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Wer hat an der Uhr gedreht? Amazon und die Lieferzeiten

Schneckenrennen (Spiel)

Letzte Woche staunten viele Prime by Seller-Händler nicht schlecht: Obwohl sie lieferfähig waren und i.d.R. ihre Artikel binnen ein bis maximal zwei Tagen beim Kunden ankommen, zeigte Amazon für die Artikel bereits am Samstag, den 11.8. als Liefertermin erst den 16.-17. oder gar 17.-18.8. an. Eine Woche Lieferzeit statt wie bei Prime gewohnt ein bis zwei Tage — Natürlich wirkte sich das direkt auf die Verkäufe aus!

Die Händler hatten nichts an ihren Einstellungen geändert, es war also eine Maßnahme von Amazon. Interessanterweise waren jedoch nur die Lieferzeiten der Händler betroffen, NICHT aber die Lieferzeiten bei Versand durch Amazon. Das macht die Sache dann natürlich gleich doppelt ärgerlich.

In den Händlerforen wurde zunächst ein Bug vermutet, manchem Händler wurde auf die Nachfrage beim Support auch tatsächlich ein technischer Fehler bestätigt. Anderen gegenüber argumentierte der Support dagegen mit dem Feiertag in einigen Bundesländern, man habe die Bearbeitungszeit hochgesetzt, um die Händler vor schlechten Bewertungen zu schützen.

Es darf jedoch vermutet werden, dass es in Wirklichkeit eine Gemengelage aus „Feiertagsschaltung“ in Kombination mit technischen Hürden war, die den Ärger ausgelöst hat. Denn tatsächlich hat Amazon nun eine recht weitreichende Neuerung bei den Liefertermin-Anzeigen eingeführt:

Standortbezogenes Prime-Versprechen

Am Donnerstag machte Amazon seinen Umbau bezüglich der Lieferfristen offiziell: Ab sofort wird die Plattform die Lieferfristen der Prime-by-Seller-Händler in Abhängigkeit vom Versand-Standort. In der Konsequenz führt dies dazu, dass Händler nur noch wenig Einfluss darauf haben, welche Lieferfrist-Anzeige bei ihren Produkten erscheinen.

Man kann vermuten, dass Amazon damit auf die Beschwerden von Händlern reagiert, die sich entweder genau wegen solcher nur regional relavanter Feiertage benachteiligt sehen sowie auf solche, die Probleme mit ihren DPD-Hubs melden. Prime by Seller-Händler sind ja an DPD als Transporteur gebunden. In der Vergangenheit haben immer wieder Händler über Probleme mit den Laufzeiten bei DPD berichtet.

Schon einmal hatte Amazon auf solche Probleme reagiert und die Angabe der Versandlaufzeiten von Prime by Seller-Händlern pauschal hochgesetzt, um Kunden nicht durch nicht eingehaltene Lieferzeitversprechen zu verärgern. Allerdings: Nicht überall ist DPD tatsächlich ‚langsam‘ beim Versand, viele Händler schaffen auch mit DPD eine sehr schnelle Lieferung. Solche Händler trifft eine pauschale Verlängerung dann ungerechtfertigt.

Eventuell möchte es Amazon nun besser machen und daher die Lieferzeiten auf regionaler Ebene anpassen.

Hinweis: Diese Schlussfolgerung ist allerdings spekulativ. DPD weist diese Vermutung explizit zurück:

Die Aussage, dass Amazon das „standortbezogene Prime-Versprechen“ aufgrund von „Problemen bei DPD“ einführt, weisen wir als unrichtig zurück. DPD hat sich gegenüber Amazon im Rahmen von „Prime by Seller“ zu einem sehr hohen Maß an Laufzeitsicherheit verpflichtet. Dieses Leistungsversprechen wird zuverlässig eingehalten: Im Rahmen von „Prime by Seller“ können sich Händler auf eine Regellaufzeit von nur einem Tag verlassen. Die Entscheidung, standortbezogen längere Lieferzeiten in Aussicht zu stellen, liegt demnach nicht an der Leistung von DPD.

Woher weiß Amazon, wie lange die Lieferung dauern wird?

Dafür benötigt der Marktplatz allerdings über regional aufgeschlüsselte Laufzeit-Daten — und offensichtlich liegen solche Daten nun vor. Doch wie will Amazon für den einzelnen Händler die Prognose treffen? Laut Amazon werden die Laufzeitangaben zukünftig auf den jeweiligen DPD-Hub bezogen. Welche DPD-Hubs ein Händler nutzt, geht aus den Paketnummern hervor und die Lieferadresse des Kunden hat Amazon ja auch. Man darf vermuten, dass der neue Algorithmus aus den historischen Laufzeitdaten des jeweiligen Hubs die aktuellen Lieferfristen errechnet.

Interessant wird es sein, ob die neue Funktion es auch sauber abbilden kann, wenn ein Händler unterschiedliche Hubs bedient (z.B. bei mehreren Versandlagern) und auch, wenn ein Kunde seine Lieferanschrift im Checkout ändert.

Doch zunächst einmal wäre es schon schön, wenn überhaupt eine saubere Abbildung der realen Paketlaufzeiten resultieren würde. Das allerdings bezweifeln manche Händler noch.

Auf FBA wechseln oder auf Kundenverständnis hoffen?

Entsprechend unterschiedlich sehen auch die Reaktionen aus. Die einen Händler überlegen nun, verstärkt zu FBA überzugehen. Andere versuchen, ihre erfahrungsgemäß besseren Versandleistungen über eigene Infos an die Kunden zu bringen. Ob dies jedoch auch ankommt, dürfte zweifelhaft sein. Und so fällt das Fazit eines Händlers bei Facebook auch entsprechend sarkastisch aus:

[…]es interessiert den Algo auch nicht, ob Du evtl. schneller liefern könntest. Und Du wirst auf Sicht eh nicht mehr liefern können per PBS, weil alle Artikel, die gleichsam per FBA erworben werden können eh eine schnellere Lieferzeit (zumindest versprechen!!) und dich damit eh aus der buybox schmeissen, da AMZ halt immer 5 Sterne hat …. Aluhut ab! 😎

Herzlich aus Hürth
Nicola Straub

Bildnachweis: Efraimstochter via pixabay

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