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Zahlengetrieben zum Erfolg: Wie erfolgreiche junge E-Commerce-Gründer arbeiten

Junge D2C-Unternehmen wie Purelei, Snocks, Gitti oder Superstreusel haben den E-Commerce im letzten Jahr kräftig aufgemischt. Sie setzen auf Social Media Marketing, wissen genau, wer bei ihnen einkauft – und sind kühle Rechenkünstler, wenn es um die Analyse ihrer KPIs geht. Damit unterscheiden sie sich klar von früheren Gründertypen – und haben Erfolg.

Viele Gründer-Stories von erfolgreichen jungen E-Commerce-Unternehmen hören sich so ähnlich an wie die von Alisa Jahnke. Die Endzwanzigerin mit dem Faible für Hawaii hat nach ihrem Studium 2016 eine eigene von der Trauminsel inspirierte Schmucklinie kreiert, via Instagram beworben und über einen eigenen Shopify-Shop verkauft – und so Purelei gegründet. Nach einem langsameren Start geht das Unternehmen seit 2018 so richtig durch die Decke. Heute beschäftigt Jahnke 100 Mitarbeiter, erzielt 8-stellige Jahresumsätze und hat mit Purelei über 450.000 Instagram-Abonnenten.

Fragt man Jahnke nach dem Geheimnis ihres Erfolgs, erzählt zunächst von Testballons auf Instagram: „Wir haben mit Produkten im niedrigeren Preissegment angefangen, um unsere Kunden erstmal kennenzulernen und direkt reichweitenstarke Influencerinnen angeschrieben, die für unsere Zielgruppe – zwischen Anfang 20 und Mitte 30, Social-Media-affin und Mode-begeistert – relevant waren“, berichtete Jahnke beispielsweise auf dem letzten Multichannel Day der Internet World. „Um den Erfolg dieser Influencer-Kampagnen zu messen, haben wir Rabatt-Codes eingesetzt.“ Mittlerweile ist der Instagram-Account von Purelei selbst mit über 450.000 Abonnenten ein relevanter Influencer. Auch auf TikTok versucht sich das Unternehmen derzeit. Für die Betreuung des Accounts hat sich Jahnke extra junge Mitarbeiter geholt – denn mit ihren knapp 30 sei sie für TikTok ja schon zu alt.

Erfolg und Misserfolg, egal ob beim Social Media Marketing oder beim Verkauf im eigenen Shop, misst Purelei ganz genau. Das Unternehmen weiß, wer die eigenen Kunden genau sind und was ihnen gefällt, welche Instagram-Posts welchen Umsatz-Anstieg auslösen, welchen Effekt ein veränderter Hintergrund in einem Produktbild auf die Conversion hat. Auch das Sortiment richtet sich nach solchen Daten: Neue Produkte werden in kleineren Mengen eingeführt, was sich gut verkauft, darf im Shop bleiben, was schlecht ankommt, wird rausgeworfen. Gleiches gilt für das Social Media Marketing: Purelei postet viel, probiert und verwirft viel – dokumentiert aber den Effekt jeder Maßnahme in messbaren Zahlen.

Jung, Social-Media-affin, zahlengetrieben

Jahnke und Purelei stehen exemplarisch für einen neuen Gründertypus, der seit einigen Jahren den E-Commerce aufmischt: Jung, ehrgeizig, zielorientiert und zahlengetrieben. Im Gegensatz zu den E-Commerce-Gründern der ersten Generation – die mit der klassischen Pakete-aus-dem-eigenen-Wohnzimmer-und-der-Rest-findet-sich-schon-Attitüde – starten diese neuen Gründer meistens mit einem Business Plan – und einer klaren Vorstellung über die eigenen Stärken und Stolpersteine.

So wie Jenni Baum-Minkus, die bei der letzten Staffel von „Die Höhle der Löwen“ ihren nachhaltigen Nagellack Gitti präsentierte. Ihr war noch vor der Unternehmensgründung klar, dass der Erfolg ihres Produkts mit dem Bekanntheitsgrad stehen und fallen würde. Also startete sie einen Instagram-Kanal und erzählte über die Unternehmensgründung – was dem Gitti-Kanal über 50.000 Instagram-Abonnenten und über 1.000 Newsletter-Abonnenten einbrachte, bevor das erste Produkt überhaupt auf den Markt kam. Die Folge: Die erste Kollektion des Nagellacks war in 2 Stunden ausverkauft. 

Eine ähnliche Geschichte erzählen auch Katharina Decker und Daniela Sichting, die Gründerinnen von Super Streusel. Das junge Start-up realisiert hohe sechsstellige Jahresumsätze mit Back-Dekorationen. Auch sie setzen vornehmlich auf Instagram, um Kunden für ihre Produkte zu gewinnen – und haben eine klare Vertriebsstuktur. Nicht jeder soll Super Streusel verkaufen – das volle Sortiment gibt es nur im eigenen D2C-Shop, zusätzlich findet man Teile des Sortiments auf Amazon, bei Edeka und in 200 kleineren Ladengeschäften. Bei den Verhandlungen mit Vertriebspartnern nutzen Decker und Sichting das tiefe Kundenverständnis, dass sie über ihre Social-Media-Kanäle und über den eigenen Online-Shop gewonnen haben. Auch die Super Streusel-Gründerinnen hören bei der Produktentwicklung sehr auf ihre Community, nutzen ihre Reichweite aber auch, um selbst Verkaufsreize zu setzen. So soll in diesem Jahr eine neue Produktkategorie auf den Markt kommen – Zuckermasse in Flaschen – und neue Streusel-Mixe zu Halloween, Ostern oder zum Valentinstag sollen den Umsatz-Peak zu Weihnachten um weitere Verkaufs-Hochzeiten ergänzen. 

Social Media funktioniert nicht nur für bildstarke Produkte

Die jungen Gründerinnen von Purelei, Gitti und Super Streusel gehen alle auf die gleiche Weise vor: Sie haben eine Produktidee, entwickeln dann sehr methodisch mit Hilfe von Social-Media-Kanälen aus der Zielgruppe eine Community und erweitern dann schrittweise mit der Reichweite ihr Sortiment. Der D2C-Verkauf im eigenen Shop ist zwar das langfristige Ziel, doch der erste Schritt liegt im Markenaufbau durch Story Telling. 

Nun könnte man argumentieren, dass Schmuck, Nagellack oder Back-Deko sich für einen Start in der bunten Glitzer-Welt der Social-Media-Kanäle auch besonders eignen. Doch der nüchterne Blick auf die eigenen Produkte kombiniert mit einer klaren Strategie und absoluter Kundenfokussierung ist nicht nur das Erfolgsrezept für besonders bildstarke Produkte.

Das beweist unter anderem der Erfolg von Snocks. Das vor gerade mal vier Jahren gegründete Unternehmen erzielt mittlerweile einen Umsatz von 10 Millionen Euro – vornehmlich mit schwarzen Socken und ohne externe Investoren. Die Gründer Johannes Kliesch und Felix Bauer fingen noch als Studenten an, Sneaker-Socken auf Amazon zu verkaufen. Schnell haben sie sich tief in die Mechanismen der Plattform eingearbeitet und brachten ihre Produkte in den Rankings nach oben. 

Doch Amazon war für Snocks nur der Anfang – mittlerweile setzt das Unternehmen 55 bis 60 Prozent seines Umsatzes über den eigenen Online-Shop um. Das gelang Snocks – natürlich – mit einer Social Media-Offensive. Facebook- und Instagram-Ads spülten 250.000 Kunden in den eigenen Online-Shop; und mittlerweile setzt das Unternehmen selbst auf Social Media, vor allem auf TikTok, um die Kunden bei der Stange zu halten. „Langfristig ist Storytelling die einzige Chance, um wenig spannende Produkte wie Socken zu emotionalisieren“, sagte Johannes Kliesch in einem OMR-Podcast. So will das Unternehmen „Top of Mind“ werden, wenn Kunden an Socken oder Boxershorts denken – damit die Kunden auch auf Amazon nicht mehr nach „Socken“, sondern nach „Snocks“ suchen.

Die jungen Gründer der neuesten Generation verbinden also den hemdsärmeligen Ansatz der E-Commerce-Gründer vor rund 20 Jahren mit dem KPI-getriebenen Ansatz, mit dem Gründer der zweiten Generation vor rund zehn Jahren versuchten, Venture Capital-Geber von ihren Unternehmen zu überzeugen. Doch im Gegensatz zu den tausendkinds und Lesaras dieser Epoche gehen Purelei oder Snocks viel realistischer an ihr Geschäft – und sind stolz darauf, profitabel oder zumindest auf Break-Even-Basis zu wachsen. Vor allem aber pflegen sie einen engen Kontakt zu ihrer Zielgruppe, um jederzeit zu überprüfen, ob ihre Produkte deren Nerv treffen. Herauskommen dabei Unternehmen, die in ihren Nischen eine beeindruckende Relevanz erreichen – und deren Weg man in den nächsten Jahren mit Spannung beobachten darf.

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