Händler im Gespräch: Praxisbeispiel Rechnungskauf in Eigenregie
Die Rechnungszahlung als für den Händler mit Abstand günstigste Variante? Wenn Sortiment und Zielgruppe „passen“, kann die Rechnungszahlung beide Seiten richtig glücklich machen: Kunden und Händler!
Im Interviewgespräch erläutert ein im Onlinehandel erfolgreicher, stationärer Händler, wie sich die Zahlart Rechnungskauf nicht nur positiv auf seinen Umsatz auswirkt, sondern für ihn zugleich die günstigste angebotene Zahlmethode ist.
Aus Wettbewerbsgründen möchte der Händler lieber anonym bleiben. Dieser ist der Redaktion jedoch bekannt.
Sie bieten in Ihrem Onlineshop neben der Zahlung per Lastschrift, Kreditkarte oder PayPal auch die Bestellung auf Rechnung an. Liegt das vor allem an den Wünschen der Kunden bzw. am Druck durch den starken Wettbewerber Amazon?
Wir hatten im Rahmen von internen Systemarbeiten vor einigen Wochen die Rechnungsoption im Shop für einige Tage deaktiviert, weil wir unsere interne Systeme umstellten. Wir haben an den Reaktionen der Kunden sofort gesehen, dass diese Zahlart sehr wichtig ist. Neben 20 % Bestellabbrüchen im Checkout an der Stelle der Payment-Auswahl, bekamen wir auch direkte Nachfragen von unseren Kunden.
Tatsächlich ist die Rechnungszahlung aber auch für uns deutlich günstiger als die anderen Zahlungsmethoden. Während die direkten und indirekten Kosten bei PayPal- und Kreditkartenzahlungen bei insgesamt etwa 5 % der Warenkorbsumme liegen, kosten uns die Rechnungszahlungen nur ca. 1,7 % – und zwar inklusive der Ausfälle, die bei etwa 0,5-1 % liegen!. Insofern sind wir ja sehr froh darüber, dass unsere Kunden am liebsten per Rechnung zahlen!
Der Rechnungskauf ist also die beliebteste Zahlmethode in Ihrem Shop?
Ja, mit Abstand! Und auch die Warenkörbe sind bei den Rechnungskunden größer, etwa um 20 Prozent.
Und was ist mit Retouren? Sind Ihre Rechnungszahler retourenfreudiger?
Naja, unser Sortiment ist generell nicht gerade Retouren-affin. Im Onlineshop haben wir – völlig unabhängig von der Zahlmethode – eigentlich kein Retourenproblem. Das mag auch damit zusammenhängen, dass Retouren bei uns nicht kostenfrei sind.
Wie erklären Sie sich die hohe Affinität Ihrer Kunden zum Rechnungskauf – und die traumhaft geringen Zahlungsausfälle?
Das ist bei uns sicherlich durch das Sortiment bedingt. Unser Kernsortiment sind Bücher aus einem bestimmten Themenfeld, das einfach vor allem eine etwas ältere und arrivierte Zielgruppe anspricht. Zudem eignen sich diese Produkte nicht zum Hehlen und wirken daher nicht besonders anziehend auf Betrüger.
Allerdings haben wir darüber hinaus auch andere Artikel, beispielsweise aus dem Bereich Geschenke oder Accessoires. Wenn wir Betrugsfälle haben – und die haben wir natürlich auch, wenn auch glücklicherweise nur sehr selten – dann sind meist eher Artikel aus diesen Bereichen betroffen.
Betrug kommt also schon vor? Sie setzen aber doch sicherlich Sicherheitsmechanismen ein?
Ja, so ein bis zwei Mal im Jahr haben wir größere Betrugsfälle. Mit den Sicherheitsregeln ist das so eine Sache: Aus den wenigen Fällen lassen sich – noch! – keine speziellen Prüfroutinen ableiten, die beispielsweise gezielt verdächtige Bestellungen erkennen würden. Daran arbeiten wir, aber bislang schützen wir uns vor allem mit ganz allgemeinen Regeln: Wir erlauben die Rechnungszahlung für Neukunden beispielsweise nur für Warenkörbe bis maximal 200,- Euro, darüber hinaus verlangen wir Vorkasse.
Aktuell überlegen wir, diesen Wert noch abzusenken. Allerdings ist das schlicht eine kalkulatorische Entscheidung: Wenn unsere Ausfälle nur 1 % betragen, uns PayPal und Kreditkarte aber 5 % kosten, dann schneiden wir uns ins eigene Fleisch, wenn wir zu viele Kunden von der Rechnungszahlung ausschließen.
Ein automatisiertes Scoring der Bestellungen oder gar eine Bonitierung der Kunden nutzen Sie also gar nicht?
Nein, aktuell nicht. Wir nutzen unsere eigenen Daten hier, um ständig zu lernen. Aktuell ist es uns vor allem wichtig, unsere Systemintegration voranzutreiben: Wenn Shopsystem und ERP nicht gut verknüpft sind, kann das Betrügern ein Einfallstor eröffnen. Denn die sind ja kreativ: Die steigern dann über Tage ihre Bestellsummen.
Eine gute Systemintegration ist daher wirklich wichtig. So fällt direkt auf, wenn weitere Bestellungen eingehen, während die vorhergehenden noch nicht bezahlt sind oder sich gar im Mahnlauf befinden.
Was aber schon ganz wichtig ist – auch im Hinblick auf ein gegebenenfalls später nötiges Inkasso – ist die Adressverifikation. Wir verifizieren bei jeder Bestellung die angegebenen Adressen automatisch direkt im Checkout. Und das allein ist bereits viel Wert.
Wie gesagt, aktuell reichen die Fälle nicht aus, um Betrugsmuster zu definieren, die ein automatisches Bestell-Scoring erlauben würde. Wir beobachten das aber natürlich sehr genau. Sollten Betrügereien zunehmen – was wir allerdings nicht hoffen – dann werden wir hier natürlich weitere Sicherheitsmechanismen einbauen.
Sie arbeiten aber auch mit einem Dienstleister zusammen?
Ja, wir arbeiten beim Inkasso mit der adebio Forderungsmanagement zusammen.
Wie sieht das konkret aus?
Die Rechnungs-Abwicklung übernehmen wir selbst bis hin zum Mahnlauf. Ist der Mahnlauf ausgereizt, ohne dass das Geld eingegangen ist, geben wir den Fall an die adebio weiter. Die betreiben dann das Inkasso. Konkret läuft das sehr einfach über eine Schnittstelle ab. Monatlich bekommen wir dann von der adebio eine Abrechnung inklusive einer genauen Aufstellung darüber, welche Fälle abgeschlossen sind etc. Darüber hinaus können wir auch sehr ausführliche Auswertungen über alle Fälle erhalten.
Könnte es sich nicht lohnen, auch das Mahnverfahren auszugliedern? Wenn man sich beispielsweise eine aktuelle Musterrechnung von ibi research ansieht, könnte auch hier einiges an Einsparpotential liegen.
Nein, uns kostet das nicht so viel. Wir haben im Jahr in etwa 13.000 € an Kosten im Mahnwesen, davon sind aber 11.000 € reine Materialkosten, nur rund 2.000 € entfallen auf Personalkosten. Das liegt einfach daran, dass wir die Prozesse sehr weitgehend integriert und automatisiert haben.
Und das Inkasso, ist das erfolgreich?
Deutlich über 60% der Rechnungen werden schließlich im Inkasso doch noch beglichen. Damit können wir gut leben.
Gibt es Tipps (oder auch Warnungen), die Sie anderen Händlern mitgeben würden, wenn diese den Rechnungskauf anbieten möchten?
Ich denke, ob sich der Rechnungskauf lohnt oder nicht, ist vor allem von der Art der Kunden und vom Sortiment abhängig. Bei uns passt es einfach und die Rechnungszahlung ist nicht nur von unseren Kunden gewünscht, sondern auch für uns am günstigsten – sogar mit Abstand. Bei anderen Konstellationen sieht das eventuell ganz anders aus.
Wichtig ist es, die Systeme von Shop und ERP wirklich gut zu integrieren – auch im Hinblick auf den Mahnlauf. Und ich würde auch den Rechnungskauf niemals ohne eine Adressverifizierung realisieren. Betrug gibt es immer, das ist schlicht ein kalkulatorischer Faktor, den es gilt, in einem gut erträglichen Rahmen zu halten. Und was die anderen Nichtzahler angeht, da ist mit einem guten Inkasso viel wieder reinholbar.
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