Heilsbringer Eigenmarke?
Handelsmarken erzielen schätzungsweise bereits ca. 40 Prozent Anteil am gesamten Einzelhandelsumsatz. Auch Online-Händler können sich über eigene Handelsmarken wertvolle Wettbewerbsvorteile und üblicherweise höhere Gewinnspannen verschaffen. Interessant ist das vor allem für Händler, die bereits über eine gute Positionierung verfügen oder in besonders preissensiblen und transparenten Märkten agieren. Doch ein Allheilmittel gegen den zunehmenden Wettbewerb sind auch Eigenmarken nicht immer.
Der Online-Handel steckt schon länger im Dilemma, dass immer mehr Online-Anbieter dieselben Produkte anbieten. Differenzierung findet noch immer vor allem über den Preis statt, wirkliche Positionierung ist Mangelware. Der verstärkte Wettbewerb um die nicht im selben Maße ansteigende Käuferschar (aktuell treiben vor allem Vielfachbesteller den E-Commerce Wachstum an) und die damit verbundene Preisspirale nach unten, führen dazu, dass höhere Marketingkosten und sinkende Rohmargen die Rendite in den Keller befördern.
Online-Händler müssen daher dafür sorgen, sich künftig vom Wettbewerb differenzieren zu können. Wie Branding für den eigenen Online-Shop gelingen kann, zeigt eindrucksvoll unsere Erstausgabe des Magazins. In dieselbe Kerbe schlägt letztlich die Frage, mit welchen Produkten ein Online-Händler nicht ständig in neue Preiskämpfe einsteigen muss und wie er es gleichzeitig schafft, mehr Service und Nachhaltigkeit in sein Geschäft zu bekommen.
Vorteile und Risiken
Die Vorteile von eigenen Handelsmarken liegen erst einmal auf der Hand. Sie versprechen höhere Margen, sorgen zumindest ein Stück weit dafür, dem reinen Preisvergleich entkommen zu können und stellen ein wertvolles Instrument zur Marktpositionierung und Kundenbindung dar. Im Idealfall kann die Eigenmarke auch genutzt werden, um als Großhandel seinen Produkten deutlich höhere Absatzmengen zu bescheren. All dies bei höherer Unabhängigkeit vom Markt, hinsichtlich Preisgestaltung, und von Lieferanten.
Eigenmarken sind auch eine Strategie, um sich gegen Direktvertriebs-Begehrlichkeiten von Markenherstellern zur Wehr zu setzen. Diese vertreiben ihre Produkte zunehmend selbst oder über exklusive Partner und verringern damit die Vielfalt auf Marktplätzen und in Shops, die ausschließlich Drittmarken anbieten.
„Im Einkauf liegt der Gewinn“, lautet eine alte Kaufmannsweisheit. Bei einer Produktion, bspw. in Fernost, liegen gerade auch die größten Hürden, da die wenigsten Unternehmen über die richtigen Kontakte verfügen und die notwendige Reichweite haben, um containerweise gekaufte Ware auch schnell abverkaufen zu können.
So wird der Warenüberbestand schnell zum größten Margenfresser. Besonderer Fokus sollte daher auf der Disposition liegen. Vor allem bei längeren Wiederbeschaffungszeiten oder schnellen Trendwechseln, wie im Fashionbereich, ist die Balance zwischen sofortiger Lieferbarkeit und Restbestand nicht einfach und erfordert finanzielle Mittel, um eine Lernphase zu überstehen.
Auch im Bereich Markenrecht, Garantie und Gewährleistung warten jede Menge Fallstricke auf den Händler. Nicht nur Spielwarenhändler und Elektronikversender können davon ein Lied singen.
Sind alle diese Hürden erfolgreich gemeistert, ist jedoch noch kein einziges Stück verkauft. Um eine Nachfrage für die eigenen Produkte zu erzeugen, bedarf es eines gehörigen Stück Werbedrucks und eines klaren USP.
Positionierung und Strategie
Im Netz kann man über Marken- oder Gattungsbegriffe guten Traffic für den eigenen Onlineshop generieren. Dies wird bei einer Eigenmarke ungleich schwieriger, da das natürliche Suchaufkommen zunächst gegen Null geht. Wer eine Eigenmarke langfristig etablieren möchte, muss diese deshalb auch klar positionieren. Entweder mit mehr und besseren Funktionen als die Originalware oder als clevere Kaufentscheidung, bei vermeintlich gleicher Qualität zum günstigeren Preis als das Markenprodukt.
Auch daher muss bereits im Vorfeld klar sein, was man mit der Marke erreichen möchte und welche Zielgruppe angesprochen werden soll. Dies beginnt bei der Überlegung, welche Produktgruppen für Eigenmarken überhaupt geeignet sind.
Ein Fashion-Shop, dessen Zielgruppe bekanntermaßen für die Marke auf dem T-Shirt mitbezahlt, wird sich wahrscheinlich schwer tun, ein vergleichbares eigenes Marken-Shirt zu etablieren.
Besser ist es für diesen Onlineshop dann in aller Regel, seine Reputation zu nutzen, indem er Accessoires oder Mitnahmeprodukte wie ein einfaches T-Shirt als Eigenmarke positioniert.
Ist der Online-Händler hingegen ausgesprochener Experte in seiner Szene, wie bspw. ein Fahrrad-Händler, bei dem es sehr stark auf die Auswahl der besten Komponenten ankommt, kann es Sinn machen, dass er selbst ganze Fahrräder unter eigenem Label rausbringt.
Seine Fachkompetenz sollte und kann er dabei intensiv spielen und in die Markenpositionierung einfließen lassen. Zur Positionierung gehört auch die Fragestellung, wie offen Online-Händler ihre Handelsmarke als eigene Produkte kommunizieren. Hier gibt es alle Spielarten, eine allgemeingültige Empfehlung ist nicht möglich.
Als Faustregel lässt sich bestenfalls sagen, je besser das Image des Händlers, desto offener kann und sollte dieser seine Eigenmarke kommunizieren. Dann kann auch der Händlername für die Eigenmarke verwendet werden.
Dies kann natürlich dann nach hinten losgehen, wenn die Eigenmarke den „Elchtest“ beim Kunden nicht besteht. Oder wenn die Positionierung der Eigenmarke nicht mit der Außenwahrnehmung des Händlers übereinstimmt. Ein hippes Fashion-Label des als solide wahrgenommenen Vollsortimenters Otto wird vermutlich keine Strahlkraft entwickeln können, wenn diese Marke prominent als aus dem Hause Otto stammend vermarktet wird.
Vermarktung der Eigenmarke
Wir alle wissen, mit welchem enormen Werbedruck Markenhersteller ihre Produkte in den Markt pressen. Mit entsprechendem Budget, Geschick und Glück bekommt man so sicherlich jede Eigenmarke verkauft. Aber mal ganz ehrlich – wie viele Online-Händler haben diese Ressourcen?
Daher machen Eigenmarken, wie bereits besprochen, insbesondere für Händler Sinn, die bereits über eine ausreichende Reichweite und Positionierung bei der Zielgruppe verfügen. Probate Vermarktungsstrategie innerhalb des eigenen Onlineshops ist es dann, die Besucher über Marken in den Shop zu „locken“ und die Eigenmarke als Produktempfehlung und Alternativprodukt zusätzlich daneben zu stellen. Händler mit guten Image werden ihre Marke selbstverständlich auch prominent im Onlineshop bewerben bzw. positionieren. Eine eigene Marken-Website und Social Media-Auftritt sollte hier dazu gehören.
Das wichtigste Ziel bei der ganzen Übung sollte jedoch nach wie vor sein, mit der eigenen Marke am Ende mehr zu verdienen. Kann dies nicht mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, macht es vermutlich mehr Sinn, auch weiterhin seine Produkte vom Hersteller oder Großhändler zu beziehen.
Wie dies gelingt und wie die größten Klippen umschifft werden können, zeigen die Folgeartikel anerkannter Fachexperten in ihren Gebieten zu den Themen Markenbildung, Strategien, Sourcing und rechtliche Fallstricke bei Eigenmarken auf.
Die vollständige Ausgabe mit allen Artikeln, kann hier kostenlos als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Bitte beachten: Der Original-Artikel im Magazin, enthält möglicherweise hilfreiche Grafiken, Abbildungen oder Charts, die hier nicht dargestellt werden.
Stefan Grimm ist einer der Gruender und Geschaeftsfuehrer der GKS Handelssysteme GmbH, dem Betreiber des Grosshandels-Marktplatzes RESTPOSTEN.de. Bereits seit 1997 beschaeftigt er sich mit dem Grosshandel und Beschaffungsprozessen ueber das Internet, vor allem im Bereich Konsumgueter. Webseite: http://www.gksgmbh.de; http://www.restposten.de |