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Magento-Community fühlt sich durch neue Enterprise-Version ausgenutzt

Varien betreibt mit Magento nach eigenen Angaben seit einem Jahr die derzeit am schnellsten wachsende Open-Source-E-Commerce-Plattform im Markt. Zusätzlich zur Community-Version wurde am 15. April 2009 das kostenpflichtige Magento Enterprise mit zusätzlichen Funktionen und Services eingeführt. Nutzer des ohne Lizenzkosten zur Verfügung gestellten Systems fürchten nun, dass dessen Entwicklung im Sande verlaufen wird. Mehr noch, die Community fühlt sich als kostenloses Versuchskaninchen ausgenutzt.

Allerdings richtet sich die neue Shop-Software mit Preisen ab $ 8.900 pro Jahr und Server vor allem an größere Unternehmen. Varien legt großen Wert auf die Betonung der unterschiedlichen Zielgruppen und beteuert die Bedeutung der Community. Was sich langfristig ändern wird und ob die Versprechen bezüglich der Open-Source-Edition eingehalten werden, ist bislang noch nicht abzusehen. Unklar ist auch, wie sich das neue Partner-Modell auf die Support-Situation auswirken wird.

Auf Magentocommerce.com betont Varien-CEO Roy Rubin, dass die Community-Version weiterhin unterstützt werde und unterstreicht das Bekenntnis seines Unternehmens zu Open Source. Er bedankt sich so herzlich bei allen Mitgliedern, die zur Weiterentwicklung beigetragen haben, dass zumindest klar wird, dass Varien sich des ausgelösten Unmuts voll bewusst ist. In einem Interview sagt Rubin gegenüber dem t3n Magazin: „Wir wollen die Community-Edition genauso aggressiv wie bisher weiterentwickeln und pflegen. Sie ist ein zentraler Teil unserer Strategie und wichtig für unseren Erfolg.“

Im US-amerikanischen Forum bringt er sich sogar direkt in die Diskussion ein und antwortet den aufgebrachten Nutzern, dass es Varien in erster Linie darum gehe, die beste Open-Source-E-Commerce-Software auf dem Markt zu entwickeln. Der gesicherte finanzielle Erfolg, den sein Unternehmen mit der neuen Version anstrebe, werde sich nur zum Vorteil der Community auswirken.

Davon ist diese allerdings momentan nicht überzeugt. Ärger und Verunsicherung hinsichtlich der Zukunft spiegeln sich in den Forums-Beiträgen wider: „Erst wird angefüttert und dann Kasse gemacht… Mein Tipp: Die machen die Firma innerhalb von 2-3 Jahren fit für die ‚Hochzeit’ und dann gehört Magento zu Ebay, Google, Amazon o.ä.“ Allerdings gibt es auch positivere Gegenstimmen, die davon ausgehen, dass die Open-Source-Edition weiterhin von den Beiträgen der Community leben und dass das Know-how dort und nicht in der Enterprise-Version voll zur Geltung kommen wird.

Es wird für die Entwickler jedoch in Zukunft wahrscheinlich einen bitteren Beigeschmack haben, dass ihre Beiträge eben auch kommerziell von Varien genutzt werden können. Amerikanische Community-Mitglieder sehen Magento sogar in eine absolute Gegenrichtung zum Open-Source-Gedanken umschwenken.

Der internationale Magento-Community-Manager Koby Oz beschreibt die Enterprise-Edition lediglich als eine Alternative für sein Unternehmen. Sein deutsches Pendant, Rico Neitzel, betont ebenfalls, dass sich die neue Version ausschließlich an eine neue Zielgruppe wende, die mindestens mehrere Millionen US-Dollar im Jahr erwirtschafte. Die zusätzlichen Funktionen seien für kleinere Shops nachgerade überflüssig und Magento profitiere ja nicht nur von der Community-Arbeit, sondern die Community auch von einem besseren Magento. Zudem sei selbst eine eventuelle Einstellung von Weiterentwicklungen der lizenzkostenfreien Edition nicht dramatisch – schließlich könne man die bislang veröffentlichte Software ja weiterhin nutzen und eigenständig verbessern.

Techdivision-Geschäftsführer Josef Willkommer ist der Meinung, dass sich Varien mit der neuen Version konsequent weiter in die Richtung der größeren Shops mit umfangreicheren Anforderungen entwickle. Er schreibt in seinem Blog: „Die aufgerufenen Features werden sicherlich für zusätzliche Nachfrage sorgen, wenngleich sich das Pricing-Modell noch bewähren muss.“ Wohin Varien auch mit der Neuerung genau möchte und wie sich die Enterprise-Version auch im Markt etablieren wird, das Gefühl, ausgenutzt worden zu sein, wird in der Community erst einmal bestehen bleiben.

„Hunderttausende Betatester haben sich der Community-Edition angenommen und diese auf Herz und Nieren getestet. Jetzt übernimmt man diese Tests, packt alles in die Enterprise-Edition und die normalen User dürfen sich mit halbfertigen Extensions herumschlagen“, drückt Andreas Isaak seine Frustration aus. Angesichts solcher Enttäuschung frage man sich, ob es bei Magento um eine Software für den kommerziellen Einsatz geht oder ob Koby Oz vielleicht damit Recht haben könnte, dass er sie als „Love Affair“ bezeichnet.

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