bepado als Betriebssystem für den E-Commerce
Bereits im Oktober 2010 wunderten wir uns in unserem Trendbuch „Handel im Wandel – so nutzen Hersteller und Händler ihre Chancen“, dass man im E-Commerce von einer Adaption der Funktionsprinzipien des Web 2.0 noch weit entfernt ist: Facebook, Xing und Co. setzten bereits damals konsequent auf die Vernetzung ihrer Nutzer und der von ihnen erzeugten Daten – warum also sollte sich diese Funktion des Web als Plattform nicht auch im kommerziellen Internet durchsetzen?
So verfügen sämtliche gängigen Shopsysteme über eine Vielzahl an Schnittstellen u.a. zu Warenwirtschaftslösungen, Bezahldienstleistern und Logistikern. Was allerdings noch nicht gang und gäbe ist, sind Schnittstellen zwischen den Shops. Das mag auf den ersten Blick vielleicht paradox klingen – schließlich ist es ja das Ziel der meisten E-Commerce-Betreiber, sich von ihrem Wettbewerbsumfeld abzugrenzen.
Doch gerade wenn es um die sich rapide ausbreitenden Hersteller- und Markenshops geht, hat man es nicht mit einer direkten Konkurrenz zu tun. Vielmehr würde die Einbindung des Sortiments der Hersteller das eigene Onlineangebot merklich attraktiver machen.
Der Knackpunkt ist das Thema Datenaustausch
Während in den fortschrittlichsten Fällen die Warenverfügbarkeit bereits per SOAP-Schnittstelle in Echtzeit sichtbar gemacht wird, setzen weniger weitgehende Ansätze auf regelmäßige Daten-Ex- bzw. Importe, was natürlich sowohl für den Kunden wie auch für die beteiligten Partner eine deutlich weniger komfortable Lösung darstellt.
Heutzutage geht es bei der Shop-Integration vor allem noch um die Erweiterung des Sortiments von Onlineshops oder Shopping-Plattformen durch die Einbindung des Portfolios von Drittanbietern. In einem weiteren Schritt ist jedoch das Entstehen ganzer Shop-Netzwerke denkbar, bei denen sich Onlineshops autonom zu einem Cluster an thematisch komplementären E-Commerce-Angeboten zusammenschließen.
Abhängigkeit von Google & Co. verringern
Der Zusammenschluss von Onlineshops muss grundsätzlich einen handfesten wirtschaftlichen Mehrwert für alle Parteien herbeiführen. Der Hauptnutzen eines Netzwerks liegt darin, die einzelnen Shops für die Kunden leichter zugänglich zu machen. Aus den einzelnen Webshops entsteht auf diese Weise eine Art „virtuelle Shopping-Mall“. Am stärksten von dem Netzwerk profitieren dabei jedoch nicht unbedingt die Shops mit dem breitesten Kunden-Appeal. Vielmehr sind es gerade E-Commerce-Angebote, die sich eher am Rand des Netzwerks bewegen, die durch das Netzwerk-Prinzip die größten Erleichterungen im Hinblick auf den Zugang zum Kunden erzielen. In letzter Konsequenz erlauben es Shop-Netzwerke den beteiligten Händlern, die Abhängigkeit von Google oder Preisvergleichsportalen zu verringern und selbst gewissermaßen eine intermediäre Funktion zu übernehmen.
Geburtsstunde von bepado
Als die Shop Software-Schmiede Shopware dann im März 2013 erstmals bepado öffentlich als Händler-Netzwerk vorstellte, offenbarte dies bereits damals deutlich weitreichendere Potentiale, beispielsweise für Themenportale und Affiliates zur Veredelung ihrer Reichweite. Auch für Markenhersteller, um endlich kontrolliert den Vertrieb ihrer Produkte über Internet-Händler steuern zu können. Deren Vorteile und der mögliche Nutzen von bepado sind klar:
- Zentrale Einbindung aller zu beliefernden Händler über eine Plattform
- Kontakt zu neuen Händlern
- Kleine Händler sind ohne hohen Aufwand einzubinden
- Geringere Kosten im Bereich technische Integration & Akquisition
- Und vielleicht am wichtigsten für Hersteller: Bessere Kontrollmöglichkeit der Verkaufspreise
Schon damals hatte bepado, von der Idee her, das Potential zum Turbo für Online-Händler zu werden. Doch niemand konnte ahnen, was wirklich daraus werden würde.
Händler-Netzwerk
Von Anfang an legte Shopware bei bepado, neben dem Austausch der Sortimente, mit ihrem Social Network auch großen Wert auf die kommunikative Vernetzung der Händler untereinander. Dies geht weit über den reinen Austausch von Nachrichten und Angebotsanfragen hinaus.
Doch bleiben wir erst einmal bei der Kernidee der Plattform. In bepado verbinden sich Händler mit Lieferanten oder mit anderen Händlern und verwalten und verhandeln miteinander Einkaufs-, Liefer- und Zahlungsbedingungen. Dadurch können Produkte des Lieferanten oder anderer Händler abonniert und automatisch als Drittsortiment in den eigenen Shop übernommen werden.
Ein Novum dabei ist, dass Bestände und Preise dabei stets aktuell sind. Im Normalfall übertragen Händler diese Daten an – beispielsweise – Marktplätze oder Preisportale via CSV-Datei lediglich einmal oder bestenfalls mehrmals täglich. Auch die Bestellungen aus einem Drittsortiment werden automatisiert übertragen und dann vom Lieferanten bzw. dem als Lieferant fungierenden Online-Händler ausgeführt. Die Ware wird anschließend wahlweise direkt an den Endkunden geliefert oder in das Lager des Händlers.
Für Händler ist bepado grundsätzlich kostenfrei. Für Lieferanten oder Händler, die als Lieferanten fungieren, fallen ab einem bestimmten Volumen Gebühren an.
Die Teilnehmer setzen sich derzeit laut Dietmar Hölscher, dem Projektleiter für bepado bei Shopware, zu jeweils 50% aus Händlern und Herstellern bzw. klassischen Lieferanten zusammen. Es laufen jedoch bereits Gespräche mit relevanten Content- und Affiliate-Partnern.
Das Interesse an diesem Händler-Netzwerk scheint jedenfalls riesig, wie die bisherigen Zahlen belegen.
- 1.300 Händler und Lieferanten haben sich bisher bei bepado angemeldet
- insgesamt befinden sich auf bepado momentan bereits 2,8 Mio. Produkte
- der größte Lieferant, Buchhandelsgrossist Libri, ist mit einem Sortiment von 800.000 Produkten vertreten
Für die Geschäftsbeziehungen ist Vertrauen und Seriosität ein wichtiger Aspekt. Um diesem Aspekt Rechnung zu tragen, können Händler zukünftig Lieferanten in bepado bewerten und mit Rezensionen versehen. Gleichzeitig wird es demnächst auf der Plattform auch ein Bonitätssiegel für Händler und Lieferanten geben. Und last, but not least, ist – in Richtung Endkunden gedacht – die Einbindung der Gütesiegel von Trusted Shops und dem Händlerbund geplant.
XING für E-Commerce
Wie bereits erwähnt, kommt dem Netzwerk, neben der Anbahnung und Pflege von Geschäftsbeziehungen, auch eine wichtige kommunikative Rolle zu.
So wird es moderierte Fachforen geben, die thematisch über bepado weit hinausgehen und in denen letztlich alle Aspekte des E-Commerce diskutiert werden können. Darüberhinaus können die teilnehmenden Lieferanten und Händler auch eigene Gruppen starten. bepado stellt die Social Network-Funktionen auch anderen Lösungsanbietern und Dienstleistern zur Verfügung und hostet diese.
Ergänzt wird der Community-Gedanke um eine geplante Akademie und sog. Matching Points, also klassische E-Commerce-Stammtische.
[Grafik Activity Stream im Netzwerk]
Schaltzentrale für E-Commerce Services
Eines der Kernstücke der Infrastruktur von bepado ist die tiefe Integration der Prozesse in den Onlineshop und die Anbindung an externe Systeme, die dafür sorgen, dass alle Daten wie Bestände, Preise und Bestellungen in Echtzeit dorthin gelangen, wo sie hingehören. Diese Schaltzentrale ist offen für alle. So gibt es bereits jetzt Plug-ins für xt:commerce (Veyton), Gambio und demnächst auch für OXID eSales, sowie Magento. Mit anderen Systemen kann klassisch via CSV-Dateien kommuniziert werden. Für Bestellungen gibt es eine Rest-API. Und auf Github steht eine Open-Source-SDK zur Verfügung, mit dem Entwickler eigene Anbindungen an Drittsysteme (z.B. Shopsysteme und ERPs) erstellen können.
Eine Anbindung an eBay ist geplant. Auch die Anbindung an weitere Services, wie beispielsweise den internen Shop-Suchen von Solr oder Elastic Search, ist in Vorbereitung.
Der Kategorienbaum für die in bepado angebotenen Produkte ist übrigens an Google Shopping angelehnt. Es gibt derzeit Tendenzen, die darauf hindeuten, dass sich dieser zu einer Art Standard im E-Commerce entwickeln könnte. Dies wiederum würde den Datenaustausch zu anderen Marktplätzen und Preissuchmaschinen deutlich erleichtern.
Marktplatz und technische Plattform für Marktplätze
Shopware kündigte während ihrer Community days eine weitere Überraschung bei bepado an. So wurde die Plattform um eine Marktplatz-Funktionalität erweitert. Diese wandelt im ersten Schritt auf den historischen Pfaden Googles und präsentiert sich erst einmal als kostenlose Produktsuchmaschine. Später soll sich diese zu einem echten Marktplatz wandeln und auch als Whitelabel-Lösung angeboten werden. Dies ermöglicht es quasi jedermann sich seinen eigenen Marktplatz aufzubauen. Für diese Säule verfolgt Shopware ehrgeizige Pläne.
Nichts weniger als die dritte Kraft hinter Amazon und eBay wurde als Ziel ausgerufen. Dazu muss man jedoch noch an etablierten Mitbewerbern wie Hitmeister, MeinPaket.de oder Rakuten vorbeikommen. Diese sind bereits seit Jahren auf dem Markt und verfügen über einige Jahre Vorsprung und etliche Mio. Euro Invest beim Versuch sich bei den Endkunden zu platzieren.
Gelingen soll dies unter anderem mit lokalen Veranstaltungen und einem noch nicht definierten Marketing-Budget. Auch hat eine PR-Agentur bereits ihre Arbeit aufgenommen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Out-of-the-Box-Lösung für White-Label-Marktplätze der elementare Hebel wird. So sind bereits konkrete Branchen und Themenbereiche, wie ein regionaler Marktplatz, in Arbeit. Die Händler können dann auf bepado entscheiden, auf welchen weiteren Marktplätzen sie mit ihren Produkten sichtbar sein möchten.
Internationalisierung
Neben all den geschilderten Plänen und Herausforderungen wird auch an internationalen Versionen gearbeitet. So stehen in der Entwicklung bereits englische, französische und italienische Sprachversionen auf dem Zettel.
Interessant ist die Internationalisierung auch noch aus einem anderen Aspekt. So berichtet bepado-Projektleiter Hölscher von überraschend vielen Lieferantenanfragen aus Fernost. Diese möchten bepado nutzen, um ihre Waren deutschen Online-Händlern feilzubieten.
bepado im Jahr 2020
Dank des konsequent beibehaltenen Verzichts auf Gebühren für Händler und der umfangreichen Social Network-Funktionen wird bepado mittlerweile von mehr als 50.000 Online-Händlern aus Deutschland genutzt. Hinzu kommen weitere Zigtausende Händler im europäischen Ausland.
Diese Masse an potentiellen Händlerkontakten zieht nicht nur mindestens ebenso viele Lieferanten an, sondern macht bepado auch zur ersten Anlaufstelle für Lösungsanbieter und Dienstleister, wenn es für diese darum geht, ihre Leistungen an den Mann bzw. Händler zu bringen. Kein Anbieter kann es sich mehr leisten, seine Schnittstelle für die diversen Shopsysteme nicht auf bepado zu listen. Sogar die Veranstalter von E-Commerce-Kongressen bedienen sich bepado, wenn es darum geht, ihre Veranstaltungen zu bewerben.
Der Systemoffenheit wegen wird bepado auch von Händlern als Schaltzentrale für Anbindungen an Preisportale, Marktplätze, Payment-Provider oder Bonitätsauskünften genutzt, wenn sie nicht Shopware als Shopsystem einsetzen. So wird bepado zur relevantesten Middleware für den Datenaustausch zwischen Shopsystemen und E-Commerce-Diensten. So müssen Händler beispielsweise auch nur noch eine Produktdatei auf bepado hochladen, welche dann automatisch passend für die verschiedenen Preisportale und Marktplätze konvertiert wird.
Die Tatsache, dass Daten wie Preise, Lagerbestände und Bestellungen in Echtzeit ausgetauscht werden, macht bepado auch für beispielsweise Preisportale und Marktplätze selbst interessant. Diese müssen sich nun nicht mehr mit veralteten, unregelmäßig und fehlerhaft gelieferten CSV-Dateien rumschlagen, sondern beziehen ihre Daten von bepado.
Lieferanten aus sprichwörtlich aller Welt nutzen bepado für den Aufbau und die Pflege von Online-Händlerkontakten in ganz Europa. bepado fungiert hier als relevante Einkaufsplattform, welche auch von Lieferanten aus China und anderen fernöstlichen Ländern genutzt wird. Die verschiedenen Gütesiegel, z.B. zur Bonität, und Bewertungsmöglichkeiten von Händlern und Lieferanten ermöglichen eine solide Ersteinschätzung des jeweiligen Gesprächspartners. Partnerunternehmen aus dem Payment-Bereich sorgen treuhänderisch für die sichere Zahlungsabwicklung über alle Ländergrenzen hinweg.
[GRAFIK Composing]
Google bestraft bepados Produktsuchmaschine, da direkte Konkurrenz, nach wie vor mit einem schlechten Ranking. Doch da auch auf bepado mittlerweile Zig-Millionen Produkte gelistet sind, sorgt bepado für Umsatz zugunsten der angeschlossenen Händler.
Zum echten Umsatztreiber hingegen entwickelt sich die Whitelabel-Lösung für Marktplätze. So entsteht ein ganzes Sammelsurium an kleineren Marktplätzen, wie die von klassischen Affiliates oder Nischen-Marktplätzen zu einzelnen Themen. Doch auch etliche reichweitenstarke Online-Ableger der großen Verlage setzen bepado als eigene Marktplatzlösung ein, um ihren Traffic zu monetarisieren. Einige von ihnen erweitern ihre Kleinanzeigenportale auch zu echten Marktplätzen. So leitet beispielsweise markt.de seine sechs Mio. monatlichen Besucher in einen mit bepado gelösten eigenen Marktplatz. Die Händler von markt.de sind gleichzeitig wieder Teil der bepado-Community.
Über die vielen angeschlossenen Satelliten-Marktplätze gelingt es bepado auch das ambitionierte Ziel zu erreichen, ein relevantes Gegengewicht zu Amazon und eBay darzustellen.
Doch Online-Händler nutzen bepado nicht nur zur Geschäftsanbahnung, sondern auch, um sich mit anderen Händlern auszutauschen. Neben der Entstehung verschiedenster E-Commerce-Anbieter-Foren, werden von den Teilnehmern selbst auch unzählige Gruppen zu bestimmten Themen gegründet. bepado wird jedoch auch genutzt, um sich zu kleinen und losen Interessensverbünden zu organisieren oder zur Bündelung von Nachfrage, um bei Lösungsanbietern, Logistikern etc. bessere Preise durchsetzen zu können.
Fazit
Der Ausblick ins Jahr 2020 darf durchaus als gewagt eingeschätzt werden. Dennoch ist dies für den Autor ein durchaus vorstellbares Szenario. Interessant daran ist jedoch auch, dass sich für bepado sicherlich noch sehr viele andere Potentiale ergeben, an die heute noch gar nicht gedacht wird.
Voraussetzung ist bei all diesen Gedankenspielen natürlich, dass Shopware das Projekt bepado auch nach wie vor mit großem Engagement vorantreibt, weiterhin vieles richtig macht, in Manpower investiert und die notwendigen Budgets bereitstellt. Wahrscheinlich müsste dann auch ein finanzstarker Partner ins Boot geholt werden.
Bitte beachten: Der Original-Artikel im Magazin, enthält möglicherweise hilfreiche Grafiken, Abbildungen oder Charts, die hier nicht dargestellt werden.
Peter Höschl bewegt sich seit 1997 beruflich im Internethandel, gilt als E-Commerce Experte und verfügt über große gelebte Praxiserfahrung. Er ist Autor mehrerer Fachbücher und einer Vielzahl von Fachartikeln zu allen Aspekten des Onlinegeschäfts. Heute berät und begleitet er vor allem mittelständische Unternehmen im E-Commerce.
Webseite: http://www.shopanbieter.de |