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Das war das Marktplatz-Jahr 2019 – plus 5 Marktplatz-Fragen für 2020

2019 ist vorüber – und das E-Commerce-Jahr hat einmal mehr gezeigt: Marktplätze und Plattformen bestimmen den Online-Handel. Grund genug für uns, das vergangene Jahr aus Sicht des Marktplatz-Geschäfts noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Was auf Marktplätzen im letzten Jahr alles los war und was für 2020 auf der Agenda steht, lesen Sie hier.

Die Neuigkeiten des Jahres

Ende letzten Jahres hat die europäische und deutsche Politik den E-Commerce als Thema entdeckt; und aus diesem neuen Interesse sind einige neue Regulierungs-Maßnahmen erwachsen. Die Wichtigste: Online-Marktplätze müssen von ihren Dritthändlern einen Nachweis für ihre umsatzsteuerliche Erfassung einholen. Das Gesetz zielt darauf ab, gegen massenhaften Umsatzsteuerbetrug von vor allem asiatischen Händlern vorzugehen.  Zum 1. Oktober lief die Frist ab. Die Marktplätze setzen das Gesetz tatsächlich mit ordentlicher Verve durch. Schon vor dem 1. Oktober gab es auf beispielsweise auf Amazon immer wieder massenhafte Sperrungen von Händleraccounts. Und auch ebay drohte, man werde zum 1. Oktober ausnahmslos jeden Verkäuferaccount sperren, der keine Bescheinigung vorgelegt hat. 

Im Sommer 2019 stellte das Bundeskartellamt stellt sein Missbrauchsverfahren gegen Amazon ein – weil sich der Online-Marktplatz zu interessanten Zugeständnissen bewegen ließ. Die Behörde erwirkte Verbesserungen und mehr Rechte für die Marktplatzpartner, berichtete die Internetworld. Seither diskutiert die Branche, was die Änderungen tatsächlich gebracht haben – und ob das Bundekartellamt zu schnell nachgegeben hat. 

Auch die Gerichte haben sich 2019 wieder ausführlich mit dem E-Commerce beschäftigt. Eines der interessantesten und für Marktplatz-Händler vielleicht weitreichendsten Urteile hat das Münchner Landgericht gefällt: Im Fall einer Klage des Urlaubsportals Holidaycheck gegen den Bewertungsverkäufer Fivestar Marketing erklärte es gekaufte Fake-Bewertungen für rechtswidrig. Fivestar muss diese Bewertungen nun entfernen und Holidaycheck Auskunft darüber geben, wer die Fake-Rezensionen verfasst hat. 

Real.de kämpft weiter mit dem Anspruch, den dritten Platz unter den deutschen Online-Marktplätzen zu halten. Ähnliche Schicksale einen das Unternehmen mit anderen Marktplätzen innerhalb Europas, die in ihren Märkten ebenfalls mit Amazon und ebay konkurrieren. Diese Gemeinsamkeit steckt hinter einer neuen Idee – dem International Marketplace Network, das Real.de zusammen mit anderen europäischen Marktplätzen wie eMag, Cdiscount und ePrice gegründet hat. Die Idee: Marktplatzhändler können sich auf ihrer heimischen Plattform anmelden und dann auch über das Netzwerk internationaler Anbieter verkaufen. 

Amazon machte 2019 zum Jahr der Logistik. Überall in Deutschland sprießten Logistik-Zentren in verschiedenen Größten wie Pilze aus dem Boden. Im Frühjahr setzte die Internetworld eine detaillierte Landkarte mit Amazons Logistik-Netzwerk auf, die laufend aktualisiert wurde. Die Karte zeigt: Das Amazon-Netz wird immer dichter. 

Aber auch für Amazon-Händler gab es eine Menge Neuheiten. Seit 1. Oktober ist beispielsweise der „Inventory Performance Index“ aktiv. Der Messwert erfasst Daten aus den Verkäufen, Lagerbeständen und Gebühren eines FBA-Kunden und misst auf diese Weise, wie gut er seinen ‚Versand durch Amazon‘-Lagerbestand auf allen europäischen Marketplace-Sites verwaltet. Wer zu lange hohe Bestände mit wenig Abverkäufen lagert, muss im Folgequartal mit verringerten Maximal-Lagerflächen rechnen. Mit dem „Project Zero“ und „Amazon Transparency“ geht Amazon endlich entschiedener gegen Produktpiraterie vor. Und eine spannende Änderung am Produktbewertungssystem in den USA könnte vielleicht nächstes Jahr auch in Deutschland für mehr Reviews in kürzerer Zeit sorgen: Statt ausführlichen „Reviews“ (Rezensionen) mit Überschrift, Text und Sternebewertung können Kunden jetzt ihre Meinung in „Ratings“ ausdrücken – und dafür nur 1 bis 5 Sterne vergeben, ohne Begründung. Jetzt schon in Deutschland in Kraft ist die Öffnung des Amazon’schen Produkttester-Clubs Vine für alle Verkäufer (nicht nur, wie bisher für Vendoren). Auch kleinere und kaum kommunizierte Änderungen wie der Lagerbestandsindex machen das Seller-Leben leichter

Händler, die ins Ausland expandieren wollen, setzen für den internationalen Verkauf meistens auf Amazon und eBay – das geht schließlich schnell und unkompliziert. Doch nicht in allen europäischen Ländern sind die großen Zwei genauso dominant wie in Deutschland – in einigen Märkten gibt es interessante lokale Player. Die Internetworld hat sich die Fleißarbeit gemacht, für die 20 größten europäischen Märkte die jeweils drei spannendsten Marktplätze aufzulisten. Da finden sich Namen wie Allegro.pl, Ricardo.ch oder CDiscount.fr – und die sind durchaus einen Blick wert. 

Der Aufreger des Jahres

Wo auch immer 2019 deutsche Online-Händler zusammentrafen, war ein gemeinsames Feindbild meist schnell gefunden: die Chinesen. Unfaire Konkurrenz aus China kostet deutsche Online-Händler nach Angaben des bevh allein bei Elektronikartikeln eine halbe Milliarde Euro Umsatz im Jahr. Die Hauptbaustellen seien die subventionierten Versandkosten für chinesische Händler aufgrund des Schwellenland-Status von China und das Thema Produktsicherheit. Dazu käme eine völlig andere Geschäftsmoral, fügte der Online-Händler und Sellerforum.de-Administrator Sebastian Feuster, Administrator von Sellerforum.de, in einem aufrüttelnden Text hinzu. Er habe sich testweise in die chinesische Seller-Szene eingeschleust und beobachtet, mit welchen Tricks chinesische Händler innerhalb kürzester Zeit ganze Geschäftsbereiche entern. Dabei würden in geheimen WhatsApp & Telegram-Gruppen, sowie Facebook-Gruppen seitenweise neue China-Prime-Produkte von deutschen Handelsagenten oder den Chinesen direkt via Fake-Accounts präsentiert und so massenhaft gefälschte Kundenbewertungen generiert. „Wenn das so weiterläuft, kann ein großer Teil der Kleinpreishändler, Private-Label- oder Noname-Handelswaren-Verkäufer in 1-2 Jahren seinen Onlinehandel dichtmachen!“, warnt der aufgebrachte Händler.

Das Gesicht des Jahres

Alibaba ist in diesem Jahr 20 Jahre alt geworden und sein Gründer, Jack Ma, nahm seinen 55. Geburtstag zum Anlass, um seinen Rückzug aus der Geschäftsführung anzukündigen. Dabei blieb sich der schillernde Unternehmensgründer treu und trat stilvoll in Rockstar-Manier ab. Er wird aber noch bis zum Ablauf seiner aktuellen Amtszeit 2020 Vorsitzender des Vorstands bleiben. Nachfolger an der Spitze des an der Börse mit 460 Milliarden Dollar bewerteten Unternehmens sind CEO Daniel Zhang (Bild) und Chief Financial Officer Maggie Wu. Alibabas zunehmende Europa-Ambitionen tragen bereits seine Handschrift.

Der Aufsteiger des Jahres

Wish gab sich 2019 auf Angriffskurs in Europa: Die Schnäppchen-App bezog in Amsterdam das zweite europäische Zentrallager. In der Schweiz experimentierte Wish mit Shop-in-Shop-Flächen für ausgewählte Gadgets. Und im Interview mit der Internetworld umwarb Daniela Engel, General Manager Europe bei Wish, unverhohlen deutsche Händler für den Verkauf auf der Plattform. Auch die Kooperation mit stationären Einzelhändlern unter dem Label Wish Local treibt der Marktplatz weiter voran. Daraus dürfte auch die jüngste Sortimentserweiterung erwachsen sein: Wish verkauft künftig nämlich auch Kosmetik, Reinigungsprodukte und Toilettenartikel.

Der Verlierer des Jahres

Ende 2018 sah es noch so aus, als würde ebay eine energiegeladene Aufholjagd auf die Nummer 1 der Marktplätze starten. Und tatsächlich brachte der Marktplatz-Dino ein paar spannende Neuerungen heraus, wie das lang erwartete Multi-Rabatt-Tool oder die Marketing-Tools „Terapeak“ und „Anzeigen“. Auch ebay Fulfillment ging mit spannenden Konditionen an den Start. Doch das Tempo der Neuerungen lässt weiter zu wünschen übrig; und ebays Akzeptanz beim Kunden ist weiter auf dem absteigenden Ast. Das Marktplatz-GMV sank während des ganzen Jahres (minus 4 Prozent im 1. Quartal, minus 4 Prozent im 2. Quartal, minus 5 Prozent im 3. Quartal). Im September zog der langjährige CEO Devin Wenig die Konsequenz und gab auf Twitter seinen Rücktritt bekannt. Als Interims-Chef führt seither ebay-Urgestein Scott Schenkel das Unternehmen. 

Neue Marktplätze…

…haben Douglas, H&M und Galeria Kaufhof eröffnet. Auch Shop-Apotheke und die Online-Apotheke Zur Rose planen Marktplätze.

Leider geschlossen…

…wurden GartenXXL und Plus.de. Die Konzernmutter Edeka, die beide Online-Shops aus der Konkursmasse der Tengelmann Group übernommen hatte, will ihre Online-Aktivitäten künftig offenbar auf das verbliebene Portal Netto-online.de konzentrieren

Was wir 2020 wissen wollen

  1. Ist der Amazon-Peak erreicht?

Amazon ist zwar weiterhin ein übermächtiger Player im E-Commerce-Markt, aber angesichts der nachlassenden Wachstumsdynamik überlegte Jochen Krisch vorsorglich, wer ein potenzieller Nachfolger sein könnte. Zu den heißesten Anwärtern zählen seiner Meinung nach AliExpress und Wish. Auch andere Branchenvertreter sehen Amazon auf dem Höhepunkt angekommen – von dem es bekanntlich nur abwärts gehen kann. Andere trauen dem E-Commerce-Riesen durchaus zu, sich noch länger erfolgreich gegen den Fall stemmen zu können. Sehen wir also 2020 schon die ersten Anzeichen einer Amazon-Dämmerung? Wir sind skeptisch. 

Egal, ob die Amazon-Dämmerung bereits einsetzt oder nicht: Amazon dürfte in jedem Fall noch für einige Jahr die Plattform Nummer eins für die meisten Händler und Hersteller bleiben. Aber wie sieht es dahinter aus? Über welche Plattformen können Händler ihre Kunden noch erreichen? Über ebay – falls der Marktplatz nicht an seinen eigenen Problemen erstickt (siehe unten)? Über Otto – falls der neue Chef die Marktplatz-Entwicklung endlich beschleunigen kann? Oder über Real.de – dessen Schicksal im Rahmen der Real-Zerschlagung weiter völlig offen ist?

War das Neuheiten-Feuerwerk, das ebay vor einem guten Jahr abbrannte, nur ein Buchfeuer? Ohne Frage: Der Marktplatz-Dino hat viele interessante Entwicklungen angestoßen, die viel versprechend waren – ganz oben auf der Liste steht sicher ebay Fulfillment – hat aber in diesem Jahr, wie so oft, die letzte Konsequenz und Energie bei der Umsetzung vermissen lassen. Unterm Strich stehen jetzt, den vielen guten Ideen zum Trotz, für 2019 vor allem miese Geschäftszahlen und – gefährlich – ein stetig sinkendes GMV. 2020 könnte deshalb zum Schicksalsjahr für ebay werden. 

Ein potenzieller Käufer für ebay stünde nämlich schon auf der Türschwelle. Zumindest wurde Alibaba als potenzieller Übernahme-Interessent für ebay im letzten Jahr immer wieder heiß gehandelt. Aber auch Hermes könnte der chinesische Internetgigant 2020 kaufen. Oder vielleicht doch lieber Zalando? Die Gerüchteküche rund um Alibaba kocht immer wieder hoch – und illustriert damit nur die großen Ängste, die der westliche E-Commerce mit dem übermächtigen Konkurrenten aus dem Osten verbindet. Denn das der Jack Mas Vision von einem weltumspannenden E-Commerce früher oder später zur Umsetzung bringen wird, scheint unausweichlich – vielleicht schon 2020?

Forderungen nach einer Marktplatz-Haftung, bei der die Marktplatz-Betreiber nicht nur für die abzuführende Umsatzsteuer ihrer Dritthändler verantwortlich sind, sondern auch dafür haften, dass die auf ihrer Plattform angebotenen Produkte den örtlichen Gesetzen und Regulierungen entsprechen, werden immer lauter. Vor allem in der EU werden solche Forderungen durchaus gehört – und die Einsetzung der unerschrockenen Margrethe Vestager zur EU-Kommissarin für Wettbewerb UND Digitalisierung zeigt, dass die Politik sich in Zukunft deutlich stärker in die Belange des E-Commerce einmischen will. Das ist zu begrüßen; die Frage ist nur, welches Tempo die Politik hier vorlegen kann – und ob es ausreichen wird, um den europäischen Online-Handel noch rechtzeitig vor der Konkurrenz aus Asien zu schützen. 

Bildquelle: © unsplash.com/ Sandeep Kr Yadav

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