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Unterschiede in B2B und B2C. Es kommt auf das Einkaufen an.

B2B and B2C words in white and red colors on the red and white reflective background. 3d illustration.

Im ersten Teil des Artikels hatten wir uns kurz mit den generellen Unterschieden zwischen B2B- und B2C-Einkaufsprozessen beschäftigt. Die zwei wichtigsten Unterschiede sind dabei, dass es im B2B fast immer Gruppenentscheidungen sind und die Motivation zwischen beiden Gruppen völlig anders gelagert ist. B2C-Onlineshops fokussieren die Umsatzmaximierung, wohingegen B2B-Shops die Prozesseffizienz maximieren. Professionelles Einkaufen ist kein Schaufensterbummel, sondern durchgeplante Arbeit. Das Ziel eines B2B-Onlineshops ist es, die Produktivität der Einkäufer zu erhöhen. Seine Funktionen müssen die Arbeit der Einkäufer leichter, schneller, transparenter und kosteneffizienter gestalten.

Die Königsdisziplin für die Steigerung der Prozesseffizienz ist die Produktkonfiguration. Im B2B-Kontext hängen Produkte oft voneinander ab. Eine bestimmte Markisenvariante kann auf einem bestimmten Untergrund nur mit bestimmten Halterungen befestigt werden. Diese Halter können dann ebenfalls nur mit bestimmten Schrauben befestigt werden usw. Für die Auswahl der richtigen Produktkombinationen ist Wissen notwendig. Dieses Wissen kann in eine Produktkonfiguration ausgelagert werden.

Im B2B geht es letztlich um eine andere Art des Einkaufens. Um dies besser zu beleuchten, will ich folgend auf die wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Gruppen eingehen.

Einzelne vs. standardisierte Einkäufe

Obwohl B2C-Händler sich um Bestandskunden bemühen, die mehrere Besuche machen und zu Markenbotschaftern werden, sind diese Kunden nur ein kleiner Prozentsatz ihres Geschäfts. Die meisten ihrer Verkäufe stammen von unterschiedlichen Besuchern. Im Gegensatz dazu, fokussieren B2B-Unternehmen Kunden, mit denen sie eine lange Kundenbeziehung aufbauen können. Ursächlich hierfür sind unter anderem Qualitäts-, Mengen- und Lieferstabilität. Wenn bspw. ZF keine Achsgetriebe in ausreichender Zahl und Qualität liefert, dann stehen bei BMW die Montagebänder still und pro Tag entstehend so Ausfallkosten in Millionenhöhe.

Außerdem ist das Zusammenspiel unterschiedlicher Kanäle im B2B komplexer, da Außendienst, Service, Callcenter und Printkatalogeals Teil des Prozesses hinzukommen. IbI Research hat in der aktuellen Untersuchung „Onlinekaufverhalten im B2B-E-Commerce“ die Verteilung der Kanäle zusammengestellt:

Gängige Funktionen, um wiederkehrende standardisierte Einkaufsprozesse zu unterstützen, sind bspw. vorgefertigte Suchresultate anhand bereits gekaufter Produkte, Merklisten oder artikelnummerbasierte Formulare für Schnellbestellungen, Punch-out-Verfahren oder Upload von XML-/CSV-Dateien. Zwar nehmen aktuell die Umsätze über Onlineshoplösungen stark zu, aber standardisierte Austauschprozesse beanspruchen einen hohen Anteil des gesamten Umsatzes.

 

 

Kleine vs. große Bestellmengen

Die Bestellmengen sind im B2C wesentlich kleiner. Im ersten Teil der Serie hatte ich bereits ausgeführt, dass der durchschnittliche Warenkorb im B2C $147 und $491 im B2B beträgt. Das ist soweit klar. Was ergibt sich jedoch daraus?  Da wesentlich mehr Produkte im Warenkorb liegen und diese mit unterschiedlichsten Preisregeln versehen sind, wird eine leistungsstarke Pricing Engine benötigt, ansonsten benötigt der Browser zu lange für die Berechnung. Problematisch wird es, wenn die Preise aus dem ERP kommen und nicht entsprechend vorbereitet werden. Dann leidet oft die Performance im Check-out, da das ERP nicht auf Performance ausgelegt ist.

Allgemeine vs. spezifische Produktkataloge

B2C-Kunden steht meist das gesamte Sortiment zur Verfügung. Im B2B gibt es speziell zugeschnittene Kataloge für unterschiedliche Kundengruppen. Dies kann bis hin zu kundenspezifischen Katalogen führen. Daher benötigten B2B-E-Commerce-Systeme leistungsfähige Produktkatalogfunktionalitäten, die bspw. Bulk Editing unterstützen.

Kurzlebige vs. langlebige Kundenbeziehungen

Im B2B liegt der Fokus auf den Aufbau und dem Management langfristiger Kundenbeziehungen. Das bezieht sich auf beide Seiten. Akquise von Kunden und Evaluation von Lieferanten sind im B2B kostenintensive Prozesse. Dadurch steigt der Wert der Kundenbeziehung enorm. Im B2C liegt die Conversion Rate zwischen 2 und 3%, im B2B hingegen bei ca. 10%. Um das zu unterstützen, werden viele Servicefunktionalitäten benötigt, mit dem der Einkäufer sich selbst führen kann. Hierzu zählen bspw. Vertragsmanagement, Rollen-, Budget- und Rechteverwaltung für Buying Centers. Auf der Verkäuferseite kommen häufig CRM-Lösungen zum Einsatz, die nahtlos mit der E-Commerce-Software kommunizieren müssen, um bspw. Verkaufszyklen effektiv abbilden können.

Einfache vs. komplexe Logistik

Der Fall ist im B2C sehr überschaubar. Im einfachsten Fall gibt es eine Lieferadresse, die von einem Lager aus beliefert wird. Etwas komplexer ist es, wenn ein zweites Lager beansprucht werden muss. Im Standard wird aber immer dieselbe Lieferanschrift verwendet und man kann den Prozess sehr schlank halten. Im B2B wird es komplexer. Oft sind Liefer- und Rechnungsanschrift voneinander getrennt. Bereits im Einkaufsprozess müssen verschiedene Lieferanschriften eingebucht werden. Ebenso gibt es wesentlich komplexere Logistikprozesse, bspw. Lieferrampen, Liefertore, Kühlketten, Gefahrengüter oder mehrere Lager (Order Splitting). Sie alle müssen basierend auf verschiedenen Konditionen etwas anderes liefern. Wenn mehrere Händler sich in das B2B-Portal eines Unternehmens integrieren, kann dies schnell zu unübersichtlich werden, sodass ein eigenes Order Management System benötigt wird.

Artikel auf Lager vs. genaue Bestandsübersicht

Beim B2C-Einkauf reicht an sich die Auskunft, ob ein Produkt verfügbar ist oder nicht. Falls nein, wechselt der Einkäufer den Shop und sucht weiter. Ebenso reicht auch eine grobe Auskunft über das Lieferdatum aus. Im B2B muss mehr geleistet werden. Einkäufer beziehen oft große Mengen. Daher benötigen sie genaue Auskünfte über vorhandene Stückzahlen. Wesentlich wichtiger sind jedoch eine präzise Angabe des Lieferdatums und Möglichkeiten, die Lieferung zu verfolgen. Oft handelt es sich um Zwischenprodukte oder Rohstoffe, die in den Produktionsprozess einfließen müssen.

Einfache vs. komplexe Produkte bzw. Solution Selling

Produkte im B2B sind mitunter erklärungsbedürftig und weisen viele Varianten auf. Damit hat man wesentlich höhere und komplexere Produktattribute. Hinzu kommen interne Vorgaben für die Einkäufer, die sich in den Produktinformationen widerspiegeln müssen. Ein Beispiel, um den Prozess für Einkäufer zu vereinfachen, sind Explosionsgrafiken für Ersatz- und Verschleißteile. Durch die Grafiken lassen sich die benötigten Teile wesentlich einfacher finden.

 

 

Im Bild 3 sieht man eine Explosionsgrafik, die es Einkäufern erleichtert, die benötigten Teile zu identifizieren. Bild 4 verdeutlicht diesen Prozess im KFZ-Ersatzteilhandel über die Marken-/Modellauswahl. Durch die hohen Anforderungen wird meist ein leistungsfähiges Produktinformationsmanagement benötigt.

 

 

Im Gegenteil zum B2C erfordert B2B in späteren Verkaufszyklus eine ausführliche Beratung durch geschultes Personal. Dadurch entwickelt sich ein komplexes Szenario: Der Einkäufer hat mehrere Personen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und der Verkäufer unterschiedliche Personen. Alle involvierten Parteien benötigten einen einheitlichen Wissensstand über ein Produkt und die zugehörigen Informationen im Verkaufsprozess. Das erfordert in vielen Fällen ein Tool, das weit über Self-Service-Portale vom Typ “Mein Konto” eines B2C-E-Commerce-Systems hinausgeht.

 

Eine weitere Anforderung ergibt sich durch die komplexen Verkaufsprozesse. Durch die vielen beteiligten Personen auf beiden Seiten sind viele Backend-Schnittstellen notwendig. CRM, ERP und Callcenter müssen verbunden werden, damit jede Person alle notwendigen Informationen jederzeit zur Verfügung hat. Daher hat B2B höhere Integrationsanforderungen als B2C.

 

Fixe vs. kundenspezifische Preise und Verhandlungen

Im B2C gibt es typischerweise einen Preis für alle Kunden. Ausnahmen bilden zielgruppenspezifische Werbungen. Im B2B-Bereich sind vielschichtige Konstellationen zwischen Verkäufern und Käufern möglich. Meist haben Unternehmen eine hohe Verhandlungsmacht, da die Umsätze um ein vielfaches größer sind als im B2C. Daraus ergeben sich individuelle Preislisten. Manchmal sogar 1-zu-1-Preislistenmit unterschiedlichen Produktkatalogen. Es gibt Preisverhandlungen und Vertragsmanagement über Mindestabnahmemengen in definierten Zeiträumen sowie Preisstaffelungen. Daraus ergeben sich komplexe Preisstrukturen, was eine leistungsfähige Price Engine erfordert, um im Check-out keinen Zusammenbruch zu erleben. Viele B2C-Systeme können dies nicht leisten.

Welche Einflussfaktoren kann es auf Preise geben?

Bezieht man die Variationen auf einige hundert Artikel, kommt es schnell zu mehreren tausenden, verschiedenen Preisen. Diese komplexen Modelle führen oft zu Differenzen zwischen den Preisen im ERP und im Shop. Da die Preise jedoch oft vertraglich festgelegt sind, kann es schnell zu Ärger mit Kunden kommen. Ein weiteres Beispiel sind Preisverhandlungen. Eine leistungsfähige B2B-E-Commerce-Software muss diese abbilden können.

 

 

Navigation vs. Suchfunktion

Innerhalb des B2B-Shops sind die Produkte sehr vielfältig und teils unüberschaubar. Es gibt wesentlich mehr Attribute, Varianten und Produktkombinationen. Dabei ist B2B ist von Natur aus sehr inhaltslastig. B2B-Kunden arbeiten vorwiegend mit Artikelnummern, während B2C-Einkäufer eher über Kategorien, Produktnamen und Marken suchen. Da im B2B-Kontext die Suchfunktion in 7 von 10 Fällen das Einstiegstor in die Seite darstellt, wird eine leistungsfähige Suchfunktion benötigt, die neben Autokorrektur, Autovervollständigung und Facettenfunktion auch Semantik beherrscht. Dies ist notwendig, weil die generellen Suchschemata im B2B-Bereich nicht nur einfache Stichworte umfassen, sondern lösungsorientiert sind. Beispielsweise wird im Handwerkerbereich nach „Kaputter Holzrahmen“ oder „Kratzer im Lack“ gesucht.

 

Einzelne Käufer vs. Gruppen

Der B2C-Einkäufer ist eine einzelne Person. Im B2B haben wir es oft mit Buying Centers zu tun. Einkäufer haben verschiedene Rollen. Es gibt Vorschriften, Genehmigungsprozesse und Regulierungen. Als Anforderungen ergeben sich unter anderem mehrfache Log-ins für ein Unternehmen, unterschiedliche Rollen, Kostenstellen, Freigabeprozesse oder Budgetverwaltungen.

 

 

Zusammenfassung

B2B- und B2C-Einkaufsprozesse unterschieden sich stark voneinander. Zwar teilen beide Gruppen die Anforderung an Convenience, Performance und Usability aber der Teufel steckt im Detail. Professionelles Einkaufen benötigt effiziente Systeme, um ihre Arbeit effektiver gestalten zu können. Die Tätigkeiten und Prozesse im Backend des Ver- und Einkäufers sind komplex und hochspezialisiert. Diese Anforderungen muss ein B2B-E-Commerce-System erfüllen. Das betrifft funktionale und technische Aspekte. Durch die veränderten Prozesse entstehen bspw. völlig andere Performance- und Lastszenarien für die Pricing Engine.

Ebenso muss das System eine sehr ausgereifte Suchfunktion bereitstellen. Eine reine Volltextsuche würde den B2B-Einkäufer mehr schlecht als recht dienen und ihn nur frustriert die Seite verlassen. Gerade im B2B-Kontext werden headless B2B-E-Commerce-Systeme immer wichtiger, da sie über standardisierte API die notwendige Konnektivität zu Drittsystemen gewährleisten. Diese Konnektivität wird auch durch die komplexe Customer Journey einer B2B-Einkäufergruppe gefordert, die wesentlich mehr Kontaktpunkte und Informationsbedürfnisse besitzt als B2C-Einkäufer.

Hier geht es zum ersten Teil des Artikels

 

Unter dem Pseudonym Marian Haller analysiert unser Gastautor vor allem Shopsysteme und –technologien. Dies ist auch sein berufliches Hauptbetätigungsfeld im E-Commerce. Er gilt als ausgesprochener Experte auf diesem Gebiet.

Hier gibt es alle Beiträge von Marian Haller zum Nachlesen.

 

Bildquelle: DariaRen @ bigstockphoto

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