung, Warenkorbgrößen, Retourenverhalten und – für manche Shops besonders kritisch – nicht zuletzt auch auf die Liquidität.
Händler können sich freuen: Kunden sind heutzutage nicht mehr ganz so empfindlich, was das Angebot an Zahlarten beim Online-Einkauf angeht. Zwar erwartet die Mehrheit der Kunden nach wie vor, mit einer von ihnen favorisierten Zahlmethode zahlen zu können. Doch es gibt für die meisten Kunden nicht nur eine einzige Zahlart, die sie zu nutzen bereit sind. Stattdessen verfügen viele Nutzer über ein Spektrum von drei bis fünf Zahlarten, die sie akzeptieren und sogar sehr flexibel nutzen. Eine Sache gilt jedoch noch immer als ehernes Gesetz: Empfinden Kunden die angebotene Zahlungsabwicklung als ungenügend, ist dies ein klarer Kaufabbruchsgrund. So gaben in einer aktuellen Paymentstudie des ECC Handel Köln 53,7 % der Kaufabbrecher als Grund für den Abbruch an, dass sie kein für sie akzeptables Zahlmittel gefunden hätten.
Damit gilt weiterhin die klare Ansage der Kunden an die Händler: „Lass mich so bezahlen, wie ich es will!“ – auch im Jahr 2015 und darüber hinaus. Allerdings: Eine ebenso klare „Lieblingsliste“ der von Kunden präferierten Zahlarten gibt es nicht (mehr). Zwar steht seit Jahren unverändert die Zahlung auf Rechnung ganz vorn bei den Kundenwünschen. Doch ansonsten variieren die Vorlieben – und zwar nicht nur nach Alter und Geschlecht, sondern auch nach Kaufsituation wird mal die eine, mal die andere Paymentmethode bevorzugt.
Kunden-Vorlieben variieren nach Zielgruppe und Situation
So nutzen Frauen häufiger die Kreditkarte, während Männer gern zur Lastschrift greifen. Und jüngere Zielgruppen nutzen – übrigens ohne Geschlechterunterschied – häufiger PayPal.
Dass diese Zahlart mit einer minimalen Dateneingabe auskommt und somit im Checkout sehr schnell erledigt werden kann, gibt ihr zusätzlichen Schub bei mobilen Einkäufen. Denn wird PayPal am Desktop-PC oder Laptop nur von rund 24 % der Käufer gewählt, so sind es bei Einkäufen mit dem Smartphone 34 %.
Andererseits beeinflusst auch die Warenkorbgröße die Wahl der Bezahlmethode durch den Kunden, bzw. bestellen Anhänger bestimmter Zahlarten (z.B. Kreditkarte) eher mehr. Gleichzeitig bindet eine als besonders angenehm empfundene Zahlungsabwicklung Kunden besser an einen Online-Shop, während bereits gut an ein Unternehmen gebundene Kunden eher zu Konzessionen bereit sind, wenn es um Zahlmethoden geht.
Wird die Ware zu einem festen Termin bestellt – so wie es gerade jetzt zu Weihnachten der Fall ist – dann tendieren Kunden besonders häufig zu Zahlarten, die einen schnellen Versand begünstigen, beispielsweise PayPal, Kreditkarte oder SofortÜberweisung – aber auch die Rechnungszahlung.
Letztere spielt auch bei Überlegungen bezüglich etwaiger Retouren eine große Rolle, wie das ECC Köln in oben genannter Studie herausfand: Wer schon bei der Bestellung fest einplant, Teile der Lieferung zurückzusenden, zahlt doppelt so häufig auf Rechnung, wie Kunden, die sicher sind, nicht retournieren zu wollen. Der Grund dafür liegt in der gefühlten höheren Sicherheit, die Kunden bei der Rechnungszahlung empfinden: Hier liegt es an ihnen, bei Retouren die Zahlung zu kürzen, weshalb sie sicher sein können, nicht eventuell ihrem Geld hinterherlaufen zu müssen. Dies erklärt, warum Kunden sogar noch häufiger die Rechnungsoption wählen, wenn sie unsicher sind, ob es zur Rücksendung kommen könnte – zum Beispiel weil sie den Shop und seine Produkte nicht einschätzen können.
Und schließlich sehen Händler mit internationalen Shops, dass jedes Land ebenfalls noch einmal eigene Paymentvorlieben mit sich bringt.
Sicherer ist sicher…
Während Kunden also mittlerweile für unterschiedliche Situationen auch verschiedene Bezahlmethoden einsetzen, stecken viele Online-Händler noch immer in dem alten Denkschema fest: „Sicherheit geht vor, Kosten kommen danach – und am Ende wird auf die Kunden geschaut“. Doch damit unterliegen sie gleich zwei Irrtümern.
Denn die Zahlungssicherheit für Einzelshops ist zwar tatsächlich oft eine Frage des Überlebens. Allerdings sollte dieses Thema nicht allein auf die Zahlarten verlagert werden. Vielmehr steht das Risk Management eines Online-Shops sinnvollerweise auf einer ganzen Reihe von Füßen, begonnen bei der Sortimentsanalyse, über das sinnvolle Scoring mit eigenen und ggf. auch fremden Daten bis hin zur Bonitätsprüfung. Und ein gut aufgestelltes Mahnwesen plus Inkasso kann oft auch bei schweren Zahlungsstörungen noch einiges hereinholen. Zudem hat sich am Markt ein breites Feld an Dienstleistern etabliert, die die Abwicklung unter weitgehender Garantie der Zahlung anbieten.
Deshalb fällt der einseitige Blick auf die Sicherheit einer Zahlart zu kurz. Vielmehr gilt es bei der Entscheidung für oder gegen eine Zahlart alle Merkmale – negative wie positive – individuell zu gewichten. So wird beispielsweise für einen Shop mit nur sehr selten retourniertem Sortiment, der in direkter Konkurrenz zu Amazon steht, bei der Rechnungszahlung die Eigenschaft, stärker Neukunden zu gewinnen und zu binden, schwerer ins Gewicht fallen, als eine laut Studien statistisch höhere Retourenneigung. Im Online-Handel mit Ware, die leider häufig oder gar missbräuchlich/verschlechtert retourniert wird, wird dies vermutlich eher anders herum gesehen.
Denn Retouren kosten im E-Commerce enorm viel Geld. Für viele (wenn auch nicht alle) Shops rechnet es sich bei Bestellungen mit Teilretouren sogar besser, wenn gar nicht erst bestellt worden wäre. Hier wäre eine Zahlart fehl am Platz, die „unsichere“ Kunden ermuntert. Denn solch eine Zahlart würde hier zu viele Kosten nach sich ziehen.
Hauptsache günstig!
Dieses Beispiel zeigt bereits, dass die Kosten der einzelnen Paymentmethoden nicht so einfach zu ermitteln sind. Denn wenn die Zahlarten auf so viele wichtige KPI eines Onlineshops wirken, müssen diese Wirkungen auch in die Kosten eingerechnet werden. In ihrer vielbeachteten Untersuchung zu den realen Kosten von Zahlungsmethoden hat das ibi Research Institut 2014 versucht, alle Faktoren in die Gesamtkosten von Zahlungsverfahren einzurechnen . Dabei zeigten sich zwei überraschende Fakten:
Erstens hängen die Gesamtkosten einer Zahlart oft zu einem viel geringeren Teil von deren direkten Kosten ab, als landläufig gedacht. So betragen die Prozess- & indirekten Kosten bei der Zahlung per Vorkasse durch Überweisung das 3,6-fache der direkten Kosten, bei der Rechnung das 4,8-fache, bei PayPal jedoch nur das 2,3-fache. Händler, die diese indirekten Kosten nicht in ihre Kalkulationen einbeziehen, unterliegen damit u.U. einer enormen Fehlkalkulation. Hier punktet das Outsorcing der Zahlungsabwicklung mit einer auf den ersten Blick übersichtlicheren Kostenstruktur. Nicht eingerechnet sind hier jedoch die Nachteile, die sich beispielsweise aus dem Abgeben der Kunden-Risikodaten sowie eventuellen Zusatzkosten ergeben. Denn oft wenden sich Kunden bei Problemen mit ihrer Rechnung statt an den Dienstleister-Kundendienst lieber direkt an den Händler, so dass ein gutes Stück des Kundenservice doch auf den Händler zurückfällt.
Die Rechnung von ibi Research machte jedoch noch etwas anderes deutlich, nämlich, dass es keine für alle Online-Shops allgemeingültige Aussage zur günstigsten Zahlart geben kann. In einer weiteren Auswertung berechnete ibi Research daher drei unterschiedliche Shop-Szenarien, die aufzeigen, wie unterschiedlich die Kosten ausfallen können (siehe Tabellen 1-3, letzte Spalte ergänzt von shopanbieter.de).
Kunststück Kunden(ver)führung
Es ist für Händler also höchste Zeit, sich vom statischen Denken bezüglich der Zahlungsabwicklung zu verabschieden. Vielmehr gilt es auch hier, eine Gesamtstrategie zu finden. Dazu gehört, sich der eigenen Ziele klar zu werden. Und dies nicht nur im Sinne der reinen Zahlungssicherheit, sondern auch bezüglich der weiteren wichtigen KPI wie Kundengewinnung und -bindung oder Retourenquote. Anhand der eigenen Daten gilt es dann, die realen Kosten der einzelnen Zahlarten zu ermitteln und schließlich die eigenen Interessen mit den Anforderungen der Zielkundschaft sowie ggf. mit unterschiedlichen Kaufsituationen (Stichwort mobile Commerce) abzugleichen.
Dabei sollte auch versucht werden, die Kunden zur Nutzung der für den Händler günstigeren Paymentarten zu (ver)führen. So zeigt sich immer wieder, dass sich viele Kunden allein durch die Reihenfolge der angebotenen Zahlarten lenken lassen. Auch die Beschreibung der jeweiligen Zahlart kann helfen, die Kundenwahl im Sinne des Händlers zu beeinflussen. Hierbei sollten die Punkte Sicherheit, Versandgeschwindigkeit und Bequemlichkeit als für den Kunden besonders wichtige Argumente hervorgehoben werden. Und schließlich können auch Rabatte oder gegebenenfalls auch Aufschläge bei sehr teuren Methoden überzeugend wirken.
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Nicola Straub arbeitet seit 1999 als Projektleiterin für Internetplattformen. Darüberhinaus arbeitet sie als Workshopleiterin und Coach für Online-Marketing-Projekte und Content- Entwicklung. Seit 2005 schreibt sie regelmäßig auf shopanbieter.de und anderen Portalen über E-Commerce-Themen und ist Autorin vieler Ratgeber sowie eines E-Commerce-Buches.
Webseite: http://www.physalia.de |