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Alles SaaS, alles gut? – die Probleme von SaaS-Modellen

Software-as-a-Service-Modelle werden seit 2010 immer beliebter und ersetzen zunehmend klassische On-Premise-Modelle. Von vielen Anbietern werden Sie als kostengünstige, einfache und vor allem  schnelle Möglichkeit angepriesen, um Produkte zur Verfügung zu stellen. Dabei zeigt der aktuelle Ausfall von Microsoft Office 365, dass SaaS auch Nachteile mit sich bringt. Im folgenden Beitrag will ich vor allem auf die Schattenseiten eingehen.

Was ist SaaS?

Neben Infrastruktur-as-a-Service und Platform-as-a-Service ist SaaS eine der Hauptkategorien von Cloud Computing. Da die Bereitstellungsmodelle einige Feinheiten aufweisen, orientiere ich mich an der offiziellen Definition von Gartner. IaaS lasse ich außer Betracht.

Modell Hosting Beschreibung Beispiele
On-Premise Kein Hosting Die Software wird in der Infrastruktur des Kunden betrieben Spryker, Shopware
Managed Service / PaaS Private Cloud Die Software wird im Rechenzentrum des Unternehmens betrieben. Magento Commerce Cloud, SAP Commerce
Managed Service / PaaS Public Cloud Die Software wird im Rechenzentrum eines Dienstleisters betrieben. Magento Commerce Cloud
Managed Service / SaaS Multi-Tenant Die Software wird vom Anbieter mit anderen Kunden in einer gemeinsamen Umgebung betrieben, gemanaged und gewartet. CommerceTools, Salesforce Commerce Cloud
Managed Service / SaaS Single-Tenant Die Software wird vom Anbieter mit anderen Kunden in einer einzelnen Umgebung betrieben, gemanaged und gewartet. Intershop Commerce-as-a-Service

 

Das obige Bild verdeutlicht nochmal die Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen. Die Vorteile von SaaS sind schnell umrissen. Die Time-to-Market ist kürzer, die CAPEX geringer, der generelle Aufwand an internen IT-Ressourcen niedriger. Hinzu kommen automatische Hersteller-Updates und eine einfachere Skalierung. Grafik 2 zeigt die Kostenstruktur zwischen On-Premise und Cloud Computing im Vergleich. Generell gilt: Je standardisierter die Anwendung desto eher eignet sich SaaS für Hersteller und Kunde.

 

 

Wo liegen die Schwachstellen von SaaS?

Betrachtet man E-Commerce-Projekte, werden SaaS-Modelle gerne von KMU bis zum gehobenen Mittelstand eingesetzt. Obwohl auch Enterprise-Level-Anbieter wie SAP, ORACLE, IBM und Intershop cloud-basierte Modelle anbieten, finden sich hier noch relativ wenige Kunden mit reinen SaaS-Projekten.

Dies liegt unter anderem an einer komplexen Herausforderung. SaaS macht am meisten als standardisiertes Produkt Sinn. Gerade bei Kernprozessen weisen jedoch Unternehmen ab dem Mittelstand aufgrund ihres Geschäftsmodells und der Historie hoch individuelle Prozesse auf. Häufig ist es wesentlich günstiger die Software anzupassen als die Prozesse des Unternehmens. Im Übrigen ist der zweite Umstand auch die größte Herausforderung innerhalb der Digitalisierung. Folglich muss Software angepasst werden. Die Customization eines standardisierten Produkts im SaaS-Kontext ist enorm herausfordernd und bringt schwierige Fragen mit sich. Die wichtigsten sind:

Customization-Konzept

Die Software muss angepasst werden. Hierfür kann man verschiedene Strategien verfolgen. Das Konzept der Multi-Tenant SaaS-Lösung von Commercetools sieht bspw. vor, dass Anpassungen im Kern möglichst vermieden werden. Die Individualisierung des Kunden wird in Microservices ausgelagert und in einer Cloud-Infrastruktur vom Kunden selbst gehostet und betrieben. Das kann dazu führen, dass beispielsweise bei einer geringen Änderung am Warenkorb der gesamte Prozess gebaut und selbst verwaltet werden muss. Vor allem durch Keep Current und Continuous Delivery können sich hier Probleme ergeben.

Continuous Delivery

Unter Continuous Delivery versteht man das automatische Update der Software durch den Hersteller, bspw. über Gradle. Für den SaaS-Kern der Software ist dieser Prozess effizient. Probleme ergeben sich bei Customizations. Nach aktuellem Trend werden diese in Microservices ausgelagert, was auch vernünftig ist. Das führt aber zu Problemen, wenn Microservices nicht mehr kompatibel sind. Dies klingt unwahrscheinlich, kann aber schnell auftreten, vor allem, wenn verschiedene Microservices durch Dritte betrieben werden.

Keep Current

Für Softwarehersteller und Kunden ist es das effizienteste, wenn die eingesetzte Software beim Kunden auf der aktuellen Version ist (Keep Current). Software Legacy und Migrationsprojekte sind für alle Beteiligten ineffiziente Kostenfresser. Bestes Beispiel ist das Re-Platforming von Magento V1 auf V2, was nicht nur bei Magento ein völlig eigenes Projekt darstellt. Keep Current wird dann problematisch, wenn mehr als eine Partei im Spiel ist. Spielt der Hersteller ein Update ein, müssen alle ausgelagerten Customizations kompatibel sein. Je mehr ausgelagert wird, desto problematischer.

Die Kosten einer SaaS-Lösung

Bei SaaS-Modellen werden im Grunde drei Bestandteile zu einem Paket geschnürt: das Produkt, der Betrieb der Software und Services. Die größten Kostenvorteile können im Betrieb und bei Services erzielt werden. Software muss auf physischen Systemen installiert und betrieben werden. Dies kann in einer Private Cloud wie Azure oder AWS erfolgen oder in einer Public Cloud, wobei hier der Datenhoheit die Skalierungsvorteile geopfert werden.

 

 

In Bild 3 werden gängige Serverlastszenarien dargestellt. Um Lastszenarien abzufangen, müssen Serverkapazitäten vorgehalten werden. Hier werden die Vorteile von Cloud Computing bei Platform-as-a-Service deutlich. Allerdings werden diese Kostenvorteile nicht automatisch auch bei SaaS-Modellen erreicht.

Wie in Grafik 1 zu sehen, verantwortet das Unternehmen bei PaaS die laufenden Anwendungen. Bei SaaS obliegt dies auch dem Hersteller. Die hier erzielten Kostenvorteile in Form von Updates realisieren sich nicht in jedem Anwendungsvorteil. Wie bereits weiter oben ausgeführt, sind SaaS-Modelle bei standardisierten Produkten am effizientesten. Die Höhe des Standardisierungsgrads ist jedoch stark vom Anwendungsfall abhängig.

Je näher sich die Anwendung an den Kernprozessen des Unternehmens – zum Beispiel E-Commerce – orientiert, desto stärker ist die Individualisierung. Neben den oben geschilderten Problemen stellt sich die Frage, wo der Kostenvorteil im Produktbereich bei SaaS liegt. Im Grunde bestehen sie aus Updates. Da der Kunde wenig Einfluss auf die Produktentwicklung hat, ist ein großer Teil der hierunter subsumieren Kosten für ihn unsicher, da er nicht weiß, was er kauft. Ausgenommen sind Security Issues und Hot Fixes. Allerdings werden diese auch bei On-Premise- / Lizenzmodellen eingespielt.

Alles SaaS, alles gut?

Es kommt drauf an. Bei einem hohen Standardisierungsgrad, wie im Human-Resource-Bereich, können Unternehmen die Kostenvorteile von SaaS voll realisieren. Muss die Software angepasst werden, gehen Kostenvorteile verloren. Hier muss vom Software-Hersteller ein wasserdichtes und für den Kunden tragfähiges Customization-Konzept vorliegen. Je stärker die Software individualisiert wird, desto sinnvoll ist ein PaaS-Konzept bzw. Managed Server mit Software-Lizenz. Denn hier können die Kostenvorteile einer Public Cloud mit den langfristig günstigeren Lizenzkosten kombiniert werden. Ein TCO-Kostenvergleich zwischen den unterschiedlichen Modellen kann hier vorgenommen werden.

Unter dem Pseudonym Marian Haller analysiert unser Gastautor vor allem Shopsysteme und –technologien. Dies ist auch sein berufliches Hauptbetätigungsfeld im E-Commerce. Er gilt als ausgesprochener Experte auf diesem Gebiet.

Hier gibt es alle Beiträge von Marian Haller zum Nachlesen.

Bildquelle: Good-Stock @ bigstock

 

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