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Keep it Simple – mehr Umsatz mit Bequemlichkeit

Convenience (Bequemlichkeit) steht wie kein anderes Symbol für das Wachstum des E-Commerce. Aber worum geht es dabei? Einzig um Vereinfachung! Komplexe Inhalte und Prozesse müssen vereinfacht werden. Gerade durch die Möglichkeiten im E-Commerce wurde ein völlig neuer Convenience Level für Transaktionsprozesse zwischen Gruppen ermöglicht. Im folgenden Artikel will ich die Hintergründe von “Vereinfachung” beleuchten, Dimensionen des Convenience vor- und Best Practices darstellen.

Der Blog Carpathia.ch listet auf Basis der Futurecom E-Commerce-Studie 2017 die wichtigsten Gründe auf, warum Online- dem Offlineshopping überlegen ist.

Diese Gründe lassen sich alle unter dem Schlagwort Convenience zusammenfassen. Die Vereinfachung von Komplexität betrifft alle Bereiche der Interaktion. Egal ob im physischen Store oder im Onlineshop. Egal ob im Erklären, im Bezahlen oder in der Lieferung. Informationen und Prozesse müssen so einfach wie möglich sein.

Die Studie “Decoding the Digital Opportunity in Retail” der Boston Consulting Group listet 2017 erstmals Convenience vor Preisen als Begründung fürs Onlineahopping. Eine in www.eMarketer.com veröffentlichte Studie von CivicScience aus 2018 untersucht unter anderem die Gründe, weshalb online eingekauft wird:

Ländlich Vorstadt Stadt Gesamt
Convenience 56% 62% 31% 52%
Günstiger Preis 47% 36% 38% 39%
Bessere Angebote 39% 34% 32% 35%
Größere Auswahl 37% 32% 33% 34%
Amazon Prime 32% 31% 30% 31%
Aversion Offline Shopping 23% 29% 22% 25%
Keine lokalen Einkaufsmöglichkeiten 31% 7% 13% 15%

Quelle: emarketer.com

Ein interessantes Beispiel ist Self Service. Convenience ist immer zeitkritisch. Wenn wir etwas wollen, dann wollen wir es jetzt und sofort. Nicht nachher. Wir wollen nicht warten. Daher erleben wir Self-Service-Kassen im Globus derzeit als angenehm. Unsere Ware ist bereits verpackt und eingescannt. Wir müssen nur noch bezahlen und bestenfalls überhaupt nicht mehr anstehen. Amazons Grocery Stores gehen noch einen Schritt weiter. Die Buchung der Produkte erfolgt automatisch. Kassen gibt es nicht mehr.

Welche Dimensionen umfasst Convenience?

Um eines vorwegzusagen: Amazon ist Meister der Convenience. Das gesamte Ökosystem und die Prozesslandschaft von Amazon sind auf Convenience ausgerichtet. Das betrifft den Zugang zu Amazon (Access Convenience), die Suche innerhalb der Plattform (Search Convenience), die gegebene Informationsbasis (Evaluation Convenience), den Bezahlvorgang (Transaction Convenience) und den Warenerhalt bzw. After Sales Services (Possession Convenience).

Die hier genannten Kategorien basieren auf dem Vorschlag vom UX-Blog Nutzerbrille. Alternative bzw. weitere Dimensionen sind: Decision Convenience, Benefit Convenience und Availability Convenience. Wer sich dem Thema wissenschaftlich näher möchte, findet hier einen guten Startpunkt für weitere Literatur.

Convenience hängt stark vom Kontext ab. Die Dimensionen darin spannen sich vom Produkt bis zum Nutzer. Demnach sollte immer das gesamte Konzept betrachtet werden.

Access Convenience –Die Zugangspunkte zum Shop müssen gut auffindbar sein.

Die Customer Journey eines Kunden ist komplex. Er hat unterschiedliche technische Einstiegspunkte (Mobile, Desktop, POS, IOT usw.) und nutzt unterschiedliche Services (Google, Amazon, Social Media etc.), über die er gelenkt wird. Google hat die Mobile First Strategie für SEO ausgerufen, um die Bedeutung dieses Kanals zu unterstreichen. Sind unsere Eltern noch hauptsächlich ins Kaufhaus gegangen, kaufen wir über den Desktop ein und unsere Kinder über mobile Zugangspunkte.

Das gewünschte Suchergebnis – Produkt, Information, Dienstleistung – muss schnell und am besten mit einem Schritt bei Ihnen zu finden sein. Je kürzer der Weg, desto besser.

Der Kunde beginnt seine Suche über unterschiedliche Startpunkte. Im ersten Schritt sollten Sie sich bewusst werden, über welche Zugangskanäle Ihre Kunden zu ihren Informationen, Produkten und Dienstleistungen finden und danach alle abdecken. Für Social Media als Einstiegspunkt kann man sich bspw. Shopify´s Buy Buttons ansehen.

Conversational Commerce hat in den bisherigen Untersuchungen bisher seinen Zweck verfehlt. Alexa wird eher dafür verwendet Anrufe zu machen und Musik abzuspielen als einzukaufen, aber das wird sich ändern. Als Erstes werden Convenience-Produkte erfasst werden. Also Produkte, bei denen uns die Marke völlig egal ist, bspw. Kopierpapier.

Ein möglicher Anwendungsfall: „Alexa, zeige mir bitte alle Jeans der Größe 34  bis max. 50 EUR und mit einer Lieferbarkeit innerhalb von 3 Tagen.“ Dieser “Zugang” zu Produkten dauert 3 Sekunden. Die klassische Suche im Vergleich würde mindestens einige Minuten benötigen.

Kühlschränke, Smart Home, all die Zugangspunkte, die für uns bequem sind, werden wir nutzen und Produkte darüber konsumieren, die für uns in direktem Zusammenhang stehen. Am Ende zählt neben Convenience auch das gewünschte Ziel. Der Einkauf von FMCG am Handy ist problemlos machbar. Ein Haus oder Auto würde ich nicht übers Handy kaufen. Noch nicht.

Search Convenience – Die Plattform sollte bei hoher Tiefe und Breite leicht und schnell zu erkunden sein

Der wichtigste Zugangspunkt zu Ihrer Website ist die Suchfunktion. Je prominenter diese positioniert ist, desto besser. Ein Großteil der Nutzer geht im Portal über die Suchfunktion. Bei Fashion Retailer ca. 50% der Nutzer, bei Büchern und Medien ca. 95%. Die Conversion-Rate-Steigerung kann zwischen 6 und 20% liegen. Machen Sie sich mit den Mindestanforderungen der Suchfunktion vertraut und optimieren Sie diese. Hierzu zählen: Typeahead, Blacklisting, Autokorrektur, phonetische Suche usw.

Nutzer müssen sich möglichst einfach und mit wenigen Schritten im Portal zurechtfinden. Dafür sind gut strukturierte Produktkategorien wichtig. Der Nutzer muss sofort Wissen, wo er das findet, was er sucht. Wird die Onsite-Suchfunktion nicht verwendet, orientiert sich der Nutzer an den Kategorien und “stöbert” herum.


Amazon ist hier wieder der Platzhirsch. Die Suchfunktion ist prominent positioniert. Stöbern wird geleitet über die Kategorien. Unterkategorien werden unterhalb der Suchleiste eingeblendet.

Eine Sortierung / Filterung nach Attribut X kann vorteilhaft sein, wenn das Produkt über verschiedene relevante Attribute verfügt, die für Nutzer interessant sind. Diese sollten Sie natürlich kennen. Zielgruppen haben unterschiedliche Bedürfnisse. Ein gutes Beispiel sind Gebrauchtwagen: Sortierfunktionen nach Preis, Kilometerstand und Alter erleichtern die Auswahl merklich.

Auf der linken Seite sehen wir die Filterfunktionen von Amazon, um Produkte eingrenzen zu können. Oben rechts befinden sich die Sortierfunktionen, um Listen zu generieren.

Evaluation Convenience – Informationen leicht zugänglich gemacht.

Die Auswahl geeigneter Artikel muss schnell und zuverlässig erfolgen können. Der Nutzer steht bestenfalls nach einem Tunnel vor der Auswahl verschiedener Produkte.  Entweder geleitet durch Kategorien oder durch einen Konfigurator. Der Konfigurator von Thule ist interessant. Wenn er hier noch zwischen verschiedenen Produkten vergleichen kann, die er in der Auswahl genommen hat, umso besser. Essentieller Bestandteil hierfür sind die bereitgestellten Informationen.

In diesem Fokus ist Personalisierung ein Treiber von Convenience, um den Zeitbedarf der Informationsbeschaffung einer Zielgruppe signifikant zu reduzieren. Amazon und Facebook sind hier Vorreiter. Beispielhaft sind das Produktempfehlungen von Amazon – vor allem im Bereich der Convenience Goods. Wenn ich einen Drucker kaufe, brauche ich wahrscheinlich auch Kopierpapier. Dabei ist mir die Marke des Papiers egal. Diesen Prozess zu automatisieren klingt verlockend, funktioniert in der Praxis aber meistens nicht optimal und führt zu Schleifen und damit Verwirrungen bei Kunden.



Der Klassiker sind Kundenrezensionen. Diese machen nur Sinn, wenn Sie in entsprechend hoher Zahl verfügbar und authentisch sind. Amazon ist hier Vorreiter. Interessant ist hierbei user created content.

Die Maßgabe ist immer: Ich will Antworten auf (komplexe) Fragen sofort, einfach und vollumfänglich. Hierbei sind bei Kunden oft aktive und passive Informationsbereitstellung problematisch. Einige Nutzer möchten lieber Informationen für sich gewinnen, andere direkt mit Menschen kommunizieren. Beide Formen haben ihre eigenen Herausforderungen. Zu aktiven Medien gehören beispielsweise Hotlines, Live Chats und Kontaktformulare. Zu passiven Medien zählen unter anderem FAQ, Rezensionen und Tutorials. Amazon ist auch hier Platzhirsch mit usergenerated question answers.


Bestimmte Informationen sind suboptimal über Text und Bild zu transportieren. Denken Sie beispielsweise an die Frage der Installation eines Kühlergrills beim Auto. Videotutorials können hier helfen. Ebenso können Videos die Funktionsweise von Produkten manchmal wesentlich besser transportieren oder Services visualisieren. Bspw. Datenhändler oder, um auf das bereits genannte Beispiel zurückzukommen, Kurse über gesunde Lebenshaltung.

Transaction Convenience – Die gefundenen Artikel müssen einfach bestellbar sein.

Je kürzer der Kaufprozess, desto besser. Amazon ist hier lange Zeit mit One-Click ein Vorreiter gewesen. Magento hat dieses Prinzip inzwischen auch funktional übernommen. An dieser Stelle möchte ich auch noch mal auf den Buy Button von Shopify für Social Medias verweisen.

Prime ist die nachfolgende Ausbaustufe davon. Erstens erfolgt die Lieferung schneller als gewöhnlich und die Lieferkosten sind inkludiert bzw. kostenlos. Aus Convenience-Sicht bedeutet das für den Nutzer, dass er die Produkte schneller erhält und der Preis für ihn transparenter und einfacher nachvollziehbar ist.

Ein wichtiger Baustein ist der gesamte Payment-Prozess. Er muss möglichst einfach, nativ, schnell und besonders sicher sein. Die hohen Sicherheitsanforderungen wurden in einer Kundenbefragung vom E-Commerce Magazin untersucht. Shopmanager sollten sich überlegen, die Lieferkosten in ein separates Programm auszulagern, analog zu Prime, oder diese gleich im Preis des Produkts zu inkludieren, sofern möglich.

Individuelle Verfahren für Zahlungsmethode und Lieferung sind ebenfalls hilfreich. 9 von 10 Nutzern ist die gewünschte Zahlungsmethode wichtig, jedoch sind bereits 6 von 10 Kunden damit konfrontiert gewesen, nicht die gewünschten Payment-Methoden nutzen zu können. In Shopware lässt sich mit einem Plug-in unkompliziert ein individueller Lieferzeitpunkt integrieren.


Ein schönes Beispiel für die Steigerung der Convenience in Mobile Applications bei Payment-Prozessen ist Relay vom Payment Provider Stripe.

Possession/Post Possession Convenience – Der Erhalt (und die Rückgabe) gekaufter Produkte muss unkompliziert sein.

Amazon ist durch sein A – Z Garantieprogramm beispiellos in dieser Kategorie. Nutzer können unkompliziert über ein Portal eine Rückerstattung beantragen, bekommen frankierte Etiketten zum Rückversand und Kommunikationskanäle gestellt. Zalando ahmt dieses Programm derzeit mit seinem Rückgaberecht von 100 Tagen nach.

Für Online-Offline-Händler sind Omnichannel-Infrastrukturen interessant. Erhalt und Rückgabe der Ware können damit zu jeder Zeit und an jedem Punkt ermöglicht werden. Allerdings bieten fast nur Enterprise-E-Commerce-Systeme diese Funktionalität an.

Fazit

Wir leben in einer hochspezialisierten Welt. Spezialisierung erzeugt Komplexität. Convenience reduziert diese. Eine generelle Empfehlung: Keep it simple, stupid! – Nicht benötigte Informationen / Funktionen sollten Sie einfach entfernen.

Erfolgsbeispiel ist die Entwicklung des E-Commerce. Neue Möglichkeiten in der Convenience wurden hier realisiert. Dieser Prozess wird nicht aufhören. Neue Technologien wie AR / VR, IoT oder Conversational Commerce werden diesen Prozess weiter antreiben und die Prozesslandschaft des Konsums von Informationen und Leistungen neu definieren. Ein schönes Beispiel hierfür ist die AR-App von Ikea, mit der Möbel in den eigenen 4 Wänden dargestellt werden. Das erspart mir den Weg zu zum Warenhaus, wenn ich nicht unbedingt wegen der Menschenmassen komme. 😉

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Unter dem Pseudonym Marian Haller analysiert unser Gastautor vor allem Shopsysteme und –technologien. Dies ist auch sein berufliches Hauptbetätigungsfeld im E-Commerce. Er gilt als ausgesprochener Experte auf diesem Gebiet.

Hier gibt es alle Beiträge von Marian Haller zum Nachlesen.

 

Bildquelle: artursz @ bigstockphoto

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