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Amazon FBA-Business: Verkäufer händeringend gesucht

Wer sich mit dem Gedanken trägt, sein Amazon-Geschäft zu verkaufen, trifft aktuell auf so viele Kaufinteressenten wie selten zuvor. Nach dem Vorbild des US-amerikanischen Unicorns Thrasio haben sich auch hierzulande mehrere Aufkäufer formiert, die offensiv nach FBA-Geschäftsmodellen für den Ankauf suchen. Treibt soviel Nachfragen jetzt die Preise nach oben? Nur bedingt.

Mit Slogans wie „Gib deinem FBA-Business ein neues Zuhause“, „Verkaufen Sie Ihr Amazon FBA-Business“, oder „Du könntest über Nacht zum Millionär werden“, buhlen Aufkäufer derzeit um verkaufswillige Amazon-Händler. Keine Frage: Die Übernahme von FBA-Businessmodellen ist aktuell der ganz heiße Scheiß der Branche. Auch unsere Verkaufsbörse hat bereits mehrere Anfragen von Investoren bekommen, die Kontakt zu verkaufswilligen Amazon-Händlern suchen. Und mehrere Amazon-Händler berichten uns auch von mehreren direkten Verkaufsanfragen pro Monat. Woher kommt diese neue Ankäufer-Flut? Und ist aktuell wirklich, wie viele der neuen Aufkäufer anpreisen, der beste Zeitpunkt, um das eigene Amazon-Geschäft zu versilbern?

Das Vorbild heißt Thrasio

Die Idee des massenhaften Aufkaufens von kleineren FBA-Geschäften ist nicht neu; erfunden hat sie das US-Unternehmen Thrasio. Erst 2018 gegründet wird das Startup aus Boston heute bereits mit über einer Milliarde US-Dollar bewertet. Den Raketenaufstieg zum Unicorn hat Thrashio seiner aggressiven Unternehmenspolitik zu verdanken: Thrasio kauft Businesses auf – und zwar so einfach und schnell, dass innerhalb von nur anderthalb Jahren 43 Amazon-Händler an Thrasio verkaufen konnten. Das sind mehr als 2 Geschäftsübernahmen pro Monat. Einzelne Deals werden innerhalb von 45 Tagen abgeschlossen, die gekauften Marken von Thrasio weitergeführt. Welches Produkt aufgekauft wird, interessiert das Unternehmen dabei weniger; es zählen gute Rankings und eine hohe Anzahl an positiven Bewertungen. 

Mit diesem einfachen System hat Thrasio laut den Gründern von Tag 1 an profitabel gewirtschaftet und in den letzten 12 Monaten einen Gewinn von 35 Millionen US-Dollar vor Steuern erzielt. Das weckt natürlich Begehrlichkeiten, auch in Europa. Und so wachsen gerade deutsche Thrasio-Klone wie Pilze aus dem Boden.

Diese Aufkäufer sind zwar von Thrasios Erfolgsgeschichte inspiriert, unterscheiden sich aber in Erfahrung, Hintergrund und Zielsetzung. „Da gibt es einmal große und bereits etablierte Amazon-Händler, die durch Zukäufe weiter wachsen wollen“, sagt Andreas Lux von der Marcedo Shopservice GmbH, der zusammen mit shopanbieter.de bereits über 50 E-Commerce-Unternehmen verkaufen konnte. „Dann gibt es aber auch gute, kleinere, Amazon-Händler, die wissen wie man erfolgreich bei Amazon verkauft und sich nun das Thrasio-Geschäftsmodell zum Vorbild nehmen. Und dann gibt es noch einzelne Unternehmer und Teams, die Erfahrung damit haben, skalierbare Unternehmen aufzubauen und weiterzuentwickeln, aber nicht unbedingt im Amazon-Geschäft etabliert sind. Die sehen im Amazon-Aufkauf ein ganz eigenes Geschäftsmodell.“

Die ideale Braut: sagenhaft reich und umwerfend schön 

Die Aufkäufer sind allerdings nur die eine Seite des Thrasio-Trends. Doch welche Unternehmen rücken eigentlich in ihren Fokus? Bei Thrasio ist das Beuteschema ziemlich klar: Gesucht werden kleine Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 1 bis 5 Millionen US-Dollar, spannenden Markenprodukten, die ihre Kunden überzeugen, die aber auf Amazon noch klares Entwicklungspotenzial haben, sei es durch die Optimierung von Logistikprozessen, Synergieeffekte im Marketing oder Verschlankung bei der Unternehmensorganisation. Thrasio sucht also vor allem nach Potenzial – und nimmt dabei auch in Kauf, dass das eine oder andere der Dutzenden Unternehmen, die sie pro Jahr kaufen, dieses Potenzial nicht einlösen kann. 

In Europa ist das Suchschema etwas anders. Auch hier werden vor allem Händler mit hoch interessanten Eigenmarken, gutem Branding und guten Bewertungen gesucht – doch im Gegensatz zum Thrasio-Vorbild sollen die Verkäufer hierzulande ihr Unternehmenspotenzial auf Amazon bereits bewiesen haben. „Die Aufkäufer suchen nach Jahresumsätzen zwischen 1 und 3 Millionen Euro bei guten Profitabilitätsraten – EBIT-Raten von 15 Prozent vom Umsatz sind hier nicht selten Teil des Suchschemas – und einem etablierten Amazon-Geschäft mit vielen positiven Bewertungen, bei denen aber dennoch Optimierungspotenzial, z.B. in den Prozessen oder beim Einkauf, erkennbar ist“, sagt Andreas Lux. „Das schränkt das Feld der potenziell interessanten Verkäufer natürlich schon deutlich ein.“ 

Legt man beispielsweise aktuelle Zahlen von Marketplace Pulse als ungefähre Maßgabe für den deutschen Markt an und geht davon aus, dass es rund 250.000 Amazon-Händler in Deutschland gibt und von diesen nur etwa 0,7 Prozent mehr als 1 Million Euro Jahresumsatz macht, gibt es hierzulande wohl nur wenige Tausend Amazon-Händler, die überhaupt von der Größe her ins Beuteschema der Aufkäufer passen. Und nicht alle von diesen Händlern führen Eigenmarken. Und noch viel weniger erreichen einen EBIT von 15 Prozent. Und von diesen wenigen gut etablierten Unternehmen wollen ja bei weitem nicht alle verkaufen. 

Mehr Nachfrage als Angebot = bessere Preise?

Im freien Markt orientiert sich der Preis für ein Produkt an der Nachfrage. Können Verkäufer von gut etablierten, interessanten FBA-Businesses also aktuell mit besonders hohen Verkaufspreisen rechnen – einfach weil sie von so vielen Interessenten umworben werden? „Ja und nein“, meint Andreas Lux. „Ich hatte in den letzten Wochen Kontakt zu allein 10 Teams, die Amazon-Businesses aufkaufen wollen und dabei alle ungefähr auf die gleichen Unternehmen abzielen. Natürlich kann es bei soviel Konkurrenz zu einem Hauen und Stechen um die besten zum Verkauf stehenden Unternehmen kommen. Andererseits: Den Aufkäufern geht es ja vor allem darum, das versteckte Potenzial der Aufkäufe zu heben und dadurch mit der Akquisition Gewinne zu erzielen. Zu hohe Kaufpreise sind da natürlich hinderlich.“

Die Basis des angesetzten Kaufpreises bei FBA-Aufkauf ist in der Regel der EBIT. Thrasio zahlt beispielsweise in der Regel das etwa 1,7 – 2,2-fache des letzten Jahres-EBITS. In absoluten Ausnahmefällen wird für absolute Perlen auch mal das 4-fache des Jahres-EBITS gelöhnt. „Hierzulande ist ein Multiple von circa 2 EBITs der Standard für den Verkaufspreise“, sagt Lux. „Das ist tatsächlich gar nicht soviel.“

[Anm.d. Red.: Leider gibt es in der Branche nach wie vor keine einheitlichen Standards zu finanzwirtschaftlichen Kennzahlen. Nicht einmal unter dem gängigen Begriff EBIT verstehen alle Marktteilnehmer dasselbe. So sprechen wir beim EBIT richtigerweise von echten Gewinn vor Steuern (nach Abzug aller Kosten und Abschreibungen). Unserer Beobachtung nach bewerten einige der erwähnten Aufkäufer den Unternehmenserfolg aber nur mit der Formel: Umsatz minus Wareneinsatz minus Amazonkosten – Gemeinkosten werden in ihrer Rechnung nicht berücksichtigt. Andere beziehen in ihre EBIT-Rechnung nur die Personalkosten mit ein. Unklar ist bei der Berechnung auch, ob oder in welcher Höhe ein fairer Unternehmerlohn in der Bewertung berücksichtigt wird. Viele Händler zahlen sich kein monatliches Gehalt aus, sondern leben von Privatentnahmen. Letztlich gibt es bei der Unternehmensbewertung kein richtig oder falsch. Jedoch wird ein Multiple-Vergleich zwischen den Aufkäufern dadurch schwer bis unmöglich. ]

Um für das Gespräch mit dem Ankäufer gut gerüstet zu sein, sollten sich Händler deshalb vorher informieren, wie ihr Geschäft zu bewerten ist – und mit welchen guten Verkaufsargumenten sie in der Verhandlung mit den Aufkäufern den Preis vielleicht noch nach oben ziehen können. Eine erste Orientierungshilfe bietet dabei zum Beispiel unser kostenloses Amazon-Bewertungstool.

Eine Auswertung unserer bisher bereits knapp 1.200 Onlineshop- und Amazonbewertungen aus den letzten zwei Jahren zeigt auf den ersten Blick: Unsere Unternehmensbewertungen liegen über der 2*EBIT-Faustregel, die die großen Aufkäufer aktuell gerne anwenden. 

EBIT- und Umsatz-Multiples im E-Commerce

Da wir bei unseren kostenlosen Bewertungen jedoch nur wenige Daten abfragen, kann es sich bei den Schätzwerten naturgemäß lediglich um Anhaltspunkte handeln. Diese sind bei Kauf- oder Verkaufsinteresse im Detail zu prüfen. In der Detailbetrachtung stellen wir durchaus noch gewisse Abschläge auf unsere Schätzwerte fest – was aber wegen vorher unbekannter Unwägbarkeiten und Risiken auch nicht anders zu erwarten ist. Dennoch hat sich in der Praxis herausgestellt, dass unsere Schätzwerte erstaunlich valide bzw. belastbar sind.

Warum die Multiples für Onlineshop deutlich höher, als für Amazon Businesses sind, wird Thema für einen weiteren Artikel sein. 

Der Verkauf an die skizzierten Aufkäufer mag also schnell und unkompliziert von statten gehen und schnell Geld aufs Konto des Verkäufers spülen – den besten Preis erzielt man hier aber vermutlich nicht unbedingt. Denn gesucht wird vor allem die umwerfend schöne und sagenhaft reiche Braut, die idealerweise noch angenehm naiv ist und nicht so genau weiß, was sie tatsächlich wert ist. 

Wenn Sie über den Verkauf Ihres Amazon- oder Online-Businesses nachdenken, möchte ich Ihnen zum Schluss noch unser unser nächstes kostenloses Online-Webinar ans Herz legen:  Am Freitag, den 13. November 2020 sprechen wir über das Thema: Was ist mein Onlinegeschäft wert und was muss ich bei einem Verkauf beachten?

Und natürlich können Sie auch – Achtung, Werbung in eigener Sache – mit uns unverbindlich Kontakt aufnehmen und sich zum Verkauf beraten lassen. Die Vergangenheit zeigt, dass wir unsere Erfolgsprovision für die komplette Verkaufsabwicklung oft schon durch höhere Verkaufspreise quasi selbst verdienten. Und die Händler hatten dennoch so gut wie nichts mit dem eigentlichen Unternehmensverkauf zu tun. 

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