Outsourcing/Fulfillment für kleine und mittlere Shopbetreiber
eCommerce lohnt sich nicht! So geschrieben in dem wunderbaren Standardwerk von Marcus Diekmann, Geschäftsführer von Shopmacher. Das Buch wendet sich mit seinen Schwerpunkten vor allem an mittlere und große Händler und beleuchtet dabei den Weg zum No-Line Handel. Leadautor Diekmann und seine Co-Autoren beschreiben schon 2012, welche Fallstricke im Online-Handel auftreten und den reinen Online-Store zu einem nicht mehr lukrativen Geschäft machen können. Oliver Lukas beleuchtet dazu ab Seite 76 das „make or buy“ im Bereich Fulfillment. Also das Outsourcen von Logistik, Finanzen und Kundenservice im Ganzen und weist auf die Fallstricke sowie die Vorteile hin.
Das Thema ist nun seit Längerem aber nicht mehr nur das der größeren Player im eCommerce, sondern entwickelt sich immer mehr als interessante Alternative für kleine und mittlere Shops sowie Start-ups, die keinerlei bestehende Infrastruktur in den vorgenannten Disziplinen haben. Auch zerfällt der Begriff Fulfillment mittlerweile immer mehr in die Einzelteile und der Ansatz von Fulfillment wird durch immer besser vernetzbare Systeme aufgeweicht und von Spezialisten in Teilen übernommen. So gibt es mittlerweile Dienstleister, die rein den Kundenservice übernehmen, dabei aber den vollen Zugriff auf alle nötigen, internen Informationen haben. Oder Dienstleister wie Klarna, die komplett das Rechnungsgeschäft übernehmen. Logistiker bieten an, die Waren einzulagern und aufgrund von Kundenaufträgen im Namen des Händlers zu verschicken.
Das ist doch nicht neu!? Nein! Die Dienstleistungen selbst sicher nicht, aber die mittlerweile so smart integrierte Vernetzung dieser Disziplinen untereinander und die damit erreichte Geschwindigkeit, macht es endlich wirklich für den eCommerce nutzbar. Und das vor allem für den eCommerce im unteren und mittleren Umsatzbereich! War doch früher die Geschwindigkeit einer der Vorteile der „Kleinen“ im Online-Handel, haben das die „Großen“ nun mittlerweile komplett aufgefangen und sogar überboten. Warum also nun noch alle Disziplinen im eigenen Haus halten und alles ein bisschen machen, wenn man durch geschicktes Outsourcing Zeit, Kapazität und Geld sparen kann.
Der „kleine Handel“ und seine Eigen- und Besonderheiten
Spricht man mit den self-made Händlern heute, sticht vor allem eine Mentalität hervor: Die Wir-wollen-selbst-den-Überblick-behalten-Mentalität. Und das ist natürlich eine angeborene und erklärbare Mentalität.
Startet man als Händler, macht man erst einmal alles selbst. Von Einkauf oder Produktion über das Marketing, die SEO-Maßnahmen, das Artikelmanagement, dem Fotos schießen, das Kundenmanagement, den Versand bis zur Buchhaltung. Somit hat man alle Prozesse und deren Kosten gut im Blick und kann alle entsprechend kontrollieren. Der Start in die digitale Verkaufswelt wird von vielen Anbietern vermeintlich einfach gemacht. Die digitalen Marktplätze wie eBay oder Amazon sind von jedermann einfach zu bedienen, auch auf Händlerseite. Hinzu kommen dann noch Systeme, die Out-of-the-box WaWi und Shopsystem bieten. Das ist dann also noch ein Punkt um den man sich kümmern muss. Insgesamt also ein ausgefüllter Tag, an dem je nach Anforderung das ein oder andere mehr gemacht wird und dafür andere Themen auf der Strecke bleiben. Zeit für Strategie bleibt da kaum noch.
Was aber tun, wenn man wachsen will? Skalierung ist hier das viel genannte Zauberwort. Also das, was man sowieso schon tut, zu multiplizieren und breiter aufzustellen. Wenn wir uns die vorgenannten Beispiele der Aufgaben von Shopbetreibern anschauen, wird es aber schwer, die Skalierung wirksam zu betreiben. Man hat ja nur die eine Ressource, sich selbst. Also skaliert man human. Mitarbeiter werden eingestellt, im besten Fall aus der Familie, Freunde oder Bekannte. Vielleicht aber auch schon eine 450,- Kraft, vermittelt durch eine Jobagentur. Die neuen
Mitarbeiter helfen nun also Päckchen packen, nehmen Kundengespräche an oder versuchen die Artikel in den sozialen Netzwerken zu promoten. Man kann sich nun also um andere Dinge kümmern.
Mal ehrlich?! Ist das wirklich so?
Schaut man in die Realität, so sinkt die Qualität des gerade so gut aufgebauten Business rapide! Die Retourenquote schnellt unheimlich in die Höhe, Google straft wegen unerlaubten Linkbuildings ab und der TrustedShops-Durchschnitt liegt gerade mal bei drei Sternen. Wie konnte es dazu kommen?
Die Skalierung mit ungeschultem Personal geht nach hinten los! Die Leistungsfähigkeit und der eigene Anspruch des Shopbetreibers werden so nicht erreicht. Der nächste Schritt wäre also Mitarbeiter zu suchen, die wissen um was es geht und genau das tun, was sie sollen. Und dann schaut man auf die Lohnforderungen dieses geschulten Personals und versucht daraufhin die gesamte Shop- und Artikelkalkulation neu zu erstellen… und scheitert.
Genau an dieser Stelle trennt sich die Spreu vom Weizen der Online-Händler. Wer an diesem Punkt nicht die richtigen Schritte einleitet und seine Strategie in die richtige Richtung aufbaut, wird bestenfalls nicht weiter wachsen, in den meisten Fällen aber das Business beenden müssen.
Das ECC Köln und die Managementberatung Mücke, Sturm & Company haben unlängst in einer Studie behauptet, das bis 2020 90 % aller Online-Händler vom Markt verschwunden sind. Ein Grund auch: Die mangelnde Fähigkeit der Händler, ihre Prozesse durch genügend Weitsicht auf die sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Starke These, aber … Angst zu schüren ist immer nur ein sehr kurzfristiger Ratgeber. Viel wichtiger für den Händler ist es nun, sich Rat und vor allem Tat bei den Spezialisten einzukaufen, die bewiesen haben, das zu können, was sie anbieten. Neben vielen anderen eCommerce-Disziplinen wie SEO oder Shop-Technologie sind gerade die Bereiche Logistik, Versand, Warenbestandsbuchhaltung und auch Teile des kontextbezogenen Kundenservice Disziplinen, die durch eine geschickte Steuerung bares Geld sparen und somit Ertrag einbringen können. Der Weg zum outgesourcten Fulfillment ist ab dieser Erkenntnis dann kein weiter mehr.
Checkliste
Jetzt stellen sich die Fragen: Mit wie viel Produkten in meinem Sortiment lohnt sich Fulfillment und mit wie vielen nicht mehr? Welche Artikel sollte man extern versenden lassen, welche besser selber? Was ist denn mit Konfigurationsartikeln? Und wie kann ich Einfluss nehmen auf die Versandgeschwindigkeit oder das Datum? Wie kommt die Ware ins Lager und wie gehe ich mit Retouren um? All diese Fragen und natürlich weitere individuelle Anforderungen müssen geklärt sein, bevor man den doch großen Schritt wagt und solch elementare Teile seines Geschäfts ausgliedert. Beachtet man die Punkte der folgenden Checkliste, ist ein großer Teil sicher besprochen und abgedeckt, nichtsdestotrotz ist es ein Muss, dass der entsprechende Dienstleister Beratungsdienstleistung bereitstellt und den Shopbetreiber entsprechend seines Business begleitet. Das können weniger die anonymen, großen Logistikdienstleister. Besser sind da Unternehmen mit Know-how im eCommerce für die Unternehmensgröße, in der sich auch der Shopbetreiber befindet.
- Bietet der Fulfillment-Dienstleister Beratung an, um so mit dem Shopbetreiber gemeinsam zu einem individuellen und flexiblen Preismodell zu gelangen oder stellt er nur starre Preislisten zur Verfügung, die per Konfiguration am Ende einen Preis ausgeben?
- Wie starr sind die Vertragsstrukturen?
- Ist die Vertragslaufzeit insgesamt angemessen für beide Seiten?
- Können unterhalb der Vertragslaufzeit Änderungen vorgenommen werden?
- Wie gestalten sich die Fixkosten?
- Gibt es Möglichkeiten, die Fixkosten durch eine Erhöhung der Versandleistung zu senken?
- Wie tief ist eine Integration der Systeme möglich?
- Wie funktioniert die Übergabe der Kundenbestellungen? Können diese ad hoc eingeliefert werden oder gar nur einmal am Tag?
- Gibt es zu jeder Zeit einen Einblick auf den Versandstatus? Bestenfalls systemseitig überspielt in das System des Shopbetreibers oder per Login in das System des Dienstleisters?
- Kann der Shopbetreiber Einblick auf den Bestand seiner Ware nehmen oder können sogar die Bestandszahlen aktualisiert in sein System überspielt werden?
- Welche weiteren Integrationen und Hilfen können angeboten werden?
- Welche Leistungen übernimmt der Dienstleister neben den klassischen Disziplinen des Fulfillment?
- Kann er beispielsweise Rechnungen für den Shopbetreiber in dessen CI drucken?
- Kann eine Kundenhotline angeboten werden, die dessen Endkunden über Versandstatus oder Retourenmöglichkeiten informiert?
- Wie ist das Lager des Dienstleisters organisiert?
- Gibt es besondere Lagerflächen für den Einsatzbereich des Shopbetreibers?
- Wie individuell sind die Kosten der Lagerflächen? Hier das Hauptaugenmerk darauf legen, ob auch Pennerartikel kostengünstig gelagert werden können.
- Welchen Wert legt der Dienstleister auf die Qualität beim Kommissionieren und Versenden?
- Werden die Produkte ihrer Eigenart entsprechend behandelt und verpackt oder gibt es nur Standardprozesse für die entsprechenden Artikelgrößen?
- Sind unterschiedliche Kartonagen im Angebot oder spart hier der Versender an der falschen Stelle?
- Sind Individualisierungen im Kommissionier- und Versandprozess möglich? Können z.B. Werbebeileger mitgepackt oder der Versandkarton mit Aufklebern individualisiert werden?
- Welche Versandländer kann der Dienstleister anbieten bzw. welche Hilfe stellt er bei den Formalitäten?
- Bietet er kostengünstige Liefermethoden in das Ausland an?
- Kennt er die Zollbegebenheiten der Lieferländer?
- Passen die angebotenen Versanddienstleister zum Business des Shopbetreibers?
- DHL bietet meist noch den besseren Service im B2C.
- GLS ist evtl. eine bessere Wahl bei B2B.
- Verwöhnt der Shopbetreiber seine Kunden mit einer großen Auswahl an Versanddienstleistern, muss der Fulfillment-Dienstleister das leisten können. Besser noch: ein Fulfillment-Dienstleister mit einer großen Zahl an angebundenen Versanddienstleistern kann dem Shopbetreiber die Möglichkeit geben, neue Versandmethoden anzubieten.
- Wie organisiert der Dienstleister den Wareneingang?<
- Werden Paletten aufgelöst?
- Gibt es eine koordinierte Einlagerung?
- Wie geht der Dienstleister mit Retouren um?
- Kann er zu vernichtende Produkte identifizieren?
- Kann er einzulagernde Produkte qualifizieren?
- Kann er Statusmeldungen an den Shopbetreiber senden?
- Welche Sonderoptionen bietet der Dienstleister?
- Bis wann kann er beispielsweise eine Kommissionierung stornieren?
- Welchen Einfluss hat der Shopbetreiber auf den Versandtermin – Morgens/Mittags/Abends?
- Kann der Dienstleister sogar Aufgaben der Buchhaltung übernehmen?
- Gibt es zusätzlich zum Rechnungsdruck eine Vorkontierung?
- Können die Daten im Datev Format exportiert werden?
Preis und Leistung
Sicher gibt die obige Liste nicht alle individuellen Abfragen wieder, die für alle Shopbetreiber von Interesse sind. Sie schafft aber sicher einen guten Ansatz für das Beratungsgespräch mit dem Fulfillment-Dienstleister. Denn im Entscheidungsprozess „make or buy“ gibt es für ein „buy“ des Fulfillment im Lager und Versand einen elementaren Punkt: Das Zusammenspiel des Shopbetreibers und des Fulfillment-Dienstleisters muss auf Augenhöhe passieren.
Hat man diese Augenhöhe gefunden, bleibt natürlich noch eins: Der Preis! Hier sind sicher Abstriche zu machen, wenn man einen Dienstleister gefunden hat, der auf das Business des Shopbetreibers eingeht und entsprechende Leistungen in der Qualität und der Individualität mitbringt. Ein Amazon FBA ist sicher immer monetär günstiger, rechnet man aber die entsprechenden Faktoren um, kann sich der Weg mit den spezialisierten Fulfillment Dienstleistern wirklich lohnen.
Die vollständige Ausgabe mit allen Artikeln, kann hier kostenlos als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Bitte beachten: Der Original-Artikel im Magazin, enthält möglicherweise hilfreiche Grafiken, Abbildungen oder Charts, die hier nicht dargestellt werden.
Dietmar Sicking, staatlich geprüfter Betriebswirt und seit 1998 Fachmann für E-Commerce Prozesse und Strategien, verantwortet bei der Lumundi GmbH die exekutive Geschäftsführung und ist Ansprechpartner im Bereich Versand und Logistik, des externen Shopmanagements sowie der Strategieplanung. Sein Schwerpunkt liegt heute im Bereich Fulfillment und dessen Implementierung und Optimierung für kleine und mittlere Unternehmen.
Webseite: http://www.lumundi.de |