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Multikanal-Strategie: desiary.de und das große Marktplatz-Experiment

desiary.de, Online-Anbieter für Innenausstattung und Wohnaccessoires, hat in diesem Jahr Großes vor. Fast 30 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaftet das 7-köpfige Team um Gründerin Julia Ritter aktuell auf Amazon. 2020 soll sich dieser Umsatzanteil wachstumsbedingt auf andere Marktplätze verschieben. desiary.de listet bereits zusätzlich auf ebay, ist mitten im Onboarding-Prozess bei Otto und Rewe, steht in Verhandlungen mit Wayfair und denkt über eine Präsenz bei Bol.com nach. 

Julia Ritter, Gründerin und Geschäftsführerin des Innenausstattungshandels desiary.de, ist in der Branche seit zwei Jahren ein Begriff, und meistens ist ihr Name direkt mit ihrem Sieg bei Amazons Förderprogramm „Unternehmerinnen der Zukunft“ 2018 verbunden. Doch die Vorzeige-Amazone will sich keinesfalls nur auf Amazon konzentrieren. „Vor fast drei Jahren habe ich auf der K5 zum ersten Mal gehört, dass über 50 Prozent der Deutschen ihre Produktsuche bei Amazon starten – und dass man diese Kunden über andere Marketing-Kanäle gar nicht mehr erreicht“, erinnert sich Ritter. „Da war mir klar, dass ich mich nicht nur auf den eigenen Online-Shop konzentrieren kann, sondern auch Amazon bespielen muss.“ 

Das Amazon-Geschäft lief, auch dank der Coachings aus dem UdZ-Förderprogramm, gut an und brachte es schnell auf einen Anteil am desiary.de-Gesamtumsatz von 40 Prozent – vor allem, weil sich Ritter die Internationalisierungsmöglichkeiten des Pan-EU-Programms schnell zunutze machte. Trotzdem bleibt die Unternehmerin wachsam. „Amazon ist für Händler toll, solange alles reibungslos läuft“, so Ritter. „Aber es lauern eben auch viele Gefahren, wie eine lang anhaltende Kontosperrung oder der chinesische Wettbewerb, der auch in meinem Segment immer stärker wird. Wenn man sich in eine zu starke Abhängigkeit zu nur einem Vertriebskanal begibt, egal, welcher das ist, ist man immer angreifbar.“

Erst das Backend fit für die Marktplatz-Strategie machen

Deshalb lautet Ritters Motto für 2020: Kanaldiversifizierung. Dafür hat desiary.de sich zuerst Backend-seitig vorbereitet: Der Shop migrierte zu Shopware und implementierte das ERP von plentymarkets, um von den vielen Marktplatz-Schnittstellen des Anbieters zu profitieren. „Technisch gesehen hat diese Umstellung erstaunlich reibungslos funktioniert“, lacht Ritter. „Ich hatte deutlich Schlimmeres erwartet.“ 

Seit Anfang des Jahres listet desiary.de knapp 100 Artikel auch auf ebay – was etwa einem Fünftel des Amazon-Sortiments entspricht. Mit Otto steht Ritter bereits seit über einem Jahr in Kontakt – und kann kaum erwarten, dass ihre Produkte endlich auch bei den Hamburgern im virtuellen Regal stehen. „Wir mussten bei Otto im letzten Jahr sehr geduldig sein aufgrund der Umstellung des Marktplatzmodells, aber seit Anfang des Jahres tut sich etwas“, freut sich die Händlerin. „Aktuell sind wir in der Verifizierung, ich hoffe deshalb, dass der Verkauf bald losgehen kann.“ Von einer Präsenz auf der Plattform des größten deutschen Online-Möbelhändlers verspricht sich Ritter einen ordentlichen Schub für ihr Geschäft. 

Noch weiter fortgeschritten ist die Handelsbeziehung mit Rewe. „Vertreter des Marktplatzes dort haben mich auf einer Konferenz gehört und mich direkt angesprochen, ob ich nicht auf Rewe.de listen will“, so Ritter. „Ich habe mir dann zuerst die Kundenstruktur genauer angesehen: Auf Rewe.de kaufen vor allem gut gestellte Familien mit wenig Zeit – das ist eine für uns sehr interessante Zielgruppe, die man vielleicht davon begeistern kann, zum Wocheneinkauf noch ein Deko-Element dazuzulegen oder auch ein Gastgeschenk online mitzubestellen. Deshalb probieren wir diesen Kanal gern aus.“

Kanalauswahl? Zahlengetriebene Bauchentscheidung

Die Entscheidung für Rewe spiegelt Ritters Strategie bei der Auswahl neuer Vertriebskanäle wider: Es ist eine Mischung aus zahlengetriebener Analyse und Offenheit für sich präsentierende Chancen, gewürzt mit einem Schuss „Einfach mal ausprobieren“. „Bei den großen Marktplätzen Amazon, Ebay und auch Otto muss man nicht lange überlegen, dort findet man die eigene Zielgruppe auf jeden Fall“, sagt Ritter. „Bei kleineren Nischenmarktplätzen passt entweder das Sortiment zu uns – wie zum Beispiel bei Wayfair, oder eben wie bei Rewe die Zielgruppe. Andere Marktplätze ergeben sich durch Zufälle: Für uns ist beispielsweise der Verkauf auf Amazon Niederlande perspektivisch sehr interessant, weil die Niederländer sehr wohnaffin sind. Und wenn die Listings dann schon mal auf Niederländisch übersetzt sind, was hindert uns daran, auch noch auf Bol.com zu listen?“

Mit der gleichen Offenheit fasst Ritter aktuell auch die Marktplätze von Home24 und Douglas ins Auge, während sie gleichzeitig nach strategischen Partnern sucht, um den Verkauf ihrer Eigenmarke in stationären Geschäften voranzutreiben.

„Man sollte sich jeden Vertriebskanal genau anschauen und mit Bedacht auswählen – aber dann muss man ihn letztlich einfach ausprobieren“, ist Ritter überzeugt. „Erst wenn man ein paar Verkäufe hinter sich hat, sieht man, ob die Verkäufe stimmen, ob der Umsatz stimmt, ob die Kostenstruktur zur eigenen Marge passt und vor allem, wieviel Aufwand nötig ist, um den Kanal profitabel zu betreiben. Wenn die Rechnung unterm Strich nicht aufgeht, muss man den Kanal eben wieder aufgeben – oder mit dem Betreiber, soweit möglich, über die Konditionen nachverhandeln.“

Hinweis: Da wir gespannt sind, wie die Multi-Marktplatz-Strategie für desiary.de aufgeht, werden wir in einigen Monaten bei Julia Ritter nochmal nachhaken. 

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