Das Content Dilemma im E-Commerce
Ganz Deutschland hat in den letzten vier Wochen nach Weihnachtsgeschenken im Internet gesucht. Fast jeder hat dabei erlebt, dass die Suche in Google nach einem bestimmten Produkt eine Vielzahl gleichartiger Anbieter gefunden hat, die fast den gleichen Inhalt für das Produkt verwenden. Selbst die Fotos sind meist die gleichen und kommen vom Hersteller.
Aus Sicht der Shopbetreiber lässt sich dies meist nicht ohne großen Aufwand ändern. Aus Sicht der Konsumenten passiert jedoch psychologisch ein interessantes Phänomen: Die Gleichartigkeit der diversen Angebote bei unterschiedlichen Shops senkt die Wahrscheinlichkeit, bei jedem dieser gleichartigen Shops zu bestellen. Psychologen nennen dies das „Kontrastprinzip“ – es genügt ein einzelner Anbieter, der sich nur leicht positiv aus der gleichartigen Masse hervorhebt, um eine Entscheidung des Konsumenten herbei zu führen.
Anders gesagt: Zu viel gleicher Content senkt dramatisch die Konversionsrate. Dabei leiden die meisten Shops schon an hohen Retourenquoten und zu hohen Online-Marketing-Kosten. Es wird also Zeit, einen der Kostentreiber nachhaltig anzugehen. Meist wird unterschätzt, wie viele Quick-Wins es im Bereich Produkt-Content gibt.
Kunden kaufen keine Produkte, sie kaufen Lösungen
Jeder weiß aus seinem eigenen Kaufverhalten heraus: Bei einer großen Auswahl gleichartiger Produkte reicht bereits ein kleines Detail eines einzelnen Produkts als Kontrast aus, um eine Entscheidung genau für dieses Produkt zu provozieren. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, ob dieses Detail relevant für uns ist. Stellen wir uns vor, es geht um den Kauf eines Notebooks – wenn wir markentechnisch nicht geprägt sind, wird dies eine sehr komplexe Entscheidung. Wir wissen jedoch: Die Akkulaufzeit ist ein wichtiges Merkmal bei der Entscheidung. Bei der Produktdarstellung wäre es daher sinnvoll, eine überdurchschnittliche Akkulaufzeit in den Vordergrund zu stellen.
Wir könnten also schreiben:„Der Akku des XVL 900 Notebook besitzt 6.000 mAh dank Plasma-Transmitter-Technologie“. Oder wir könnten schreiben: „Das XVL 900 hat über 12 Stunden Akkulaufzeit – das sind 25% mehr als bei den meisten anderen Notebooks.“
Sie erkennen den Unterschied? Natürlich können wir dann zusätzlich im Detail erklären, dass dieser Produktvorteil auf einer einzigartigen und ausgeklügelten Technologie beruht und damit die Alleinstellung erhöhen.
Das Problem ist: Die meisten Fachleute begeistern sich für die Details aus Produkt- oder Herstellungssicht. Es fällt ihnen schwer, die Kundensicht einzunehmen und die typischen Probleme, die aus Sicht der Kunden gelöst werden sollen, in einem Produkttext in Lösungen umzuformulieren.
Mehr Conversion Rate durch guten Content
Auch wenn das alles schlüssig klingt, sagen die meisten Shopbetreiber an dieser Stelle:
„Aber wie soll das für tausende oder zigtausende Artikel gemacht werden – wir haben überhaupt nicht die Ressourcen, um die Inhalte der Produkte derart zu optimieren…“
Dieser Einwand ist nicht unbegründet. Rein betriebswirtschaftlich ist es jedoch die falsche Herangehensweise. Umgekehrt müsste es heißen: „Wenn besserer Content unsere Konversionsrate um x % erhöht – wie viel können wir dann in besseren Content investieren?“
Die große Unbekannte ist die Variable „x“. Es gibt in der Regel keine Erfahrungen, wie sich Content-Optimierungen betriebswirtschaftlich auswirken. Im Rahmen einer Case Study für die Konferenz „conversionSUMMIT“ haben wir daher bei einem Kunden genau diesen Sachverhalt untersucht.
Mit Hilfe von A/B-Tests wurde analysiert, welche Prinzipien bei der Optimierung von Produktinhalten im Onlineshop besonders gut funktionieren. Dabei haben wir uns selbst ein Zeitlimit gesetzt, denn wir wussten: Die Lösung muss alltagstauglich sein. Die Contentoptimierungen haben daher maximal zwei bis sechs Stunden in Anspruch nehmen dürfen.
Die wichtigste Erkenntnis war: Einfach mehr Content funktioniert nicht. Einige Tests ergaben überhaupt keine signifikanten Unterschiede. Am besten funktionierten Produktinformationen, die für den Konsumenten die relevanten Vorzüge möglichst gut darstellen. Dabei wurden – wie im oberen Beispiel – auch neue Illustrationen angefertigt oder Fotos hinzugefügt. Dabei wurde bewusst in Kauf genommen, dass das Material nicht perfekt ist.
Konkret: Drei Dinge, die jeder Shopbetreiber tun kann
Letztendlich hat die Studie, bei der insgesamt fünf Produktdarstellungen optimiert wurden, einige wichtige Prinzipien aufgezeigt:
- „Value:“ Features verkaufen nicht – es zählt die Lösung aus Kundensicht
- „Proof:“ Konsumenten brauchen Beweise oder Belege
- „Authentizität“: Glaubwürdige Fotos haben besser funktioniert als Hochglanz-Marketing-Bilder
Das Prinzip der Value Proposition wurde bereits eingangs beleuchtet. Das Prinzip des „Proof“ ließ sich meist durch eine recht schnelle Internet-Recherche integrieren. Zu vielen Produkten haben die Hersteller Studien angefertigt oder es gibt Bewertungsportale, auf denen Konsumenten die Produkte bewerten. Egal, was es ist: Der kleinste „Beweis“ erzeugt wieder einen kleinen Kontrast bei der Entscheidung des Konsumenten für einen bestimmten Onlineshop.
Zu guter Letzt hat sich bestätigt, dass es überhaupt keine teuren Shootings braucht. Diese Erkenntnis gilt wahrscheinlich nicht für alle Güter – bei Mode oder bei hochwertiger Unterhaltungselektronik kann es sich anders verhalten. Bei einer Vielzahl von Produkten ist der Mechanismus jedoch sicherlich hilfreich für eine Investitionsentscheidung.
Fazit
Die A/B-Tests haben gezeigt, dass die Maßnahmen einen ROI von rund 750 % haben. Dies liegt in diesem Fall sicher auch an den hohen Abverkaufszahlen der gewählten Produkte bei diesem Onlineshop.
Es empfiehlt sich, genau diese Mechanismen für den eigenen Shop anhand sauber durchgeführter A/B-Tests zu ermitteln. Die Uplifts könnten im Einzelfall noch deutlich höher sein als die hier gezeigten 14-15 %, da bei unserem Anbieter in der Case-Study auch viele „Stammkunden“ ohnehin kaufen, ganz unabhängig vom Content.
Der Anspruch soll gar nicht sein, die Content-Optimierung für alle Artikel des Sortiments durchzuführen. Stattdessen reicht es aus, den Break-Even-Punkt mit Hilfe der Zahlen aus dem A/B-Test zu ermitteln und nur die Produkte zu optimieren, bei denen sich die Optimierung aufgrund einer hohen Nachfrage auch lohnt.
Short Head: Contentoptimierungen haben nur dann einen hohen ROI, wenn sie sich auf den Short Head – d.h. die Produkte mit der stärksten Nachfrage – beschränken.
Gerne kann die gesamte Case Study per e-mail beim Autor angefordert werden.
Die vollständige Ausgabe mit allen Artikeln, kann hier kostenlos als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Bitte beachten: Der Original-Artikel im Magazin, enthält möglicherweise hilfreiche Grafiken, Abbildungen oder Charts, die hier nicht dargestellt werden.
Andr� Morys ist Gr�nder und Vorstand der Web Arts AG und besch�ftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Shop-Optimierung. Vielen ist er bekannt als Herausgeber der Blogs „konversionsKRAFT.de� und als Sprecher auf zahlreichen Konferenzen im In- und Ausland.
Webseite: http://www.web-arts.com , http:// www.konversionskraft.de |