Site icon Blog für den Onlinehandel

Total Cost of Ownership Magento 2 – Was kostet mich eigentlich ein Magento 2 Commerce Shop?

Magento hat wie kein zweites System die E-Commerce-Landschaft nachhaltig beeinflusst. Durch vielfältige Marketingfunktionalitäten, Open Source Code Base und einer grenzenlosen, aktiven Community hat das System in seinen Anfangsjahren eine rasante globale Verbreitung erfahren. Gerade für Digitalagenturen erwies sich das System als wahre Goldgrube, da es für die meisten SMB-Händler nur schwer zu beherrschen war und stetig neue Baustellen produzierte. Die Geschichte von Magento ist jedoch durchwachsen. Viele Übernahmen, hohe Betriebskosten (OPEX) und der Sprung von Magento V1 zu V2 haben Spuren hinterlassen.

Ein großer Vorteil von Magento ist seine Flexibilität. Diese entspringt größtenteils der Community und der Open-Source-Ausrichtung. Sie finden nahezu überall einen Entwickler, der sich mit dem System auskennt und dieses anpassen kann. Dieser Vorteil findet Ausdruck im Marketplace von Magento und den aktuell ca. 20.000 Erweiterungen.

Magento V2 besitzt eine Headless-Architektur und offene API-Schnittstellen. Bei einem Headless-Konzept ist das Frontend von den Funktionalitäten abgekoppelt. Dadurch können unabhängig vom E-Commerce-System Frontend-Technologien (Content-Management-Systeme, Webframeworks, usw.) integriert werden. Im Vergleich zu Shopify kann der Kern völlig modifiziert werden. Da alles individuell anpassbar ist, haben Sie mit Magento viele Freiheiten. Allerdings benötigen Sie dafür auch die entsprechenden Entwickler. Diese Flexibilität hat allerdings ihren Preis und kann zu aufwendigen Migrationen führen.

Produktportfolio

Das Produktportfolio umfasst Magento Open Source (früher Community Edition), Magento Commerce (Magento Enterprise Edition bzw. Magento Cloud), Magento Business Intelligence und Magento Order Management. Magento Commerce ist ein Platform-as-a-Service-Angebot. Hierbei übernimmt der Anbieter alle Aufgaben, die im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Software entstehen. Alle Applikationen werden jedoch vom Kunden betrieben. Einen Vergleich der beiden Editionen können Sie hier einsehen.

Von Magento sind die Versionen 1 und 2 verfügbar. Die Unterschiede zwischen beiden Systemen sind gravierend. Die Projektkosten für die reine Individualisierung an das Geschäftsmodell für Magento V1 Open Source liegen für einen einfachen Onlineshop bei ca. 20.000 US$, bei Magento V2 Open Source ca. bei 42.000 US$. Hinzu kommen wesentlich höhere Infrastrukturkosten für Magento 2. Die Unterschiede bei den Projektkosten kommen hauptsächlich durch die gestiegene Komplexität zustande.

Die Wahl des Produkts hat hohe Auswirkungen auf die Initialen (CAPEX) und die laufenden Kosten  (OPEX). Bei der Open Source Edition müssen sich Händler selbst um die Infrastruktur und den Betrieb kümmern. Ebenso liegen Unterschiede zwischen der Open Source Edition und Commerce Edition hinsichtlich Funktionalitäten, Architektur, Support und Performance vor. In allen Punkten ist die Commerce Edition überlegen, verlangt dafür aber auch beachtliche Lizenzkosten.

In dieser Analyse betrachten wir Magento V2 Commerce.

TCO-Analyse eines Demo-Händlers

Unser Demo-Händler für die TCO-Analyse hat sich für das Produkt Magento V2 Commerce entschieden. Sein jährlicher Umsatz beträgt 10 Millionen US$, er hat 1.000 Produkte inkl. Varianten in seinem Bestand. Er vertreibt nur über einen Channel, hat nur eine Währung, einige Erweiterungen und ein individualisiertes Frontend. Darüber hinaus benötigt unser Händler zwei Integrationen in seine IT-Landschaft – in ein PIM und ein ERP. Da Magento derzeit alle Preise in US-Dollar angibt, beruht die gesamte TCO-Betrachtung ebenfalls auf US-Dollar.

Lizenzkosten von Magento Commerce V2

Von Magento Commerce gibt es die Starter Edition ab 1.999 US$ monatlich und die Pro Edition ab 3.399 US$.Eine Staffelung der Lizenzkosten für die alten Editions Enterprise und Enterprise Cloud können Sie hier einsehen, um die Kosten besser einschätzen zu können:

Gross Sales Revenue Magento 2 Enterprise

Edition (EE) Cost

Magento 2 Enterprise Cloud

Edition (ECE) Cost*

$0 – $1 million $22,000.00 $40,000.00
$1 – $5 million $32,000.00 $55,000.00
$5 – $10 million $49,000.00 $80,000.00
$10 – $25 million $75,000.00 $120,000.00
$25 – $50 million $125,000.00 $190,000.00

Für unseren Demo-Händler gehen wir von jährlichen Lizenzkosten in Höhe von 80.000 US$ aus.

Kosten für die Individualisierung (Projektkosten)

Die durchschnittlichen Kosten für ein Magento-2-Projekt liegen bei ca. 120.000 US$. Sie können aber durchaus teurer werden. Magento ist nativ für B2C-Szenarien konzipiert. Zwar werden B2B Features bereitgestellt, aber diese decken nur grundlegende Funktionalitäten ab. Die Entwicklung anderer Szenarien außerhalb von B2C erfordern wesentlich höhere Projektkosten. Für ein großes Multibrand-Set-up können Projektkosten auch bis in den einstelligen Millionenbetrag reichen.

Ein wichtiger Faktor für Magento 2 stellt die Performance dar. Ohne Maßnahmen zur Steigerung der Performance, wie beispielsweise High Performance Coding, Varnish Caching und horizontale Skalierung, werden Sie einen größeren Shop nicht performant zum Laufen bekommen.

Magento-Agenturen

Magento ist ein komplexes System. In fast jedem Fall werden Sie für einen Onlineshop einen externen Dienstleister beauftragen müssen. Neben tiefgreifenden PHP-Kenntnissen ist es zwingend notwendig, dass die Entwickler mehrjährige Erfahrung in Magento Backend und Frontend haben. Im Schnitt sollten Sie für einen einfachen Onlineshop ca. 300 – 500 Arbeitsstunden einplanen. Dafür bekommen Sie die technische Konfiguration, ein Template und Payment-Methoden zur Verfügung gestellt. Tiefgreifende Anpassungen sollten nochmal mit 1.200 Stunden eingeschätzt werden. Hierzu zählen Backend-Integrationen, bspw. PIM, ERP, Content-Delivery Networks oder Internationalisierungen.

Die Kosten für eine Magento-Agentur können von 10 – 250 US$ pro Stunde variieren. Je nachdem wo sie ihren Sitz hat und welche Erfahrung sie mitbringt.

Da die Preise je nach Land stark variieren, kann es sich lohnen, einige Arbeiten in günstigeren Ländern durchführen zu lassen.

Agenturkosten

Die Abschätzung der Magento-Projektkosten hängt von vielen Kriterien ab. Hier der Versuch einer Einschätzung auf Basis von Erfahrungswerten einiger Magento-Agenturen aus den USA:

Einfacher Magento-Onlineshop: 20.000 bis 42.000 US$

Im Regelfall hat der Onlineshop unter 6.000 Artikelnummern, ein individuelles Template, ein Unternehmens-Branding im Shop sowie in E-Mails, eine Point-of-Sale-Integration und eine Payment-Schnittstelle. Die Produktseiten und Kategorien sind konfiguriert. Ebenso sind einfache Versandoptionen und Steuern eingerichtet. Der Onlineshop wurde mit Standardprozessen getestet. Es fand eine interne QA statt und Kompatibilität mit verschiedenen Browsern, Funktionalität und Erweiterungen wurde getestet.

Individualisierter Magento-Onlineshop: 42.000 bis 100.000 US$

Im Regelfall hat der Onlineshop mehr als 6.000 Artikelnummern. Zuzüglich zu den Leistungen für den einfachen Onlineshop kommen noch folgende Bausteine hinzu: individualisiertes Seitendesign und One Step Checkout, eigene Produkt-Landingpages, mehrsprachige Webseiten, multiple Preisregeln für verschiedene Kundengruppen, Adressvalidierung, Reviews, verbesserte Suchfunktion (bspw. Auto Complete), CMS-Integration (bspw. über Typo3), Social-Media-Integrationen, Datenmigration, erweiterte Versandoptionen, Backend-Integration in Buchhaltungssysteme und CRM-Systeme und erweiterte SEO-Services.

Magento-Onlineshop Enterprise Level: 100.000 bis 250.000 US$ und mehr

Zu den bisherigen Leistungen des individualisierten Onlineshops kommen noch eine Umsetzung für Mobile Commerce, mehrfache Substores, Fullpage Caching, eigene Module, eigener Marktplatz, Omnichannel-Integration, dynamische Kundensegmentierung, automatisierte Promotions und Merchandisings sowie Enterprise-Level-Suchfunktionen, wie ELASTIC oder SOLR.

Für unseren Demo-Händler nehmen wir Projektkosten von 82.000 US$ an, da er auch einige Backend-Integrationen benötigt und ein individualisiertes Frontend hat.

Weiterhin fallen für gewöhnlich für Softwareprojekte auch jährliche Kosten im Rahmen von BAU (business as usual) an. Hauptsächlich sind dies IT-Personalkosten und/oder Personentage, die mit der Wartung und Pflege entstehen. Magento ist hier kostenintensiver, da die Software hohe Wartungskosten hervorruft und jede kleine Veränderung im Frontend viele Personentage im Coding verschlingen kann. Wir beziffern diese auf 25% des gesamten Projektvolumens. Für unseren Demo-Händler gehen wir hierbei von 20.500 US$ aus.

Hosting- und Supportkosten

Bei Magento Open Source müssen Sie selbst für das Hosting sorgen. Magento ist hardwarehungrig. Die Kosten hierfür können für einen Mid-level Merchant zwischen 4.000 und 40.000 US$ pro Jahr liegen. Bei Magento Commerce sind diese Kosten inkludiert.

Der Support gilt bei Magento allein für die Core-Funktionalitäten out-of-the-box. Drittanbieter sind davon ausgenommen. Der Ruf des Supports ist berechtigterweise nicht der beste. Allerdings kann man einen Magento Technical Account Manager oder auch eine Magento Enterprise Consulting Group (ECG) buchen

Die Supportkosten von Magento hängen vom gewählten SLA-Modell ab. Im gewählten Vertrag sind die Supportkosten inkludiert. Wenn eine schnellere Reaktionszeit bei Eskalationen benötigt wird oder ein direkter technischer Ansprechpartner, lässt sich gegen 20% Aufpreis das Platin-Paket buchen.

Neben den Supportkosten von Magento für die Core-Funktionalität kommen oft noch Supportkosten von der Agentur hinzu. Für einen individualisierten Onlineshop liegen diese ca. bei 500 US$ im Monat.

Da unser Demo-Händler sich für die Commerce Cloud Edition entschieden hat, sind die Hostingkosten und der Support bereits in den Subscriptions enthalten. Da der Onlineshop nicht allzu komplex ist, nehmen wir eine monatliche Betreuungspauschale durch die Agentur von 200 US$ an.

Kosten für Drittanbieter

Auf dem Marktplatz von Magento können kostenlose und kostenpflichtige Erweiterungen für Magento erworben werden. Die Auswahl liegt derzeit im fünfstelligen Bereich. Grob gesprochen kann man für jeden vorstellbaren Fall eine Erweiterung finden. Einige stammen direkt von Magento und sind geprüft, dies betrifft aber nur einen geringen Anteil. Der größte Teil kommt aus der Community und hat eine schwankende Codequalität. Ebenfalls problematisch ist der Support. Sollten die Anbieter verschwinden, gibt es auch keinen Support mehr. Für unseren Demo-Händler gehen wir von 250 US$ im Monat für die Erweiterungen aus.

Als Payment-Schnittstelle hat sich unserer Demo-Händler für PayPal PLUS entschieden. Sehen wir uns die Kostenstruktur dafür an: Für die 1 Million US$ Jahresumsatz liegen wir bei 35 Cent pro Bestellung plus 1,79% vom Umsatz. Der durchschnittliche Warenkorb unseres Händlers beträgt 100 US$. Damit hat er im Monat ca. 835 Bestellungen. Pro Jahr fallen 21.400 US$ für unseren Demo-Händler an.

Wie sehen die Kosten für unseren Demo-Händler im Detail aus?

Im ersten Jahr betragen die Kosten für unseren Demo-Händler 209.300 US$. Das sind 20,9% vom Umsatz. Im zweiten Jahr sind es noch 127.300 US$. Nach drei Jahren hat unser Händler insgesamt 463.900 US$ ausgegeben.

Für wen ist Magento geeignet?

Magento 2 eignet sich sehr gut für B2C-Händler und Markenhersteller. Die vielen Funktionalitäten in diesem Bereich machen das System sehr interessant. Durch die Open-Source-Version sind die Einstiegskosten relativ gering, allerdings nicht umsonst. Die CAPEX sind damit überschaubar. Aufgrund der hohen Komplexität sind die OPEX jedoch hoch. Nach Agenturerfahrungen wird Magento 2 Commerce ab 40 Millionen US$ Total Revenue überproportional teuer. Die Anforderungen der Unternehmen hinsichtlich Funktionalität, Performance und Skalierung können nur noch teuer erkauft werden. Auch schwächelt Magento V2 im Frontend und im Web CMS deutlich. Zwar kann man über die Headless-Architektur das Frontend flexibel gestalten, aber das erhöht die TCO und Komplexität. In vielen Fällen benötigen Sie noch ein eigenes Frontend wie Typo3 oder Magnolia. Die Integration kann unseren Demo-Händler nochmal schätzungsweise 50.000 US$ kosten.

Interessant sind die letzten Bestrebungen von Magento in Richtung Progressive Web Application (PWA). Basierend auf REACT stellt Magento derzeit ein recht gut entwickeltes SDKzur Verfügung. Händler können mit dieser modernen Frontend-Technologie interessante Store-Konzepte realisieren. Beispielsweise können durch PWA Single Page Applications gebaut oder Push Notifications an Kunden versendet werden.

Fazit

Mit Magento kann man alles machen. Von einem kleinen günstigen Onlineshop bis hin zu einer Enterprise-Lösung. Die angestellten Überlegungen und die dargestellten Kostenblöcke unseres Demo-Händlers wurden nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen. Allerdings hängen die genauen Kosten vom Projekt, der IT-Landschaft und der Agentur ab. Eine genaue Kalkulation lässt sich im Vorfeld nicht machen. Dafür gibt es viel zu viele unsichere Variablen, die sich erst im Projekt klären

Der Sprung von Magento 1 zu 2 hat die TCO erhöht. Problematisch sind die Migrationen. Durch die zunehmende Komplexität, die Individualisierungen und Erweiterungen können Migrationsprojekte schnell im Bereich von 1.000 Manntage kommen. Ein weiteres Problem ist die langfristige technische Marktentwicklung.

Der Schritt Richtung Cloud ist richtig, aber der Markt ist bereits weiter. Software-as-a-Service-Angebote scheinen langfristig die günstigere Variante zu werden, da die Betriebskosten auf viele Kunden verteilt werden. Aktuell ist Magento eine PaaS-Lösung. Für B2C-Szenarien sollte man sich Shopify näher ansehen. Im B2B-Bereich kann man einen Blick auf das Intershop Commerce-as-a-Service-Angebot werfen. Beide Systeme sind SaaS-Lösungen. Unter der Ägide von Adobe wird derzeit erwartet, dass mit Magento 3 der Schritt zu einem integrierten SaaS-Konzept gegangen wird. Welche Auswirkungen das auf die Open Source Edition haben wird, ist unklar.

Unter dem Pseudonym Marian Haller analysiert unser Gastautor vor allem Shopsysteme und –technologien. Dies ist auch sein berufliches Hauptbetätigungsfeld im E-Commerce. Er gilt als ausgesprochener Experte auf diesem Gebiet.

Hier gibt es alle Beiträge von Marian Haller zum Nachlesen.

 

Bildquelle: © bigstock.com/ StanciuC

Exit mobile version