M-Commerce ist ein Thema – JETZT!
Das Schlagwort M-Commerce schwirrt gefühlt ja bereits seit Erfindung des Internets durch den Äther. Und Jahr für Jahr wurde uns von verschiedensten Seiten immer wieder prognostiziert, mobile Commerce würde in ein, spätestens zwei Jahren nun aber wirklich kommen. Dies geschah so lange und oft, dass es kein Online-Händler mehr hören konnte. Und nun ist M-Commerce in der Händlermitte angekommen und die wenigsten sind darauf vorbereitet.
Doch was ist denn nun wirklich dran am M-Commerce – braucht der Händler überhaupt bereits eine mobile Strategie?
Konversionsraten hinken hinterher
Schließlich ist doch immer wieder zu hören, mobile Endgeräte würden in Sachen Konversionsraten stationären PCs und Notebooks deutlich hinterherhinken. Zumindest teilweise rührt diese Volksmeinung sicherlich noch aus der Vergangenheit, als Online-Händler ihre Webshops noch nicht wirklich auf mobile Ansichten ausgerichtet haben. Dann ist klar: schlechte Benutzerführung bedeutet nun mal schlechte Kaufraten.
Dennoch liegen die mobil erzielten Konversionsraten nach vor wie noch hinter denen von Desktop-PCs oder Notebooks. Doch werden die Abstände immer kürzer, wie auch eine Untersuchung vom Online-Marktplatz Rakuten Deutschland für diese Ausgabe des Magazins belegt. So liegt die Konversionsrate bei Zugriffen über Smartphones mit 41 % bei deutlich weniger als der Hälfte von derjenigen bei Besuchen über Desktop-PC oder Notebooks. Tablets erreichen immerhin noch 68 % der Konversionsrate von herkömmlichen Geräten.
Ähnliche Zahlen findet man in einer Auswertung vom US-amerikanischen Marketingunternehmen Monetate, wie das nachfolgende Chart zeigt. Demnach kommen Tablets auf eine durchschnittliche Konversionsrate von 2,45 %, auf dem Smartphone konvertieren 1,14 % der Shopbesucher zu Käufern. Die klassische Konversionsrate auf stationären Endgeräten liegt bei 3,15 %.
Der M-Umsatz ist bereits relevant
Der zanox Mobile Performance Barometer, basierend auf der Auswertung von über 1.000 Advertiser-Programmen in sieben europäischen Märkten mit jährlichen Konsumenten-Transaktionen im zweistelligen Millionenbereich, ermittelte einen mobilen Anteil in Höhe von 14 Prozent am E-Commerce-Umsatz. Dies bedeutet, dass bereits heute Waren für mind. 5 Mrd. Euro jährlich über mobile Endgeräte eingekauft werden. Unklar jedoch, wie viele davon Reisen und Tickets betreffen, die in unserer Branche üblicherweise rausgerechnet werden. Gleichzeitig gehe ich davon aus, dass diese Warengruppen in den Affiliate-Programmen von zanox überproportional repräsentiert sind.
Vergleicht man allerdings die vorliegenden Rakuten-Zahlen, käme man sogar auf 18 Prozent M-Commerce Anteil.
Die vorliegenden Zahlen weisen für Tablets übrigens nicht nur höhere Konversionsraten, sondern auch deutliche höhere Warenkörbe aus. So ermittelte der zanox Barometer für die verschiedenen Devices folgende durchschnittlichen Warenkörbe:
- Tablet 74 Euro
- Desktop-PC 68 Euro
- Smartphone 44 Euro
Nur auf dem Umsatz zu schielen nutzt nicht
Auch wenn die angesprochenen fast 20 Prozent Umsatzanteil für jeden Online-Händler bereits für sich allein schon sehr relevant sein müssen, greift diese Betrachtung nach wie vor zu kurz.
Man darf nämlich getrost davon ausgehen – zumindest wir tun es – dass mobile Endgeräte nach wie vor eher der Entscheidungsvorbereitung, denn dem Kaufabschluss dienen. Von daher ist für die Priorisierung wichtiger, wie hoch der mobile Anteil bei den Besuchern liegt.
Auch hier sprechen die Aussagen verschiedener E-Commerce-Plattformen der letzten Wochen eine eindeutige Sprache. Wir haben nur drei, von den bekannteren Unternehmen, davon herausgegriffen:
- Zalando: 41 Prozent des Traffics kommt mittlerweile über mobile Endgeräte
- eBay: 40 Prozent aller Transaktionen werden von mobilen Geräten aus gestartet
- Otto: Bereits heute verbuchten einige der Onlineshops bis zu 40 Prozent der Besuche über Smartphones und Tablets
50 Prozent Umsatzanteil sind greifbar
Nochmals zum Vergleich: Rakuten Deutschland berichtet von 35 % Mobileanteil und idealo von über 30 %. Wer jetzt immer noch zaudert, der gönne sich noch einen abschließenden Blick auf die Wachstumszahlen.
Die mobile Nutzung bei idealo legte in den vergangenen zwölf Monaten um über 40 Prozent zu, bei Rakuten Deutschland waren es sogar über 80 Prozent. Auch der zanox Barometer berichtet von 70 Prozent Umsatzwachstum im mobilen Bereich.
Folgende Fakten sprechen dafür, dass diese starke Wachstumsphase auch noch lange nicht zu Ende ist:
- Erst gut jeder zweite Deutsche besitzt ein Smartphone
- Es werden künftig sicherlich eher mehr als weniger Tablets verkauft t
- Mobile Angebote werden noch Nutzerzentrierter
- Mobile Endgeräte werden immer stärker in das tägliche Leben eingebunden, bspw. die Regulierung der Heizung über eine App
Auf dieser Grundlage erstaunt die erst einmal sportlich anmutende Aussage von Rainer Wolf, Geschäftsführer des Apple-Händlers Arktis, der als Ziel die 50 % Verkaufsmarke der mobilen Zugriffe bis Anfang 2015, ausruft, nicht. Immerhin liegt dessen Anteil der mobilen Zugriffe bereits bei über 50 %.
Online-Händler stehen vor vielen technischen Fragen
Welche potentiellen Kunden Händler mobil erreichen
– Der Gemütliche. Stöbern abends auf der Couch nutzt er am liebsten sein Tablet – viel bequemer, als sich an den Desktop-PC zu setzen oder den schweren Laptop in die Hand zu nehmen. Er hat abends außerdem die Ruhe, nicht nur zu recherchieren, sondern ist auch gewillt eine Kaufentscheidung zu treffen.
– Der Offliner. Er kauft immer noch gerne im Geschäft, weiß aber auch, dass sich online oftmals Geld sparen lässt. Vor allem bei Produkten, die viele Shops führen, greift er unterwegs gerne zum Smartphone, um Preise über Preisvergleicher oder direkt über seine favorisierten Onlineshops zu vergleichen. Je nach Ersparnis und Dringlichkeit entscheidet er sich wider Erwarten für den Onlinekauf.
– Der Onliner. Der Traum eines jeden Onlinehändlers. Im Geschäft wird nur in Ausnahmen eingekauft. Dieser Verbrauchertyp lebt online, hat sein Smartphone immer zur Hand und ist so versiert mit dem E-Commerce, dass er auch auf dem Weg zur Arbeit noch schnell online einkauft.
Eines haben alle Typen gemeinsam: Ob sie mobil nun vergleichen, recherchieren oder eine konkrete Kaufabsicht haben – sie wollen sich beim Besuch eines Onlineshops nicht mit der Handhabung des Shops, sondern mit den Produkten beschäftigen. Nicht jeder Besuch endet in einem Kauf. Doch jeder Kaufentscheidung geht oft die Recherche vorweg, für die ein mobil optimiertes Angebot ebenfalls unerlässlich ist.
Autor: Florian Kriegel, Senior eCommerce Redakteur bei idealo
Doch wie immer, ist es für Online-Händler auch bei diesem Thema nicht ganz so einfach. Dies beginnt schon bei der Frage, auf welche Technologie er bei der Umsetzung seiner mobilen Strategie setzen soll.
Derzeit scheint sich im M-Commerce das Responsive Web Design (RWD) als Händlers Liebling durchzusetzen. RWD ist damit quasi das, was lange Zeit bei Shopsystemen Magento war. Keiner weiß warum, aber jeder möchte es haben.
Disclaimer: Dies ist ausdrücklich keine Bewertung von Magento oder RWD, sondern nur als Beobachtung typischer Marktentwicklung zu verstehen.
Oder wie es Christof Steinke von Shop Software-Anbieter VersaCommerce in einem Kommentar bei Kassenzone formulierte: „Es wird in gewisser Weise mechanisch gefragt, ob “der Shop auch responsive” sei. Das gehört jetzt irgendwie dazu (so wie: “SEO-optimiert”). Nachfragen zu mobilen Zielgruppen, Sortimenten oder gar Konzepten lösen dann oft Unruhe aus, denn die Händler haben keine Antworten – und wollen vor allem auch kein zusätzliches Geld in die Hand nehmen, um den mobilen Kanal zu bespielen. Die meisten lesen aus den positiven m-Commerce-Statistiken heraus, dass ihnen hier ein weiterer Vertriebskanal quasi “umsonst” oder als “Abfallprodukt des Web-Shops” zur Verfügung steht.“
Die vier Wege der Technik
Online-Händlern stehen derzeit vier Technologien zur Verfügung, um ihre Online-Shops fit für mobile Endgeräte zu machen.
Zum einen sind das mobile Templates bzw. Themes, die mittlerweile bei vielen Onlineshop-Systemen zum Standard-Lieferumfang gehören.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, ein sogenanntes „Responsive Theme“ (RWD) einzusetzen. Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um eine Art der HTML-/CSS-Programmierung, die bewirkt, dass eine Website sich dynamisch an die Größe und Auflösung des anzeigenden Gerätes anpasst.
Außerdem gibt es noch die sogenannten HTML5-Web-Apps, die im Browser des mobilen Geräts laufen und sich anfühlen wie native Apps.
Last but not least lassen sich native Apps programmieren, die sich über den App-Store beispielsweise von Apple herunterladen lassen und die über diesen Weg Inhalte auf mobilen Geräten verfügbar machen.
Roman Zenner, seit 2005 selbständiger Berater und ausgewiesener E-Commerce Experte, hat für uns die Vor- und Nachteile der jeweiligen Technologie skizziert.
Mobiles Thema
Vorteile | Nachteile |
+ geringe Implementierungskosten, Standard-Lösungen vorhanden, Theme wird für mobile Geräte optimiert. | – erhöhter Pflegeaufwand, da mehrere Versionen von Themes gepflegt werden müssen (besonders, wenn man mehrere mobile Themen z.B. für Tablets betreibt) |
Responsive Web Design
Vorteile | Nachteile |
+ ein Theme ist auf vielen Geräten nutzbar, d.h. sowohl im Desktop- als auch im Mobile-Kontext. | – aufwändige Konzeptions- und Umsetzungsphase; da nach dem „one-size-fits-all“-Prinzip vorgegangen wird, wird beispielweise im mobilen Kontext Code geladen, der nur im Desktop-Kontext benötigt wird. |
Web App
Vorteile | Nachteile |
+ muss nicht über App-Store installiert werden (sondern via Browser), hat trotzdem das gleiche Look & Feel wie eine native App. | – komplexe Technologie (z.B. HTML5 und JavaScript-Frameworks). |
Native App
Vorteile | Nachteile |
+ nutzt die Hardware-Ressourcen des jeweiligen Geräts optimal aus, was z.B. bei komplexen Grafiken und Animationen – wie bei Spielen – relevant ist. | – aufwändige Programmierung, Apps müssen für Apple-, Android- und Windows-Geräte jeweils individuell gepflegt werden. |
Usability ist erfolgsentscheidend
Möglicherweise ist die optimale Nutzerführung für mobile Angebote noch wichtiger, als bei herkömmlichen Onlineshops. Kein Wunder – schließlich steht auch wesentlich weniger Platz für die Inhalte zur Verfügung, um den Kunden zu fesseln und zu leiten.
Daher stehen Shop-Betreiber hinsichtlich des Designs vor einer Reihe von Herausforderungen. Diese beginnen bereits auf der
Startseite: Wie kann der geringe Platz optimal genutzt werden? Welche Elemente und Funktionen müssen auf den ersten Blick sichtbar sein? Die Suchfunktion und Kategorienübersicht sind letztlich die wichtigsten Orientierungspunkte, welche es gilt, prominent darzustellen.
So stellt auch Roman Zenner fest: „Sehr wichtig ist, dass man nicht einfach sämtliche Elemente seines Desktop-Shops in die mobile Version hineinpresst, sondern sich genau überlegt, wie die Nutzer auf der Seite agieren. Anstelle komplexer Kategorie-Hierarchien könnte man beispielweise in der mobilen Version einen Produkt-Stream vorsehen, der die potentiellen Kunden inspiriert. Handelt es sich um einen Händler mit stationärem Geschäft kann es auch sinnvoll sein, Informationen zu Öffnungszeiten etc. in den Vordergrund zu stellen.“
Im Folgeartikel „Forms follows function“ stellen wir ausführlich dar, worauf es beim Design für mobile Seiten ankommt und worauf zu achten ist.
Praxisbeispiele, welche die Vielfalt und unterschiedliche Stoßrichtungen einer mobilen Strategie & Umsetzung zeigen
Ist von mobiler Strategie die Rede, geht es häufig nur um die Fragestellung, welche technologische Lösung eingesetzt werden soll – mobile Templates, Responsive Web Design oder doch eine Web App bzw. Native App?
Dies ist insofern richtig, als dass von der mobilen Strategie abhängt, welche Technik am besten zu deren Realisierung geeignet ist. Jedoch geht es bei der mobilen Strategie leider häufig ausschließlich um eine möglichst 1:1-Kopie der Webshop-Funktionen.
Online-Küchenhaus Kiveda
Eigentlich müsste man davon ausgehen, dass ganze Küchenserien bzw. individuell geplante Küchen für das „Smartphone nicht geeignet“ sind bzw. eine mobile Umsetzung nicht sinnvoll erscheint.
Die mobile Strategie von Kiveda zielt daher insbesondere auf zwei Punkte ab:
1. Bei der klassischen Erhältlichkeitssuche und Google-Smartphone-Recherche in der Suchtrefferliste möglichst weit oben gefunden zu werden. Es ist davon auszugehen, dass Google mobil-optimierte Seiten in den Rankings höher einstuft.
2. Leads zu generieren und Beratungstermine für eine kostenlose Küchenplanung anzubahnen. Dies gelingt mit prominent positionierten Call-To-Actions auf der mobilen Startseite bzw. einem für alle Smartphones mobil-optimierten Formular für die Terminvereinbarung.
Ziel ist es also vor allem, „mobil“ den ersten Fuß in die Tür des potentiellen Kunden zu bekommen.
Darüber hinaus ist es natürlich auch möglich, klassische Zukauf-Artikel, Zubehör und einzelne Module bequem und direkt über das mobile Gerät zu bestellen. Sogar mit dem Bedienungskomfort, diese Module nach eigenen Wünschen auf dem Smartphone konfigurieren zu können.
Naildesign-Discounter nd24
Die mobile Strategie von nd24 ist aus mehreren Blickwinkeln interessant. Um ihr Potential von über 173 TSD Facebook-Fans optimal zu nutzen, fährt nd24 einen sog. Social-Media-Shopping-Ansatz und hat den mobilen Bestellservice direkt hinter Facebook geschaltet. Dies macht insofern Sinn, da Studien bereits davon sprechen, dass Facebook beinahe zu 80 % mobil genutzt wird.
Der Discounter bespielt seine Facebook-Gemeinde denn auch vortrefflich. So fahren sie regelmäßig Produktvorstellungen und Verkaufsspecials auf Facebook und leiten dabei den Facebook-User ohne Medienbruch bzw. barrierefrei aus der mobilen Facebook-Darstellung auf die mobil-optimierte Bestellseite.
nd24 nutzt auch das Prinzip des Live-Shoppings, indem auf der mobilen Startseite ausgewählte Sortimentsartikel, zeitlich verknappt, vergünstigt angeboten werden, um auf Smartphones Umsatz zu generieren. Mobile Gutscheincodes und prominent dargestellte visuelle Angebote runden den mobilen Auftritt ab.
Mittels M-Commerce gelingt es dem Anbieter so, nicht nur seine mobilen Besucher, sondern auch seine Facebook-Gemeinde, welche üblicherweise eher allergisch auf Werbung reagiert, zum Kaufen zu bewegen.
Die vollständige Ausgabe mit allen Artikeln, kann hier kostenlos als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Bitte beachten: Der Original-Artikel im Magazin, enthält möglicherweise hilfreiche Grafiken, Abbildungen oder Charts, die hier nicht dargestellt werden.
Peter Höschl bewegt sich seit 1997 beruflich im Internethandel, gilt als E-Commerce Experte und verfügt über große gelebte Praxiserfahrung. Er ist Autor mehrerer Fachbücher und einer Vielzahl von Fachartikeln zu allen Aspekten des Onlinegeschäfts. Heute berät und begleitet er vor allem mittelständische Unternehmen im E-Commerce.
Webseite: http://www.shopanbieter.de |