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Branche in Aufruhr

Im Markt der Pure Player wird es aufgrund extrem niedriger Margen zur Konsolidierung und zum Shake out kommen. 90 % der heute am Markt aktiven Pure Player werden nicht überleben“, so eine These von ECC Köln und Mücke, Sturm & Company. Schuld sei eine viel zu hohe Dichte an Konkurrenz. Ohne Kanalexcellenz und klaren USP sei ein Überleben schwierig. Da tröstet es den gemeinen Online-Händler nicht, dass deren Einschätzung nach auch 70 % der traditionellen Händler sich entweder völlig neu erfinden müssen oder verschwinden werden. Diese Aussagen hatten in der Branche kurzzeitig für einiges an Aufmerksamkeit gesorgt und werden seitdem gerne als Beleg für die kommende Marktbereinigung genutzt.

Zugegeben, als ich diese Aussage das erste Mal las, schwankte ich zwischen Überraschung und Ungläubigkeit. Da diese Aussage zwischenzeitlich des Öfteren von anderen Fachpublikationen aufgegriffen wurde, hatte ich seitdem Gelegenheit, diese noch öfter zu lesen. Nur die Ungläubigkeit, die blieb. Wie konnte das von mir seit vielen Jahren geschätzte ECC Köln zu so einem Ergebnis kommen? Geht man davon aus, dass es in Deutschland insgesamt mehr als 400.000 Online-Anbieter gibt, bedeutet dies doch nicht weniger, als dass mehr als 350.000 Online-Händler zusperren werden können.

Und doch haben sie Recht

Setzt man sich jedoch mit den gesamten Schlussfolgerungen des ECC Köln auseinander, wird man feststellen, dass sie im Kern doch richtig liegen. Sagen sie doch letztlich nichts anderes, was schon lange klar ist und auch von uns bereits seit Jahren proklamiert wird. Online-Händler ohne klare Positionierung, am besten mit Alleinstellungsmerkmal, erwischt die Marktbereinigung am härtesten. Reine Kistenschieber, die nur Ware einkaufen und verkaufen, werden so gut wie keine Überlebenschance haben.

Über die hohe Zahl der Todgeweihten von 350.000 bzw. 90% aller Pure Player mag man streiten können. Schließlich gibt es sogar unter den Dropshippern ohne eigenes Lager einige, welche die Klaviatur des Online-Handels so gut beherrschen, dass sich diese dank stark automatisierter Prozesse und einer hohen E-Commerce-Kompetenz mit ihrem „Arbitrage-Geschäft“ behaupten können.

Aber ansonsten haben das ECC Köln und Mücke, Sturm & Company absolut Recht, wenn sie sagen: „Es werden sich nur diejenigen Konzepte durchsetzen, die Kernkompetenzen optimieren, ein klares Leistungsversprechen gegenüber dem Kunden abgeben und dies auch dauerhaft erfüllen können. Verluste werden nur zum Teil durch neue Konzepte kompensiert. Es ist zu erwarten, dass in den meisten Branchen nur Platz für zwei große Player ist, im Zweifelsfall für Amazon + 1. Zudem werden kleinere Nischenanbieter ihren Platz finden.

Big Player, Marken und Emporkömmlinge verdrängen den Markt

Bereits jetzt wird angenommen, dass alleine über Amazon und eBay rund zwei Drittel des Online-Handels laufen. Bei eBay kommt dies wenigstens noch vollumfänglich den angeschlossenen Händlern zugute. Bei Amazon fließt der größte Teil des Umsatzes jedoch direkt an Amazon und nur geschätzte 30 % kommen den Amazon Marketplace-Händlern zugute. Schaut man sich jedoch Amazons Wachstumszahlen an, stellt man fest, dass diese den Wettbewerb von Jahr zu Jahr weiter zurücklassen.

Und wer nicht von den Big Playern im E-Commerce, von Amazon über Otto zu Zalando, verdrängt wird, den erwischen die immer häufiger direkt vertreibenden Markenhersteller und ausländische Wettbewerber, die zunehmend auf den heimischen Markt drängen. 

So resümiert Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer der IFH Institut für Handelsforschung GmbH (IFH Köln): „Das Internet erhöht den Anteil der markenorientierten Zielkäufer. Marken schaffen Vertrauen, bieten Orientierung und Sicherheit. Sie erlauben es, einen Kaufprozess effizient zu gestalten. Klare Gewinner dieser Entwicklung sind Hersteller und Händler mit starken Marken. Seit Jahren wachsen die Online-Shops der Hersteller deutlich schneller als der Online-Handel insgesamt. So zeigt eine Untersuchung des IFH Köln, dass der Online-Handel insgesamt zwischen 2008 und 2013 um den Faktor 2,5 gewachsen ist, während die Shops der Hersteller fast eine Vervierfachung erzielen. Dieser Trend wird sich unweigerlich fortsetzen. Gerade für Hersteller mit starken Marken ist es ein Leichtes, Produkte online am Handel vorbei anzubieten.“

Wer da noch übrigbleibt, wird von den mit Venture Capital oder Media Equity aufgeblähten Startups überfahren. Diese kennen nur ein Ziel: Category-Killer werden, egal was es kostet. Wenn es nicht klappt, wird halt wieder zugesperrt und der nächste Shop aufgemacht.

Jede Gefahr birgt auch eine Chance

Dass es für den Einzelnen nicht zwingend so kommen muss, zeigt schon die Vergangenheit. Handel bedeutete schon immer auch Wandel. Und wer, wenn nicht der Online-Händler, muss sich seit Beginn an auf sich ständig ändernde Rahmenbedingungen einstellen? Seien es rechtliche Änderungen, ständig wechselnde und steigende Herausforderungen bei der Technik bzw. den eingesetzten Softwares oder veränderten Wettbewerbs- und Marktbedingungen.

Nur, dass der notwendige Wandel diesmal weit tiefer gehen muss, als „nur“ die Software zu wechseln. Das gesamte Geschäftsmodell, ja das gesamte Unternehmen und die eigene Denkweise muss auf den Kopf gestellt werden.

Wem es gelingt, seine klare Positionierung im Markt zu finden, seine Prozesse zu professionalisieren, gleichzeitig sehr flexibel auf den Markt zu reagieren und sich nicht scheut, in Ideen zu investieren, der hat weiterhin beste Chancen zu bestehen.

Denn Chancen gibt es im Internet nach wie vor täglich neue. Seien es neue Online-Vertriebsplattformen, wie bepado oder die Möglichkeit mit sog. Popup-Stores stationäre Konzepte auszuprobieren. Es wird noch viel passieren – online genauso wie stationär.

Klar ist nur, die Zeit des Wildwuchses ist vorbei, die sog. „Couch-Händler“, die Nebenbei-Shopbetreiber werden es schwer haben. Und auch weitermachen wie bisher wird nicht mehr gehen.

Es gilt, immer beweglich, immer am Ball zu bleiben und sich voll auf sein Geschäft zu konzentrieren.

Dieser Artikel ist der Leitartikel aus unserem Online-Händlermagazin „shopanbieter to go“. Erfahrene Praktiker befassen sich hier auf sehr praxisnahe Weise mit aktuellen Themen verschiedener Aspekte des Online-Handels auch abseits des Mainstreams. Klare Handlungsempfehlungen und sofort umsetzbare Praxistipps bieten Online-Händlern und E-Commerce Managern Denkanstöße für ihr Tagesgeschäft, sowie die strategische Unternehmenssteuerung.

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shopanbieter to go wird von shopanbieter.de, dem Portal für den Internethandel, mit den Partnern plentymarkets GmbH und Shopware AG, sowie dem Medienpartner Händlerbund veröffentlicht und erscheint alle zwei Monate als kostenloses PDF-Magazin. Das Magazin steht unter https://www.shopanbieter.de/to-go/ausgaben/aktuell.php als PDF-Version zum Download zur Verfügung.

Inhaltsverzeichnis

Das Top-Thema der ersten Ausgabe lautet: Im Spannungsfeld zwischen Amazon, Top1000-Shops und Emporkömmlingen – Wie sich Online-Händler gegen die übermächtige Konkurrenz positionieren können.

 

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