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Exklusive plentymarkets-Auswertung aus 182 Mio. Bestellungen: Warenkörbe bleiben stabil

empty shopping basket with bar chart stats going down, concept of negative market trends

In letzter Zeit wird in der E-Commerce-Branche viel über das Logistik-Problem diskutiert. Die steigenden Preise der Versanddienstleister in Kombination mit immer ungeduldigeren Konsumenten, die immer weniger Produkte pro Bestellung ordern, könnten langfristig zum Kollaps führen, meinen Experten. Eine exklusive plentymarkets-Auswertung im Auftrag von shopanbieter.de zeigt aber: Zumindest die Sache mit den sinkenden Warenkörben gilt nicht für alle Händler.

Kürzlich machte der Logistik-Experte Oliver Lucas von ecom consulting in einem lesenswerten Blogbeitrag auf ein Problem aufmerksam, das Händler im Zuge der aktuellen Diskussion um steigende Logistik-Kosten aufmerken lassen sollte: Immer mehr Bestellungen enthielten immer weniger Positionen, warnt Lucas – und das treibt die Logistik-Kosten für Online-Händler in die Höhe. Der Grund liege im versandkostenfreien Versand, der Kunden dazu anstifte immer häufiger Einzelbestellungen aufzugeben – ohne dass dadurch ihr Jahresgesamtumsatz steigt.

Zu welchem Dilemma das führt, erklärt Lucas anhand einer einfachen Rechnung:

„Nehmen wir an, ein Unternehmen verschickt pro Monat eine Million Sendungen mit drei Artikeln pro Versand. Damit dreht das Unternehmen mit einer Million Transaktionen drei Millionen Stück. Bei einer Retourenquote von 50 Prozent kommen 500.000 Pakete mit 1,5 Millionen Artikeln wieder zurück. Jetzt verändert sich der Markt dahingehend, dass der Händler nicht mehr eine Million Sendungen mit drei Artikeln pro Paket verschickt, sondern 1,5 Millionen Pakete mit zwei Artikeln. Der Umsatz bleibt in diesem Beispiel gleich, doch die Zahl der Aufträge steigt um 50 Prozent. Weil in der Logistik der Aufwand durch Transaktionen verursacht wird, bedeutet das mehr Bedarf an Packplätzen, höhere Arbeitskosten, 50 Prozent mehr Verpackung, 50 Prozent mehr Frachtkosten und auch 50 Prozent mehr Systemlast für die IT.“

Als Beweis für die Existenz des von ihm skizzierten Problems verweist Lucas auf die Geschäftszahlen von Zalando, in denen der durchschnittliche Warenkorbwert ausgewiesen wird:

III. Quartal 2014 64,40 €
III. Quartal 2015 63,00 €
III. Quartal 2016 63,00 €
III. Quartal 2017 62,00 €
III. Quartal 2018 57,50 €

 

Da zeigt die Kurve recht eindeutig nach unten, vor allem im letzten Quartal. Zusätzlich hat das IFH Köln Anfang des Jahres die durchschnittliche Warenkorbgröße von Amazon (also die Anzahl der Positionen pro Bestellung) über mehrere Jahre verglichen – und auch hier geht der Trend eindeutig zu immer weniger Produkten pro Paket, und damit im Umkehrschluss zu immer mehr Paketen und damit explodierenden Logistikkosten.

2004 1,76 Artikel pro Bestellung
2009 1,59 Artikel pro Bestellung
2013 1,43 Artikel pro Bestellung
2017 1,33 Artikel pro Bestellung

 

Hat Lucas also Recht? Erzieht der E-Commerce durch zu viel Kundenfreundlichkeit im Versand seine Kunden tatsächlich zu gedankenlosen Spontanbestellern und verschafft sich dadurch selbst einen Logistik-Kollaps?

Exklusiv-Auswertung: 189,12 Millionen Bestellungen von plentymarkets-Händlern unter der Lupe

Wir haben bei unserem Partner plentymarkets nachgefragt. Der Shopsystem-Anbieter hat daraufhin 189,12 Millionen Bestellungen, die bei plentymarkets-Händlern in knapp drei Jahren getätigt wurden, für uns ausgewertet und den durchschnittlichen Warenkorbwert sowie die durchschnittliche Anzahl der Positionen pro Bestellung ausgerechnet. Das Ergebnis ist überraschend:

Wie hier gut zu erkennen ist, können plentymarkets-Händler, die auf Amazon verkaufen, zwar bestätigen, dass der durchschnittliche Amazon-Kunde meistens nur einen Artikel in den Warenkorb legt, bevor er auf „Bestellen“ klickt – aber von sinkenden Warenkorbgrößen ist zumindest im Zeitraum zwischen Anfang 2016 und Ende 2018 nichts zu sehen. Ähnlich sieht es bei den plentymarkets-Händlern aus, die auf ebay verkaufen:

Auch hier sind Warenkorbgröße und Warenkorbwert in den letzten 20 Monaten weitgehend stabil. Interessanterweise liegt hier der Durchschnittswert für die Positionen pro versendeter Bestellung etwas höher als bei Amazon. Zu den Gründen kann man nur raten; entweder funktioniert das Cross-Selling auf ebay besser als bei Amazon – oder ebay-Händler versenden nicht so häufig versandkostenfrei wie Amazon-Händler. Auch die durchschnittlichen Warenkorbgrößen bei den untersuchten ebay-Transaktionen liegen deutlich (ca. 25%) über den Amazon-Werten.

Auch den Absatzkanal real.de hat plentymarkets für uns untersucht; und in diesem Chart ist – vermutlich aufgrund der geringeren Menge an untersuchten Transaktionen und dem Fakt, das Real in den letzten Jahren massiv an seinem Bekanntheitsgrad gearbeitet hat – die meiste Bewegung drin:

Interessant ist hier die Korrelation von steigenden Warenkorb-Werten und sinkenden Warenkorbgrößen – auch der durchschnittliche Warenkorb-Wert, der deutlich höher liegt als bei ebay und Amazon, sollte Händlern einen zweiten Blick wert sein. Eventuell geht auf Real.de doch mehr als bisher viele Händler annehmen? In jedem Fall deckt sich jedenfalls auch dieses Chart nicht mit Oliver Lucas‘ Einschätzung, dass das Schreckgespenst Einzelbestellung auf dem Vormarsch ist.

Aber vielleicht führen die plentymarkets-Händler diesen Kampf ja nicht auf den Marktplätzen, sondern in ihren eigenen Webshops? Auch dazu hat uns plentymarkets eine Grafik erstellt, die allerdings mit Vorsicht zu genießen ist: Der Shopsystem-Hersteller unterscheidet hier nämlich nicht zwischen B2C- und B2B-Shops – und Geschäftskunden bestellen im Schnitt deutlich mehr Positionen und natürlich im Allgemeinen auch teurere Artikel als Privatkunden. Um uns hier etwas mehr der vermutlichen Realität anzunähern, hat plentymarkets für das folgende Chart deshalb nur Aufträge mit weniger als 20 Artikeln berücksichtigt, um ungewöhnliche Aufträge aus der Statistik zu entfernen. Es handelt sich aber dennoch nur um eine Annäherung:

Auch wenn die einzelnen Durchschnittswerte aufgrund der Vermischung von B2B und B2C schwierig sind, ist dennoch die Verlaufskurve interessant: Denn auch blieben Warenkorbgröße und Warenkorbwert weitgehend stabil. Die Zahl der Einzelpositionen ging im letzten halben Jahr kaum merklich zurück.

Fazit: Mit den Zahlen der plentymarkets-Händler, die sich (alle Händler zusammen) umsatzseitig einigermaßen nahe auf dem Zalando-Niveau bewegen, lässt sich Oliver Lucas‘ These vom Problembär Einzelbestellung nicht stützen.

Bildquelle: faithiecannoise @ bigstockphoto

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