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Content Commerce – Amazon überwinden mit Herz und USP

Amazon hat sich zum Schreckgespenst von B2C- und neuerdings auch B2B-Händler entwickelt. In diesem Artikel will ich theoretische Grundlagen legen, das Thema strategisch verorten und an Praxisbeispielen darstellen, wie man sich mit Content Commerce erfolgreich von Amazon absetzen kann. Aufgrund der strategischen Ausrichtung und des hohen Fokus eignet sich das Modell besonders für kleinere Unternehmen. Content Commerce kann in unterschiedlichen Funktionen eingesetzt werden. Im Kern geht es um die Aufwertung von Produkten zu Lösungen. Dies kann über Inhalte geschehen und/oder über digitale USP.

Theoretische Grundlagen

Grundpfeiler von Wettbewerbsvorteilen sind USP. Den theoretischen Rahmen, diese zu erreichen, gibt Michael E. Porter. Nach seiner Auffassung können sich Organisationen über drei Wege am Markt durchsetzen.

  1. Kostenführerschaft – Der günstigste Anbieter gewinnt. Der realisierte USP ist der Kostenvorteil.
    Amazon ist ein Paradebeispiel für Plattformökonomie und die Macht von Marktplätzen. Diese Vertriebsform hat einen großen Vorteil, aber auch Schwachstellen. Der Vorteil liegt in der Preistransparenz. Ein Produkt wird auf einer Seite dargestellt. Alle Anbieter sind auf dieser Seite gelistet, der attraktivste Anbieter gewinnt. In fast allen Fällen ist das der günstige Anbieter. Amazon gewinnt, der Kunde gewinnt und der Händler verliert, da er Umsatz auf Kosten der Marge macht. Dieses Spiel können auf lange Sicht nur Hersteller gewinnen. Das ist auch ein Grund, warum Händler Eigenmarken entwickeln. Der Nachteil dieser Form ist die Standardisierung der Plattform. Digitale USP und Emotionen können über Amazon nicht dargestellt werden.
  1. Qualitätsführerschaft – Einen Wettbewerbsvorteil über die Qualitätsführerschaft erreichen Unternehmen, wenn Sie Ihr Produkt mit weiteren Leistungsvorteilen aufwerten.
    Dazu gehören bspw. Produktqualität oder Service. Gerade Service hat einen interessanten Vorteil: Sie kommen in Kontakt mit Kunden und können dadurch die Beziehungen steuern. Darüber hinaus sind Dienstleistungen nur schwer miteinander zu vergleichen. Ein gutes Beispiel sind Konfigurations-, Beratungs- oder Integrationsleistungen. Qualitative Leistungen rechtfertigen auch höhere Preise. Sind sie kostendeckend, fungieren Sie als Trojanisches Pferd für das eigentliche Produkt.
  2. Nischenanbieter – Der Wettbewerbsvorteil wird durch die Konzentration auf ein bestimmtes Marktsegment, in dem besondere Erfahrung und Kompetenz aufgebaut werden, erreicht.
    Das Modell stammt aus den 80er Jahren und bietet eine gute Einsortierung. Es ist nicht unumstritten, hilft aber einen Kontext herzustellen. Um Content Commerce erfolgreich einzusetzen, sollten die Punkte 2 und 3 als strategischer Rahmen verwendet werden.


Content Commerce – Einzigartigkeit durch Inhalt

Unter dem Schlagwort versteht man die Verschmelzung von Inhalt und E-Commerce-Funktionalitäten. Wichtig für Content Commerce sind Storytelling-Elemente, User Personas und die Customer Journey. Die Tiefe dieser Verbindung kann je nach Integrationsgrad und Mehrwert deutlich variieren. Folgend gehe ich kurz auf diese Bausteine des Fundaments ein.


User Personas

Erstellen Sie User Personas zu Ihrer Zielgruppe. Achten Sie darauf, dass bei einem Kaufprozess durchaus auch mehrere Personas involviert sein können. Diese Personas haben für gewöhnlich unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen. Bedienen Sie diese um keine offenen Flanken zu haben. Ein wichtiger Punkt dabei: Wo liegen die Pain Points der Persona und welchen Blick haben Sie auf das Produkt?


Customer Journey

Da das Thema sehr umfangreich ist, aber eine wichtige Basis für Content Commerce darstellt, schneide ich es nur kurz an. Unter der Customer Journey versteht man die “Reise des Kunden” über unterschiedliche Berührungspunkte mit dem Unternehmen oder Produkt bis zu einem Endpunkt, der meist einen Kauf darstellt. Die Journey ist von Kunde zu Kunde unterschiedlich, kann unterschiedlich lange dauern und theoretisch beliebig viele Punkte kennen. An den einzelnen Punkten hat der Kunde unterschiedliche Interaktionsformen (Brower, Mobile, Callcenter usw.) und verschiedene Informationsbedürfnisse. Facebook kann bspw. der erste Kontakt sein, danach könnte der Kunde sich detaillierte Informationen auf der Webseite besorgen und offene Fragen vor dem Kauf telefonisch klären.

Storytelling
Ein wichtiger Baustein für Content Commerce ist Storytelling. Inhalte werden in Form einer Geschichte dem Leser erzählt. Im Vergleich zu Fachartikeln haben Geschichten Vorteile. Sie sind einprägsamer, Emotionen können besser vermittelt werden, Wissen wird besser antizipiert und Geschichten erzielen durch den Spannungsbogen eine höhere Aufmerksamkeit. Der Kern des Storytelling besteht aus einer Szene, einem Problem, einer Lösung und in den meisten Fällen einer “helfenden Hand”.  Diese Hand ist das Produkt oder das Unternehmen. Je nachdem wie die Story aufgesetzt wird. Sehr gute Beispiele liefern Super Bowl-Werbungen. Da diese sehr kostenintensiv sind, kommen nur die besten Werbungen zum Einsatz.

https://www.youtube.com/watch?v=CxGUmtRLm5g

Die “Stand By You”-Werbung von Budweiser zum Super Bowl 2018 ist ein exzellentes Beispiel für den Aufbau einer Story, wie man nachhaltig Emotionen weckt und sie in Verbindung mit einem Produkt setzen kann.


Wie sehen Content Commerce Best Practices aus?

Im unten genannten Beispiel von Thule sieht man den Vergleich zwischen einer Marktplatzdarstellung und einer Content-Commerce-Darstellung.

Eine weniger technische Lösung, und eher dem emotionalen Storytelling zuzuordnen, liefert Rausch Edelschokoladen.

Schokolade hat unterschiedliche Geschmacksrichtungen. Durch das Netzdiagramm erhält der Kunde eine Vorstellung, wie das Produkt schmecken könnte. Bei unterschiedlichen Varianten ändert sich das Netzdiagramm dynamisch.

Die gesamte Produktdarstellung wird durch persönliche Statements von Mitarbeitern aus den Geschäften und der Geschichte über die verwendeten Rohmaterialien abgerundet. Die Einbindung von Mitarbeitern senkt die Anonymität.

 

Bellroy stellt Geldbörsen her und orientiert sich am Problem der Kunden, dass die Geldbörse oft zu dick ist. Um die Produktauswahl zu erleichtern, haben sie dazu einen anschaulichen Use Case und eine Produktnavigation entwickelt.

Der Regler lässt sich verschieben und zeigt anhand der Karten die herkömmliche Dicke und die Dicke mit einer Bellroy an.

 

 

Hier sieht man die Produktnavigation von Bellroy auf Basis der Auswahl der Dicke einer Brieftasche.

Die Grenzen von Content Commerce sind fließend. Digitale Mehrwerte können über Informationen oder Dienstleistungen bereitgestellt werden. Im Zentrum steht jedoch die Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Kunden. Mit den hier gezeigten Beispielen können Sie in allen Fällen Marktplätze wie Amazon ausstechen.

Wie finde ich die richtigen Themen?

Content Commerce funktioniert nur, wenn Sie die richtigen Themen ansprechen. Also Punkte treffen, die Ihre Zielgruppe interessiert. Dazu müssen Sie wissen, welche Themen die Gruppe antreibt und was es für Neuigkeiten gibt. Hierfür empfiehlt es sich, ein Informationsnetzwerk einzurichten. Durchsuchen Sie das Netz nach relevanten Blogs, die sich mit Ihren Themen beschäftigen, und registrieren Sie den Newsletter über eine Google Mail-Adresse. Folgen Sie relevanten Stichworten über Google Alerts und relevanten Firmen über Owler. Seien Sie aktiv in sozialen Netzwerken. In Facebook (B2C) und in LinkedIn (B2B) sollten sie sich in Gruppen anmelden und Themen der Mitglieder evaluieren. Machen Sie das über einen längeren Zeitraum, können Sie so eine Wissensdatenbank erstellen.

Am Beispiel von Thule kann man es gut erklären. Die häufigste Frage ist: Was für ein Halter passt für mein Auto und wie viel kostet das? Man könnte mühsam langweilige Listen durchsuchen oder man stellt einen Auswahlberater zur Verfügung. Dies ist nicht nur ein digitaler USP, sondern auch ein Conversion-Rate-Treiber. Zu große Wahlmöglichkeiten schrecken Kunden ab. Sie wollen eine kleine, feine Präsentation, die sie in Ihrer Meinung – die Konfiguration die sie getroffen haben – bestätigt.

Wie sieht der Anfang aus?

Definieren Sie eine Zielgruppe und überwachen Sie sie in Facebook, um mehr über Ihre Interessen herauszubekommen. Sammeln Sie Themen und fangen Sie an, diese auf Ihrer Homepage zu integrieren. Erzählen Sie Geschichten um Ihre Produkte und verknüpfen Sie diese mit den Themen. Am einfachsten lassen sich Emotionen über Gesichter darstellen, daher sollten Sie sich selbst einbringen. So stechen Sie aus der Anonymität hervor und erweitern Ihr Produkt. Vergessen Sie dabei nicht: Sie verkaufen Lösungen, keine Produkte. Dazu gehört auch eine Geschichte.

Versuchen Sie im nächsten Schritt Hemmnisse, Hürden und zusätzliche Bedürfnisse ihrer Kunden um Ihr Produkt herum zu identifizieren und stellen Sie digitale Lösungsmöglichkeiten hierfür bereit. In den meisten Fällen reicht für die Umsetzung ein günstiger PHP Frontend Webentwickler aus. Als Beispiel nenne ich Bellroy oder Thule. Mit Interaktionen können sie den Spieltrieb von Menschen ausnutzen.

Ein wichtiges Puzzleteil: Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Fischer. Ihre Zielgruppe hat wahrscheinlich völlig andere Bedürfnisse und Ansichten als Sie. Akzeptieren Sie dies und validieren Sie relevante Themen über die Interaktion in sozialen Medien.

Worauf muss ich bei Content Commerce achten?

Ein Problem bleibt bei Content Commerce bestehen. Es kann zu Show Rooming kommen. Daher empfiehlt sich die Strategie eher für Eigenmarken oder wenn eine starke emotionale Beziehung aufgebaut werden kann. Ansonsten profitieren Besucher von Ihren Leistungen und orientieren sich dann doch am günstigsten Preis und kaufen woanders.

Ein wichtiger Punkt ist Relevanz. Content muss qualitativ und informativ sein. Das belohnt Google mit einem höheren Ranking und ihr Shop mit einer höheren Conversion Rate.

Unter dem Pseudonym Marian Haller analysiert unser Gastautor vor allem Shopsysteme und –technologien. Dies ist auch sein berufliches Hauptbetätigungsfeld im E-Commerce. Er gilt als ausgesprochener Experte auf diesem Gebiet.

Hier gibt es alle Beiträge von Marian Haller zum Nachlesen.

 

Bildquelle: ra2studio und dennizn @ bigstockphoto

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