Im Spannungsfeld zwischen Amazon, Top-1000-Shops und Emporkömmlingen
Aktuell wird von verschiedenen Seiten prognostiziert, dass die Marktbereinigung noch deutlich stärker ausfallen wird, als bisher erwartet. So lautet eine These von ECC Köln und Mücke, Sturm & Company, die im Leitartikel dieser Ausgabe bereits ausführlich besprochen wurde: „90 % der heute am Markt aktiven Pure Player werden die nächsten Jahre nicht überleben“.
Unabhängig davon, ob dies tatsächlich so kommt – die Zeiten des quasi automatischen Wachstums für jedermann dürften vorbei sein. Unter anderem auch, da der Zustrom an neuen Internetnutzern endlich ist – trotz der Tatsache, dass für die nachfolgenden Generationen, als sog. „Digital Natives“, die tägliche Nutzung des Internets selbstverständlich ist.
Wettbewerb verschärft sich
Gleichzeitig zeigt sich, dass vom bisherigen Wachstum insbesondere die sogenannten Big Player wie Amazon und Otto oder kapitalstarke „Emporkömmlinge“ profitieren. Bei diesen handelt es sich meist um Markenhersteller, etablierte stationäre Händler oder wagniskapitalfinanzierte Onlineshops bzw. ausländische Versender.
Diese Marktteilnehmer werden künftig nicht nur den Massenmarkt noch stärker dominieren, sondern auch vermehrt die Nischen besetzen. Doch nach wie vor liegen im Nischensegment auch die besten Chancen für kleinere und mittlere Onlinehändler. Dennoch gilt: je spitzer die Zielgruppe, desto weniger Platz für mehrere Anbieter – gewinnen wird, wer diese Zielgruppe am besten kennt und bedienen kann. Shop-Betreiber werden sich hier ganz und gar auf die jeweiligen Kernzielgruppen ausrichten müssen, um diese nicht an die großen Wettbewerber zu verlieren.
Der Wettbewerb wird sich in allen Sortimenten insgesamt weiter verschärfen, was in hohen Marketingkosten im Wettstreit um die Kunden mündet. Reichweite ist nicht nur endlich, sondern wird auch teurer.
Höchste Zeit also, sich darauf zu konzentrieren, Bestandskunden zu gewinnen und zu halten. Am besten gelingt dies mit dem Aufbau einer starken Marke, die einen Mehrwert symbolisiert und die Kunden zu Stammkunden macht.
Der Stammkunde wird immer wichtiger
Obwohl Erstkäufer den größten Anteil an Website-Besuchen ausmachen und der Löwenanteil der Marketing-Budgets auf sie ausgerichtet ist, generieren Stammkunden deutlich mehr Umsatz pro Besuch. Eine Analyse von Adobe zeigt, dass der Umsatz bei jedem Besuch bei Wiederkäufern 3-mal höher ist als bei Erstkäufern. Mit anderen Worten ausgedrückt: Wenn es dem Händler gelingt, einen Erstkäufer nach der ersten Bestellung zur Rückkehr zu seinem Onlineshop zu bewegen, würde dieser Folgebesuch einen durchschnittlich 3-mal höheren Umsatz erzielen.
Bei Stammkäufern liegt dieser Wert sogar noch deutlich höher. In den USA wird der Wert je Besuch eines Stammkäufers erst mit 5 Erstkäufern erreicht. In Europa liegt der Quotient sogar bei 1:7.
- Erstkäufer: bisher keine Bestellung
- Wiederkäufer: bisher eine Bestellung
- Stammkäufer: bereits mehrere Bestellungen
Die meisten Umsatzsteigerungen durch Wieder- oder Stammkäufer sind auf verbesserte Konversionsraten zurückzuführen, die die entsprechende Quote für Erstkäufer um das bis zu 9-Fache übertreffen. Gleichzeitig lag bei Wieder- und Stammkäufern im Untersuchungszeitraum der durchschnittliche Warenkorb um ein paar Prozentpunkte höher, was darauf zurückzuführen ist, dass die Bestellungen dieser Besuchergruppen im Schnitt 16 % bzw. 30 % mehr Positionen je Kauf aufwiesen.
Untersuchungsergebnisse für Deutschland
ERSTKÄUFER | WIEDERKÄUFER | STAMMKUNDE | |
UMSATZ JE BESUCH | € 2,53 | € 6,19 | € 10,59 |
POSITIONEN JE ORDER | 3,7 | 4,2 | 4,3 |
Ø-WARENKORB | € 107 | € 110 | € 118 |
KONVERSIONSRATE | 0,8 % | 6,2 % | 10,2 % |
Kunden, die häufiger einkaufen, bringen – neben den geringeren Akquisekosten – noch weitere Vorteile: Preise und Konditionen sind bereits akzeptiert. Bestandskunden achten nicht mehr auf jeden Euro, sondern sind froh, dass alles in gewohnten Bahnen abläuft. Darüberhinaus haben sie auch weniger Fragen und beschäftigen den Kundendienst daher seltener. Bestandskunden kennen sich aus und die Kommunikation läuft schneller und zielgerichteter.
Wobei die Konzentration auf die Bestandskunden, auch als Sinnbild dafür stehen kann, auf die Kostenbremse zu drücken und an den internen Prozessen zu arbeiten. Oder, anders ausgedrückt:
“Ziel muss es sein, die Marketingkosten auf unter 10 % zu bekommen.”
Sortiment und Kundenfokussierung sind entscheidend
Ein positives Nutzungserlebnis und ein einzigartiges Markenerlebnis sind das Fundament für Stammkunden und eine klare Positionierung dabei elementar. Neben der Leistungsführerschaft (tiefes Sortiment zu einem bestimmten Thema, hohes Produkt-Knowhow und Beratungskompetenz), könnte jedoch nach wie vor auch die Preisführerschaft als Positionierung stehen. Wer ausschließlich billige weiße Teller anbietet, kann kaum Leistungsführer werden, aber dennoch seinen Platz als Discounter für billiges Porzellan finden.
Björn Dorra von VersaCommerce unterscheidet in seinem Artikel Marktforschung für Online-Händler: Eine Einführung im t3n-Magazin die möglichen Positionierungen eines Online-Händlers nach Marktführer, Preisführer, Qualitäts- bzw. Leistungsführer und Mitläufer.
Wer den meisten Umsatz macht, ist Marktführer. Unternehmen mit Billigangeboten sind Preisführer, andere vielleicht Qualitätsführer. Doch spätestens, wenn die ehrliche Selbsteinschätzung „Mitläufer“ oder „Einer von vielen“ lautet, müssen Shop-Betreiber alles andere auf die Seite legen und sich sofort um ihre Positionierung kümmern.
Dorra sieht folgende Faktoren, die bei der Positionierung eines Shops eine wichtige Rolle spielen:
- das Sortiment
- der Service
- der Preis
- die Zielgruppe
- die Präsentation im Online-Shop
- und die Werbung.
Zielgruppe im Mittelpunkt
Lässt man nun die Positionierung als Preisführer einmal beiseite, da diese Anbieter am leichtesten austauschbar sind, zeigt sich, dass grundsätzlich Produkte und Zielgruppe im Mittelpunkt stehen. Alle anderen Faktoren bauen darauf auf.
Händler müssen ihre Zielgruppe kennen, wissen, was diese bewegt und wo sie diese, mit welcher Marketingmaßnahme, am besten erreichen. Bei der Definition seiner Zielgruppe begehen Händler jedoch oftmals den Fehler, sich hier möglichst breit aufstellen zu wollen, aus Angst, etwas zu verpassen.
Es jedem recht machen zu wollen, wird jedoch nicht gelingen, das können die großen Marktteilnehmer besser. Schlussendlich bleibt man mit dieser Strategie für den Besucher wieder nur ein weiterer Shop, mit dem er sich nicht identifizieren kann und den er bereits vergisst, noch bevor er ihn verlassen hat.
Es geht darum, eine klare Kernzielgruppe zu definieren und sich um diese kompromisslos zu kümmern. Wichtig dabei ist, sich eine Alleinstellung aus Kundensicht zu verschaffen. Beispielsweise über exklusive Produkte oder Services. In Einzelfällen gelingt es auch, eine Exklusivität über Emotionalität zu erzeugen.
Zumindest jedoch sollte die Beratungskompetenz über die passende Produktauswahl klar erkennbar sein. So müssen die angebotenen Produkte zur Zielgruppe passend auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt sein und sich auf einem akzeptablen Preisniveau bewegen. Der Kunde muss auf den ersten Blick wissen, was er von dem Shop erwarten kann. Bedeutend ist hierbei weniger, ein möglichst breites Sortiment abzudecken, sondern die richtigen bzw. wichtigen Produkte im Sortiment zu führen.
Auch an dieser Stelle kann man viel von Amazon lernen. So verbinden Endverbraucher den Namen Amazon häufig mit den Attributen „größtes Sortiment und günstigste Preise im Internet“. Wie eine Untersuchung von PreisAnalytics, einem der führenden Anbieter von Tools zur Markt- und Preisbeobachtung, unter 3.500 der relevantesten Artikel in Deutschland jedoch kürzlich zeigte, stimmt dies nur sehr bedingt.
So ergab die Untersuchung von 3.500 in verschiedenen Preisportalen am häufigsten gesuchten Produkten, dass Amazon und Marketplace-Händler zu 83,2% diese Artikel auch tatsächlich im Sortiment führen.
Auch wenn diese Marktführerschaft nur mit den Produkten der Amazon Marketplace-Händler gelingt, führt Amazon in der Außenwahrnehmung letztlich beinahe jedes Top-Produkt.
Bei den Preisen hingegen ist Amazon jedoch in den seltensten Fällen der in dieser Erhebung untersuchten Produkte der Preisführer, wie nebenstehende Grafik verdeutlicht.
Sortimentsführung muss wieder Kernkompetenz werden
Gerade die Zusammenstellung des richtigen Sortiments für die Zielgruppe wurde von den meisten Online-Händlern bisher als Kernkompetenz vernachlässigt. Zu groß war die Versuchung, im Internet mit einem möglichst breiten Sortiment möglichst viele oder noch besser alle erreichen zu wollen.
Höchste Zeit also, sich darauf zu besinnen, was einen guten Händler ausmacht – das richtige Gespür um die Interessen und Wünsche seiner Kunden und vor allem das Wissen und die Kompetenz zu seinen Produkten.
Oder, wie Stefan Grimm, Gründer und Geschäftsführer von restposten.de & Grosshandel.eu, allen Händlern ans Herz legt:
„Für die meisten Händler muss endlich wieder das Produkt im Zentrum stehen. Der Arsch muss beim Einkauf hoch von der Couch, die Zeiten der reinen Nachdisponierung bei zehn Standardlieferanten sind vorbei.
Händler müssen zukünftig vor allem eins – wieder zum Einkäufer werden! Raus auf Messen, in die Welt, zu dem Produzenten und Herstellern und natürlich auch ins Netz. Dann heißt es in aller Regel Bestehendes verbessern, individualisieren, Produktbundles schnüren, andere Farben, die Form oder das Material modifizieren, um so aus dem Mainstream und dem direkten Preisvergleich heraus zu kommen.
Dabei darf das Fahrrad aber ein Fahrrad bleiben, das Trampolin auch gerne ein Trampolin, denn so erreicht man unscharf suchende bzw. nicht festgelegte Käufer und kann diese von den eigenen Vorzügen überzeugen.“
Bitte beachten: Der Original-Artikel im Magazin, enthält möglicherweise hilfreiche Grafiken, Abbildungen oder Charts, die hier nicht dargestellt werden.
Peter Höschl bewegt sich seit 1997 beruflich im Internethandel, gilt als E-Commerce Experte und verfügt über große gelebte Praxiserfahrung. Er ist Autor mehrerer Fachbücher und einer Vielzahl von Fachartikeln zu allen Aspekten des Onlinegeschäfts. Heute berät und begleitet er vor allem mittelständische Unternehmen im E-Commerce.
Webseite: http://www.shopanbieter.de |