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The Death of Wholesale – Das Ende eines Geschäftsmodells?

Im Markt herrscht das düstere Szenario: Der Handel sieht seinem Ende entgegen. Klassische Grundfunktionen erodieren und werden von anderen übernommen, Plattformen drücken Margen und avancieren zum direkten Einstiegsort für den Einkauf. Hinzu verändern sich die Erwartungshaltungen der Einkäufer radikal. Hat der Handel alles verschlafen?

Grundfunktionen des Handels

Handel, in seiner konservativen Form, dient als Mittelsmann zwischen Hersteller und Kunde. Die klassischen Funktionen sind im Gabler Wirtschaftslexikon aufgeführt.

 

 

Der Unterschied zwischen B2B und B2C liegt hierbei auf Prozess- und Produktebene. Durch die technologischen Umwälzungen verändern sich diese Anforderungen nicht grundlegend. Im Gegenteil, sie differenzieren sich eher aus. Produkte und Zahlungsmittel werden bspw. vielschichtiger und komplexer. On Demand Mass Customization oder Kryptowährungen sind hier nur ein Beispiel. Interessant ist, dass neue Akteure aus der Plattformökonomie einige Bereiche der oben genannten Beziehungen besetzen und sich hier spezialisieren. Kassenzone hat dies einmal aufgearbeitet.

 

 

Grabträger des traditionellen Handels

Das konservative Modell eines Großhändlers ist unter anderem durch zwei Entwicklungen betroffen: Plattformen, wie oben dargestellt, übernehmen weite Teile seiner Grundfunktionen, wobei besonders bedeutend der Informationsstrom ist. Ein großer Teil der Informationen wird nicht mehr allein durch den Händler verwaltet, sondern durch Plattformen, wie Google oder Amazon. Dies wird auch durch neue Verhaltensmuster der Einkäufer (B2B und B2C) unterstützt, die mit digitalen Medien aufgewachsen sind.

Die Substituierung der Grundfunktionen erfolgt letztlich, weil Plattformen bzw. andere Anbieter diese Funktionen besser erfüllen können als bisher. Google kann wesentlich besser Informationen bereitstellen als jede Produktbroschüre, ein Katalog oder Anruf. Marktplätze können Sortimente besser bündeln. Und in beiden Fällen erreichen sie eine wesentlich höhere Convenience als bisher.

 

Die zweite Entwicklung betrifft das veränderte Verhalten der Einkäufer. Diese werden in ihrem privaten Leben mit neuen Medien sozialisiert und übertragen diese Erwartungshaltung und die Methoden in Ihr berufliches Leben. Damit einher geht eine wesentlich komplexere Buyer Journey.

Wird der “Man in the middle” verschwinden?

In seiner traditionellen Form wird er wohl schwerlich erhalten bleiben, er wird ersetzt und konsolidiert durch einige wenige Plattformen. Besteht der Hauptzweck des Händlers in der Bereitstellung von Präsentationsflächen für Commodity-Produkte, so hat er kaum Argumente, die für ihn sprechen.

Interessant ist, dass Marktplätze die Eigenheiten von Onlineshops auf ein neues Level heben. Die Sortimentsbreite und Preistransparenz sind für Kunden nahe am ökonomischen Ideal. Darüber hinaus sind die relativen Kosten für Plattformen verschwindend gering. Kapitalbindung durch Warenbestand liegt beispielsweise nicht vor. Sicherlich entfällt die Produktmarge. Allerdings wird diese durch die Kommission abgefangen und die Preistransparenz. Produkte sind bei Amazon bspw. immer auf einer Seite. Dadurch gewinnt langfristig der günstigste Preis. Das drückt die Margen irgendwann auf die Gestehungskosten herunter. Offen bleibt die Frage, ob sich langfristig Marken dagegen wehren können.

Eigenmarken als Rettung?

Eigenmarken werden vom Handel gerne als Trumpf aus dem Ärmel gezogen, um dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen. Die Logik: Wenn der Hersteller zum Händler wird, dann wird der Händler zum Hersteller. Kurzfristig mag dieser Zug Zeit verschaffen, aber er krankt im Kern. Eigenmarken werden zu großen Teilen von OEM-Lieferanten als Whitelabel-Lösungen bereitgestellt. Der Händler kümmert sich um Layout, Design, Verpackung usw., aber die Wertschöpfung durch den Händler ist gering. Dadurch finden sich Eigenmarken oft im unteren Preissegment wieder und versuchen, sich durch Preisdifferenzierung ein USP zu erarbeiten.

Gerade die Preisdifferenzierung ist im Kontext einer Plattformökonomie gefährlich, da hier langfristig die Marge nahe Null liegen wird. Technologisch begründete Alleinstellungsmerkmale können über Eigenmarken nur selten erlangt werden, da die Wertschöpfungskette nicht beim Händler, sondern beim OEM-Lieferanten liegt.

Entwicklungsperspektiven für traditionelle Geschäftsmodelle

Technologie ist ein wichtiges Stichwort in der Gesamtbetrachtung. In vielen Fällen (Kundenportale, E-Commerce-Funktionalitäten usw.) ist sie ein Hygienefaktor und hilft Ihnen die Kosten pro Kontakt zu senken und die grundlegenden Erwartungshaltungen zu erfüllen. Sie darf aber nicht zum Selbstzweck werden. Heißt: Nur weil Sie technologisch aufrüsten, dürfen sie nicht erwarten, dass es sie errettet. Sie müssen an das Geschäftsmodell heran.

Wie können sich Händler differenzieren? Derzeit halte ich zwei Perspektiven für relevant:

Services. Durch die steigende Komplexität von Produkten können sie margenträchtige Dienstleistungen rund um das Portfolio anbieten. Services sind schlechter zu vergleichen und erlauben Kunden langfristig zu binden.

Komplexität. Commodity-Produkte sollten nicht im Fokus der Aufmerksamkeit liegen. Marktplätze sind besonders für Produkte mit hoher Vergleichbarkeit geeignet. Je komplexer und vielschichtiger ein Produkt, desto eher können Sie Funktionen wahrnehmen (Navigation, Explainer, Consulting), die ein Marktplatz nicht bietet.

Es geht nicht darum Amazon Business zu bekämpfen, das können Sie sowieso nicht. Profitieren Sie stattdessen lieber von den Vorteilen der Plattformen – Sie sind nicht grundlos groß geworden – und verändern Sie sich.

Unter dem Pseudonym Marian Haller analysiert unser Gastautor vor allem Shopsysteme und –technologien. Dies ist auch sein berufliches Hauptbetätigungsfeld im E-Commerce. Er gilt als ausgesprochener Experte auf diesem Gebiet.

Hier gibt es alle Beiträge von Marian Haller zum Nachlesen.

Beitragsbild von Studio Porto Sambia @ bigstockphoto

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