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Einspruch: Die große Marktbereinigung juckt mich nicht

Im Markt der Pure Player wird es aufgrund extrem niedriger Margen zur Konsolidierung und zum Shake out kommen. 90 % der heute am Markt aktiven Pure Player werden nicht überleben.“ So lautete im Juni 2014 eine These von ECC Köln und Mücke, Sturm & Company. Schuld sei eine viel zu hohe Dichte an Konkurrenz. Ohne Kanalexcellenz und klaren USP sei ein Überleben schwierig.

Zugegeben, die These, dass neun von zehn der Online-Händler pleite gehen würden, habe ich nie für bare Münze genommen. Viel wichtiger fand ich die dahinterliegende Kernaussage, dass reine Kistenschieber, die nur Ware einkaufen und verkaufen, so gut wie keine Überlebenschance haben. Aber das war schon lange klar und auch bereits in den Jahren vor 2014 von uns und anderen proklamiert. Von dem her fand ich diese gewagt anmutende Aussage auch gut. Quasi als weiteren Warnschuss vor den Bug der Online-Händler, sich endlich zu positionieren und zu professionalisieren.

Die Weltuntergangspropheten des E-Commerce

Weniger gut fand ich, was sich daraus entwickelte. Klar wurde diese These, gekürzt auf die Bild-Schlagzeile „90% der Online-Händler werden sterben“, in der Folge gerne und oft von der Fachpresse zitiert.

Und klar wurde sie in genügend PowerPoint-Folien, Blogbeiträgen und Unternehmens- bzw. Leistungsbeschreibungen gerne wiederholt. Manchmal ganz so, wie in früheren Zeiten die Weltuntergangspropheten durchs Land zogen, um ihre Botschaft zu verkünden. Wobei – oh großer Zufall und welch ein Glück – Rettung oder zumindest Erlösung mit Hilfe dieser Propheten immer noch möglich war.

Die Hutschnur platzte mir jedoch erst kürzlich, als ich in irgendeiner Fachzeitschrift über irgendjemanden las, dass er überzeugt sei, in den nächsten Jahren würden 90% aller Online-Händler sterben. Wahrscheinlich setzte er sogar das Wort „mindestens“ vor die Zahl. Also eher zehn von zehn. Oder sogar noch mehr.

Jetzt mal ganz ehrlich – wenn der ECC diese These aufstellt, ist das eine Sache. Wenn andere – aus welchen Gründen auch immer – auf diese These verweisen, ist das auch eine Sache. Wenn jetzt aber Lolek und Bolek, Hinz und Kunz dies als ihre Weisheit verkaufen, wird es für mein Empfinden gefährlich. Denn dann scheint dieses spekulative, mögliche Szenario wieder einmal zur unumstößlichen Wahrheit zu werden. Genauso wie die angebliche uneinholbare Übermacht Amazons. Doch darüber habe ich mich ja bereits an anderer Stelle ausgelassen.

Juckt mich!

Mein bald 13-jähriger Sohn würde jetzt sagen: „Juckt mich nicht“. Aber ihn juckt ja, altersbedingt, überhaupt und generell gerade (angeblich) vieles nicht. Mich hingegen juckt es schon. Vor allem immer mehr das dumpfe, weil völlig ungeprüfte, Nachplappern, dass in Zukunft in den meisten Branchen nur noch Platz für zwei große Player sei, im Zweifelsfall für Amazon + 1. Zudem würden nur noch kleinere Nischenanbieter ihren Platz finden.

Das juckt mich auch deswegen, da sich Online-Händler von der Aussicht, nur jeder Zehnte habe eine Zukunftschance, anscheinend tatsächlich beeinflussen lassen. Zumindest bestätigten mir etablierte Händler, dass sich manch Branchenkollegen seitdem fragen, ob sie gleich aufgeben oder die wenige Zeit bis zum sicheren und scheinbar unvermeidlichen Exitus noch durchhalten sollen.

Ich gehe durchaus davon aus, dass so manch Online-Händler noch die Segel streichen wird. Ich denke auch, dass es mehr als früher sein werden bzw. eine überfällige Konsolidierung bereits im Gange ist. Diese dürfte jedoch vor allem kleine und kleinste Händler betreffen. Oder etwas vereinfacht ausgedrückt: Die Nebenerwerbs-Shops mit wenigen zehntausend Euro Umsatz funktionieren nicht mehr. Diese haben sich aber in Wirklichkeit noch nie gelohnt. (Nachtrag: Auch hier wurde ich zwischenzeitlich schon eines besseren belehrt. Man sollte eben nie „nie“ sagen.  Andererseits bestätigen Ausnahmen ja auch die Regel.)

Ich habe aber, ehrlich gesagt, wieder einmal keine Ahnung, wie viele Online-Händler es am Ende treffen wird. Ich glaube aber definitiv nicht, dass wir von einer großen Marktbereinigung sprechen werden. Und dass wir von den 90% sehr, sehr, sehr weit weg sind und auch bleiben werden. Aber wissen tue ich es nicht. Doch wie schon mal in einem anderen Artikel erwähnt habe: Die gute Nachricht ist, dass es andere auch nicht wissen können.

„Frühwarnsystem“ für die Marktbereinigung schlägt nicht an

Unsere Verkaufsbörse müsste als Frühwarnsystem für die Marktbereinigung bestens geeignet sein. In dieser können seit 2008 Online-Händler ihre Verkaufsofferten einstellen. Unsere Verkaufsbörse dürfte in der Branche zugleich die bekannteste Möglichkeit darstellen, wenn jemand seinen Online-Shop verkaufen möchte, er also aufgibt. Wenn Marktbereinigung, dann müsste sich dies doch also unmittelbar auf unsere Verkaufsbörse auswirken. Möchte man zumindest meinen.

Der bisher umsatzstärkste Online-Shop wurde übrigens erst vergangenen November mit 17 Mio. Jahresumsatz eingestellt. Rechnet man diese Verkaufsofferte raus, bewegte sich der Jahresumsatz der anderen in 2015 eingestellten Offerten bei durchschnittlich etwa 350 TSD Euro. Eine Unternehmensgröße also, die durchaus erheblich von einer 90-prozentigen Marktbereinigung betroffen sein sollte. Da wir keine Verkaufsofferten für Online-Shops mit weniger als 100 TSD Nettoumsatz veröffentlichen, wissen wir leider nicht wie sich diese statistisch niedergeschlagen hätten.

Die Auswertung der Verkaufsofferten brachte jedenfalls eine Überraschung mit sich: Im letzten Jahr wurden deutlich weniger Online-Shops als in den Vorjahren bei uns zum Verkauf angeboten. Seltsamerweise war übrigens kein einziger Online-Shop in der Umsatzgröße 1 – 5 Mio. Euro dabei. Diese Umsatzgröße wuchs in den vorhergehenden Jahren verstärkt in unserer Verkaufsbörse.

Obwohl also unsere Verkaufsbörse in 2015 bekannter und beliebter als je zuvor war – unsere Zugriffszahlen zeigen ein starkes Besucherwachstum in 2015 – wurden weniger Online-Shops zum Verkauf angeboten.

Die Zahlen unserer Verkaufsbörse geben also keinen Hinweis auf die Frage nach der großen, nicht mal einer kleinen, Marktbereinigung. Allerdings, meine ich in der Branche beobachtet zu haben, dass im letzten Jahr vermehrt Online-Händler mit Jahresumsätzen von zwei- bis dreistelligen Mio. Euro übernommen wurden. Diese sind üblicherweise nicht Klientel unserer Verkaufsbörse. Wenn es tatsächlich so war, wäre dies aber immer noch kein Anzeichen für eine Marktbereinigung der angekündigten Dimension.

Auf der Suche nach der Wahrheit

Darüber hinaus habe ich in den letzten Wochen und Monaten auch mit den verschiedensten Lösungsanbietern und Dienstleistern im E-Commerce gesprochen, ein paar Meinungen eingeholt und manchmal sogar Zahlen zu deren Geschäftsentwicklung in 2015 bekommen.

Auffallend war, so bestätigten mir die meisten, dass es tatsächlich zu etwas mehr Ausfällen bei deren Händlerkunden käme. Mal sei der Händler nicht mehr erreichbar, mal das Konto für die Lastschrift nicht mehr existent. Interessant war aber, dass mir quasi alle sagten, sie hätten dennoch mehr Kunden und / oder mehr Umsatz als zuvor. Zusammengefasst: Online-Händler fallen verstärkt weg, aber es kommen immer mehr nach. Bei den wegfallenden Händlern würde es sich vor allem um die bereits erwähnten Nebenerwerbs-Händler mit sehr kleinem Umsatzniveau handeln.

Es scheint also möglicherweise tatsächlich eine Marktbereinigung auf sehr niedrigem Niveau zu geben. Dies fällt hinsichtlich der prognostizierten 90% bisher allerdings eher sehr homöopathisch aus. Und hat scheinbar nicht zur Folge, dass es künftig weniger Online-Händler gibt.

Doch lassen wir einige meiner Gesprächspartner am besten selbst zu Wort kommen:

Philipp Schrader, Leiter Sales idealo internet GmbH

„Ein großflächiges Sterben von Online-Shops am deutschen Markt können wir nicht bestätigen. Zwar unterliegt auch unser Kundenstamm einer gewissen Fluktuation, aber die Gesamtzahl der bei uns gelisteten Händler nimmt seit Jahren weiter zu. Allein in 2015 konnten wir die Anzahl unserer Partnerschaften um 18 Prozent steigern.“

 

Jan Griesel, Geschäftsführer der plentymarkets GmbH

„Wir haben die 90%-These von ECC Köln und Mücke, Sturm & Company sehr ernst genommen und daraufhin den plentymarkets Geschäftsklimaindex ins Leben gerufen, um Informationen aus erster Hand zu bekommen. Dabei zeigt sich, dass die Stimmung unter den Onlinehändlern besser ist als gedacht.

Der plentymarkets E-Commerce Geschäftsklimaindex entspricht üblichen Berechnungen zur Konjunkturerwartung: Die Teilnehmer bewerten ihre aktuelle Situation und ihre Geschäftslage in den nächsten sechs Monaten mit „gut“, „befriedigend“ oder „schlecht“. Der Wert der sich am Ende daraus ergibt, wird auf einen Bereich von 0 bis 100 normiert. Dabei gilt: Werte von 0 bis 50 zeigen an, dass mehr Händler die Lage negativ einschätzen als positiv. Im Bereich 50 – 100 dementsprechend umgekehrt: mehr Händler sehen die Lage positiv als negativ. Mit 72,0 Punkten liegt das Ergebnis der Umfrage von Anfang Januar 2016 dabei nur minimal unter den 75,2 Punkten der vorangegangenen Umfrage von Oktober 2015.

Die gute Stimmung der Händler spiegelt sich auch in unserem Geschäftsverlauf wider. Wir sind nach wie vor stark auf Wachstumskurs und tun unseren Teil, um die positive Händlerstimmung zu befeuern:  Bei dem augenblicklich hohen Wettbewerbsdruck sind neben der richtigen Marktpositionierung effiziente Prozesse der entscheidende Wettbewerbsvorteil, um auch bei kleiner werdenden Margen kostensparend agieren zu können und sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen.“

Außenumsatz der plentymarkets-Händler steigt sehr dynamisch

Der über die ERP-Lösung von plentymarkets abgewickelte Außenumsatz wächst nach wie vor überdurchschnittlich, wie das erste Chart belegt. In einzelnen Umsatzgrößen durchschnittlich um bis zu knapp 60% in den vergangenen drei Jahren.

Wichtig zum Verständnis – bei dieser Auswertung wurden lediglich Händler berücksichtigt, welche im gesamten Zeitraum 2013 – Januar 2016 bei plentymarkets aktive Kunden waren, also Umsatz erwirtschafteten. Nur so kann sichergestellt werden, dass das durchschnittliche Unternehmenswachstum unverfälscht bleibt. Händler die bspw. erst 2015 dazukamen wurden also nicht berücksichtigt.

Lesebeispiel: Die Umsätze wurden für 2012 normiert. Als Basis gehen wir also von jeweils 100% in 2012 aus. Ende 2015 hatten die Händler mit Jahresumsatz > 10 Mio. bereits den 3,81-fachen Umsatz erzielt. Im Chart also 381 Datenpunkte. Durchschnittlich wuchs plentymarkets Außenumsatz mit Händlern die mehr als 10 Mio. Jahresumsatz erzielten, also:

Das Wachstum konzentriert sich auf weniger Händler

Auffallend bei der plentymarkets-Auswertung war jedoch, dass die Anzahl der plentymarkets-Händler mit negativer Umsatzentwicklung in den vergangenen drei Jahren um 14% gestiegen ist. Am stärksten betroffen davon, die Händler mit einer Umsatzgröße von weniger als 250 TSD Euro jährlich. Hier konnte in 2015 nur noch knapp jeder Zweite wachsen.

Auf den ersten Blick scheint dies nicht mit den nach wie vor überdurchschnittlich stark wachsenden Außenumsätzen zusammen zu passen. Die Erklärung kann also nur darin zu finden sein, dass sich das Wachstum nun auf weniger Händler verteilt. Dann wiederum müsste es tatsächlich eine Konsolidierung, also eine seitwärts bis leicht abwärts gerichtete Entwicklung, geben. Zumindest wenn man „nur“ diejenigen Händler berücksichtigt, die bereits seit einigen Jahren ein Online-Geschäft betreiben. Denn, wie bereits erwähnt, blieben Händler unberücksichtigt, die erst nach 2012 plentymarkets-Kunden wurden bzw. zwischenzeitlich ihr Geschäft aufgaben bzw. das System wechselten.

 

Hagen Meischner, Country Manager DE / AT / CH bei PrestaShop

„Der Markt entwickelt sich zunehmend dynamischer, bedeutet, es verschwinden Shops von der Bildfläche und dafür treten neue Shops in Erscheinung. Eine Garantie auf Erfolg im eCommerce gibt es schon lange nicht mehr und die Goldgräberzeiten sind definitiv vorbei. Trotzdem wächst der Markt weiter und es kommen unter dem Strich neue Shops hinzu.

PrestaShop hat 2015 in DACH ein Wachstum bei der Anzahl aktiver Shops um 60% verzeichnen können. Dies bedeutet, es sind am Ende deutlich mehr neue Shops hinzugekommen als bestehende Shops ihr Geschäft eingestellt haben. In Deutschland ist die Anzahl aktiver PrestaShops von circa 4.200 Stores Anfang 2015 auf rund 6.700 Ende 2015 gestiegen.

Der Zuwachs kommt dabei aus zwei grundsätzlichen Richtungen: Dies sind einmal Händler, die von anderen, insbesondere technologisch älteren Shopsystemen, zu PrestaShop wechseln und zweitens handelt es sich um komplett neu gestartete Onlineprojekte, bei denen PrestaShop eingesetzt wird. Aus meiner Beobachtung würde ich sagen, dass die Verteilung auf diese beiden Richtungen ungefähr bei 50:50 liegt.“

 

Mirko Hüllemann, CEO der Heidelberger Payment GmbH

„Eine eventuell vorliegende Marktbereinigung durch Global Player wie Amazon oder eBay nehmen wir als Zahlungsdienstleister im E-Commerce nicht wahr. Immer mehr Händler, darunter vor allem klein- und mittelständische Unternehmen, wagen erfolgreich den Schritt in den E-Commerce. Dies zeigen nicht nur aktuelle Studien, sondern auch unternehmensinterne Zahlen, welche die Aufschaltung neuer Online-Händler betrifft.

So hat sich die Zahl der jährlichen Neukunden bei heidelpay innerhalb der letzten 3 Jahre mehr als verdoppelt. Oft etablieren sich diese vermeintlich benachteiligten kleineren Online-Händler durch innovative Konzepte und Services als Konkurrenz gegenüber den Big Playern und sichern sich gerade durch diese ausgefallenen Ideen ihren Marktanteil. Vor allen Dingen erleben wir bei Marktplätzen und Verkaufsplattformen einen Boom.“

 

Matthias Heimbeck, Geschäftsführer FINDOLOGIC GmbH

„Ich glaube nicht, dass es in Zukunft nur noch ganz wenige große Shops geben wird. Das Internet bietet hierzu zu viele Möglichkeiten kreativ zu sein, günstig und schnell neue Konzepte auszutesten und im großen Stil zu pushen. Kreativität ist eine unerschöpfliche Quelle und wird ständig neue Chancen und somit Wettbewerb kreieren.

Die großen mittelständischen Handelsunternehmen und starke Marken verknüpfen zunehmend ihre Channels. Dieses Bollwerk aus Ladengeschäften, Online-Shops, Content und Erlebnissen schafft ganz neue Berührungspunkte, Vorteile und emotionale Bindungen für den User und somit neue Chancen für diese Unternehmen.

Seit Jahren messen wir genau den Zusammenhang von Optimierungen und deren Wirkung auf die Conversion-Rate. Wir können damit sagen, dass Shops mit stetiger und zielgerichteter Optimierung enormes Potential entfalten können. Hier stehen die meisten Shops noch am Anfang und ich bin sicher, die Konzentration auf Kundenbindung und Conversion-Rate wird deren Marktrelevanz noch deutlich stärken. Konzentrieren sich Shops mehr auf Kundenbindung, Einkaufserlebnisse, Emotion und Conversion-Rate, so wird der ständige Kampf um Traffic verschoben vom reinen Shop-User auf die Kundenbeziehung. Hier ergibt sich ein weites Feld an Möglichkeiten und Chancen für eine ganze Menge an Shops – dazu ist allerdings auch ein Umdenken notwendig, welches wir aber mehr und mehr bei den Shopbetreibern erkennen.“

Nach wie vor starkes Wachstum bei FINDOLOGIC

FINDOLOGIC wächst weiterhin stark, wie deren Zahlen belegen. So steigt die Zahl der Kunden nach wie vor jährlich um mindestens 60 Prozent. In den letzten Jahren handelte es sich dabei, laut Aussage FINDOLOGIC, verstärkt um Online-Händler aus dem Top3000-Segment. Die Suchanfragen stiegen innerhalb der Kunden-Shops sogar um durchschnittlich mehr als über 90 Prozent in den letzten drei Jahren.

Lesebeispiel: Die Anzahl der FINDOLOGIC-Händler wurde für 2012 normiert. Als Basis gehen wir also von 100 Kundenpunkte (=100%) in 2012 aus. Ende 2015 hatte FINDOLOGIC bereits das 4,33-fache an Händlern als Kunden. Im Chart also 433 Kundenpunkte. Durchschnittlich wuchs der Kundenstamm, also:

Silvan Dolezalek, Geschäftsführer der Cosmoshop GmbH

„Wir erleben einige Geschäftsaufgaben in Branchen, die sehr hart umkämpft sind (Unterhaltungselektronik, Online-Druckereien, usw.). Allerdings kommen auch ständig neue Unternehmer auf uns zu, die sich ein weiteres Standbein zum Handwerksbetrieb oder Ladengeschäft aufbauen wollen. Auch versuchen viele aus dem Hobby Kapital zu schlagen. Diese Händler haben jedoch meist nur ein Durchhaltevermögen von einem Jahr. Dann erkennen die meisten, dass ein Online-Shop harte Arbeit ist. Die andere Gruppe der neu gewonnenen Händler sind Umsteiger von anderen Systemen.

Grundsätzlich sind wir der Auffassung, dass spezialisierte Händler höhere Chancen haben. Sei es beispielsweise mit einem Trikot-Konfigurator oder mit individuellen Produkten die viele Variationen aufweisen usw. Die größten Herausforderungen sind natürlich auch die Versandgeschwindigkeit und die Verpackungskosten. Denn hier hat Amazon & Co. eine sehr hohe Erwartungshaltung geschaffen die nun auch von den kleinen Händlern bedient werden muss.

In 2015 ist die Zahl unserer Mietshop-Kunden unserer Cloudlösung übrigens um 19 Prozent auf nun knapp 500 Online-Händler gestiegen.“

 

Mirko Platz, Geschäftsführer der Channel Pilot Solutions GmbH

„Vorweg gesagt: Die These, dass Amazon in wenigen Jahren den deutschen E-Commerce-Markt beherrschen wird, können wir nicht unterschreiben.

Wir sehen jedoch durchaus die GAFA-These (Google-Amazon-Facebook-Apple dominieren den E-Commerce) bestätigt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ja die Amazon Marketplace-Händler einen signifikanten Anteil an Amazons Umsatz tragen (Anm. d. Red.: geschätzt 45%). Wir beobachten auch, dass immer mehr Hersteller mit einem eigenen Online-Shop an den Markt gehen. Diesen wurde ja auch laut einer aktuellen Studie des ECC Köln in den letzten Jahren ein überdurchschnittliches Wachstum von rund 28 Prozent bescheinigt. Auch deshalb gehen wir nicht von einer Verringerung der Anzahl der Händler aus. Es werden sich unserer Einschätzung nach aber die Anzahl der Verkaufsplattformen verändern bzw. vermehren.

Hinsichtlich Marktbereinigung schätzen wir es so ein, dass vor allem die Medium-Player verdrängt werden. Es wird aber weiter die Large-Player und Nischenplayer geben, die beide jeweils auch den Platz der Medium-Player einnehmen. Für Händler ohne wirklichen USP wird es jedoch schwer werden, nennenswerte Umsätze außerhalb einer Nische in einem Pure-Webshop zu generieren, sofern er sich nicht den GAFA-Monopolisten stellen möchte. Aber: Jeder Shop mit einem USP, mit einer Nische, wird agieren können und Umsatz machen (zum Beispiel ein Shop für Wendeltreppen oder ein Shop für E-Zigaretten).“

 

Simon Huck, Geschäftsführer der E-Commerce-Agentur CYBERDAY GmbH

„Zusammenfassend können wir jedenfalls für uns sagen: Die so oft prognostizierte Marktkonsolidierung unter den Online-Händlern ist bisher entweder ausgeblieben oder einfach an uns vorbei gegangen.“

 

Sebastian Hamann, Vorstand Shopware AG

Wir haben nicht den Eindruck, dass ein Händlersterben eingesetzt hat. Im Gegenteil, wir verzeichnen derzeit eine stark wachsende Händlerbasis, die sich mit guten, innovativen Ansätzen und cleveren Geschäftsideen durchsetzt. Und genau darin liegt der Schlüssel zum Erfolg. Wir haben unser Ohr nah am Markt und wissen natürlich, dass der Händler sich immer neuen Herausforderungen anpassen muss. Online-Händler müssen sich heutzutage möglichst stark individualisieren, ihre eigenen Stärken hervorheben, Nischen finden und mit kreativen Ideen punkten. Außerdem wird in Zukunft die flexible Anpassbarkeit und kurze time-to-market der Software entscheidend sein, um auch neue, unentdeckte oder sich neu öffnende Absatzkanäle möglichst schnell zu erschließen.“     

Konsolidierung ja, aber keine große Marktbereinigung. Aber was heißt das schon?

Unsere Recherchen der letzten Monate haben also keinerlei stichhaltigen Belege für eine Marktbereinigung zutage gebracht. Vielleicht betrifft es ja auch „nur“ einzelne Branchen oder bestimmte Umsatzgrößen, wie bspw. die Nebengewerbe-Händler. Aber auch die machen halt nicht mal annähernd 90% der Online-Shopbetreiber aus. Allerdings, gibt es Anzeichen für eine Konsolidierung. Was nach den „wilden“ Jahren aber auch mehr als normal und nicht überraschend ist.

Vielleicht habe ich aber auch einfach die falschen Leute befragt oder die falschen Schlüsse gezogen. Aber solange mir niemand das Gegenteil beweisen kann, glaube ich einfach nicht an die große Marktbereinigung. Und mit Beweis meine ich schlüssige und belastbare Fakten. Hochrechnungen mit Zahlen aus verschiedensten Datenquellen, die allesamt nicht belastbar sind, zählen nicht dazu. Auch nicht andere akrobatische Zahlenspielereien. Genauso wenig übrigens wie die Zahlen unserer Verkaufsbörse oder die gesammelten Einschätzungen und Zahlen unserer Gesprächspartner letztlich als Beweis dafür taugen, dass es keine Marktbereinigung gibt bzw. geben wird.

Handel ist Wandel

Zusammenfassend gesagt, gehe ich auf jeden Fall von einer Konsolidierung aus und auch, dass einige heutige Online-Händler noch verstärkt unter Druck geraten werden. Gleichzeitig entsteht jedoch auch gerade eine völlig neue Generation an Shopbetreibern. Diese Neueinsteiger gehen auch anders an das Onlinegeschäft ran. Und letztlich war Handel ja auch schon immer Wandel. Oder wie Johannes Altmann von Shoplupe sinngemäß sagte: „Der stationäre Handel war tot, als das Internet kam und der Fachhandel tot, als der Versandhandel kam und alle tot, als der Supermarkt kam.“ Irgendwie wird im Handel also immer gestorben und trotzdem lebt er noch.

Ben Thompson hat meiner Meinung nach übrigens ein sehr schönes Bild von der künftigen Internet-Landschaft gezeichnet. Frei übersetzt, gibt es darin, wie in einem Regenwald, zwar nur sehr wenige wirklich große Bäume, aber eine sehr große Artenvielfalt darum herum. (gefunden bei: Exchanges #124: Mythos Amazon).

Doch egal wie, Händler sollten sich meiner Meinung nach vor allem denken: „Juckt mich nicht“. Denn was für Händler immer noch zählt, ist vor allem das eigene Geschäft, die eigenen Zahlen und die eigene Unternehmensentwicklung!

 

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