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In Bed with Amazon: Was Apples Amazon-Deal für die Zukunft von Re-Sellern bedeutet

Wer seit Anfang November auf Amazon.de nach „iphone“ sucht, bekommt viel mehr Produkte zu sehen als zuvor. Und es gibt einen neuen Verkäufer: Apple. Die wertvollste Marke der Welt hat einen Direktdeal mit Amazon abgeschlossen und verkauft jetzt seine Bestseller, darunter auch das neueste iPhone XS, direkt an den größten Online-Händler der Welt. Apple-Jünger freuen sich – aber viele Amazon-Seller schauen in die Röhre. Wie meistens, wenn sich eine große Marke nach jahrelangem Zieren doch mit Amazon ins Bett legt.

Schon vor dem 9. November dieses Jahres gab es Apple-Produkte auf Amazon – obwohl Apple bisher eine Kooperation mit dem Marktplatz ablehnte und seinen Handelspartnern ein Verkaufsverbot für den Marktplatz aufbrummte. Trotzdem fanden sich auf dem Portal Beats-Kopfhörer, wiederaufbereitete oder gebrauchte iPhones und iPads und jede Menge Zubehör. Sie fanden ihren Weg auf den eigentlich verbotenen Marktplatz genauso wie Birkenstock-Sandalen oder Deuter-Rucksäcke – über Dritthändler, die die Ablehnung der großen Hersteller gegen über dem weltgrößten Online-Marktplatz für ihr Geschäft nutzen.

Jetzt, nach dem Deal der beiden großen A‘s,  werden Apple-Produkte direkt von Amazon vertrieben – und das bedeutet, Dritthändler werden in Zukunft keine Apple-Produkte mehr auf dem Marktplatz verkaufen dürfen, wie aus einer E-Mail hervorgeht, die Apple-Verkäufer von Amazon erhalten haben:

„Als Teil der neuen Vereinbarung mit Apple arbeiten wir mit einer ausgewählten Gruppe an autorisierten Resellern daran, eine erweiterte Auswahl an Apple- und Beats-Produkten, darunter auch Neuheiten, auf Amazon anzubieten. Sie erhalten diese Nachricht, weil Sie bisher Apple- oder Beats-Produkte auf Amazon verkauft haben. Ihre bisherigen Angebote dieser Produkte werden bald aus dem Amazon-Store entfernt.“

 

 

Der Apple-Amazon-Deal illustriere das Ende einer Ära, argumentiert Joe Kaziukenas, Gründer des Marktplatz-Analyse-Portals Marktplace Pulse in seinem aktuellen Blog-Artikel „Amazon’s Apple Moment“. Über eine Dekade lang umging Amazon die Markenhersteller mit seinem Marktplatz. Denn wenn sie nicht direkt an Amazon verkauften, landeten ihre Produkte früher oder später ja doch auf der Plattform, weil kleinere Händler sie dort listeten. Häufig verschleierten diese Händler ihr Engagement auf Amazon, um einer Vertriebsbeschränkung durch die Hersteller zu entgehen, zum Beispiel in dem sie pro forma stationäre Läden eröffneten.

Doch seit einiger Zeit kapieren die großen Markenhersteller, welche Bedeutung Amazon für ihre Kunden hat – und versuchen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die erste Strategie lautete: Vertriebseinschränkungen: Nur ausgewählten Händlern wurde der Vertrieb der Produkte auf Marktplätzen erlaubt. Viele Händler, deren Sortimente von einem Tag auf den anderen gelöscht werden, weil ihr Hersteller eine Vertriebsbeschränkung mit Amazon geschlossen hat, können von dieser Methode ein Liedchen singen.

Im zweiten Schritt versuchten sich die Marken selbst als Händler – und mussten feststellen, dass der Direktvertrieb an den Endkunden nicht so einfach ist. Doch statt einer Rückbesinnung auf die Händler als Mittelsmann zwischen Marke und Käufer folgte der dritte Schritt – jener, den Nike letztes Jahr und Apple Anfang November gegangen sind: der Direktverkauf der Produkte an Amazon selbst.

„Für die meisten Marken ist es schädlich, Amazon zu ignorieren – vor allem für große Marken wie Apple“, so Joe Kaziukenas. „Käufer suchen nach Apple-Produkte auf Amazon und Apple kann sie nicht daran hindern. Wenn sie Amazon ignorieren, enttäuschen sie damit ihre Käufer – und da Amazon über die Hälfte aller Shopping-Suchen auf sich vereint, ist das eine zu große Menge an enttäuschten Käufern.“

Der Deal, den Apple jetzt mit Amazon geschlossen hat, wird dem iPhone-Konzern zwar nicht die gewünschte Vertriebskontrolle geben, wird sich aber dennoch massiv auf den Marktplatz auswirken. Denn wenn Apple selbst sein iPhone XS zum Fixpreis von 999 US-Dollar auf Amazon anbietet – wozu braucht es dann noch dutzende Amazon-Reseller, die das gleiche Smartphone zum gleichen Preis auch noch auf Amazon verkaufen?

Ähnlich lief es vor gut einem Jahr mit Nike: Der Sporthersteller schloss einen Direktdeal mit Amazon, um Produktfälschungen auf dem Marktplatz entgegenzutreten und ihre Präsenz auf der Plattform zu stärken. Hunderte Nike-Reseller verloren im gleichen Schritt die Verkaufserlaubnis für ihre Produkte. Ein US-amerikanischer Händler beschrieb die Auswirkungen des Deals auf sein Geschäft gegenüber dem Wall Street Journal folgendermaßen:

„Ich verdiene mein Geld so: Amazon ist der Nummer 1-Marktplatz, Nike ist die Nummer 1-Marke. Wenn sie nicht miteinander in einem Bett liegen, ist das meine Chance.“

Diese Chance ist seit letztem Jahr dahin. Re-Seller müssen sich darüber im Klaren sein, dass der Amazon-Marktplatz sie vielleicht in der letzten Dekade erfolgreich gemacht hat – aber dass dasselbe nicht für die nächste Dekade gelten muss. „Die Zukunft von Amazon liegt in Marken, die sich entweder direkt auf der Plattform präsentieren, direkt an Amazon verkaufen oder ihre Produkte von einer Amazon-Agentur managen“, so Kaziukenas. „Re-Seller haben in diesem Zukunftsszenario immer weniger Platz.“

Was bleibt Händlern also, wenn ihre Existenz als Reseller auf Amazon zunehmend in Gefahr gerät? Ein Weg führt über den Wandel vom reinen Händler zum Private Label-Hersteller, wie ihn beispielsweise meine UdZ-Mentee Julia Ritter von desiary.combeschreitet. Neben dem Vertrieb von Innendekor-Produkten anderer Hersteller hat sie letztes Jahr mit der Gestaltung ihrer Eigenmarke Adorist begonnen – die sich mittlerweile zu einem ihrer Umsatz-Zugpferde entwickelt hat.

„Früher dachte ich immer, meine eigenen Produktideen entwickle ich dann, wenn das Geschäft ansonsten so gut läuft, dass mir langweilig wird“, erinnert sich Julia. „Aber durch UdZ ist mir klar geworden: Eigenmarken sind eine echte Überlebensstrategie für kleinere Händler.“

Julias Beispiel ist kein Einzelfall. Tatsächlich bin ich mittlerweile davon überzeugt, dass Amazon sich als „Brutkasten für Private Labels“sehr eignet – vorausgesetzt, man geht an die Konzeption der Eigenmarke mit unternehmerischem Kalkül heran und berechnet möglichst genau, welche Produkte sich für eine Eigenmarke lohnen und welche nicht.

Mehr zu diesem Thema lesen Sie übrigens auch in Ausgabe 5 unseres shopanbieter-to-go-Magazins

Bildquelle: Oligliya

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