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Logistik-Start-up QOOL collect: „Die Lieferung bis an die Haustür kann auf Dauer nicht kostenlos bleiben“

Das Münchner Start-up will sich als zentrale Anlaufstation für Abholungen aller Art etablieren. Damit liegt es in der aktuellen Logistik-Debatte um die teure letzte Meile voll im Trend – tritt aber auch gegen mächtige Gegner an.

Der Qool Shop am Münchner Max-Weber-Platz mitten im In-Viertel Maxvorstadt hat mit dem typischen Flair eine Hermes- oder DPD-Shops wenig zu tun. Das moderne Interieur erinnert in Stil und Farbgebung eher an einen der Nobel-Friseursalons in der nahen Maximiliansstraße. Auch die beleuchteten Kühl- und Tiefkühl-Abteile sowie die geräumige Umkleidekabine fallen aus dem Rahmen. Und trotzdem geht es hier, ebenfalls wie bei Hermes oder DPD, um den gleichen Kerngedanken: Frachtkonsolidierung. Das Start-up will sich als zentrale Abholstationen für Online-Bestellungen aller Art etablieren. Statt ihre Pakete wahlweise in der DHL-Packstation, im Hermes-Shop oder bei mehr oder weniger willigen Nachbarn abzuholen, sollen Online-Käufer einfach alle Bestellungen gesammelt im QOOL-Shop vorfinden – und dort auch den Aufschnitt vom örtlichen Lieblingsmetzger oder die sauberen Kleidungsstücke aus der nahen Reinigung vorfinden.

Was auf den ersten Blick einleuchtend klingt, ist in Wahrheit eine mutige Wette auf die Einsicht beim Konsumenten, dass Lieferlogistik bis an die Haustür auf Dauer nicht kostenlos bleiben kann. Denn wollen die Kunden ihr Amazon- oder Zalando-Paket im Qool-Store abholen, müssen sie dafür eine Lagergebühr von 1,99 Euro pro Tag zahlen. Wir haben Gründer und Geschäftsführer Stefan Müller gefragt, warum er sich für sein Konzept Chancen ausrechnet, während Amazon Prime-Kunden immer noch jedes einzelne Buch kostenlos an die Haustür liefert.

 

Herr Müller, im November letzten Jahren sind Sie mit QOOL collect in München gestartet. Wie sind die ersten Monate für Sie gelaufen?

Stefan Müller:Wir haben letztens unseren fünften Laden eröffnet. Wir probieren gerade aus und schauen, wie und an welchen Standorten unser Konzept am besten funktioniert. Insgesamt sind wir bisher mit unserem Start ganz zufrieden.

Können Sie schon sagen, welche Ihrer Services für Ihre Kunden am attraktivsten ist? Werden Ihre Stores vornehmlich als normale Abholstationen für Online-Bestellungen genutzt, oder ist die Lieferung von gekühlten oder tiefgefrorenen Bestellungen häufiger?

Müller: Der Anteil an Lebensmittel-  oder frischen Bestellungen ist im Moment noch klein. Der Hauptteil ist die normale E-Commerce Sendung. Die Kunden schätzen die Konsolidierung aller Sendungen und auch die Möglichkeit der Retoure und Verpackungsentsorgung wird kräftig genutzt. Die Umkleiden werden seltener genutzt, da ja auch Elektronik und andere Dinge bestellt werden.

Wie reagieren die lokalen Händler auf Ihr Konzept?

Müller:Unser Konzept ist tatsächlich etwas erklärungsbedürftiger, weil wir eine große Bandbreite an verschiedenen Dienstleistungen haben. Wir müssen bei Händlern aber auch bei den Konsumenten Überzeugungsarbeit leisten. Die Leute hierzulande sind Click&Collect noch nicht so gewöhnt, wie das in England oder Frankreich der Fall ist. Aber wir merken auch: Versteht der Handelspartner das Konzept, sieht er sehr schnell die Vorteile, die unser System bietet. Aus Retailsicht sind wir Citylogistik-Partner, Verpackungslösung-Anbieter und wir helfen beim Marketing mit – und ein kompletter Bezahlservice ist auch mit inbegriffen. Das ist vor allem für stationäre Händler, die keine eigene Versandlogistik aufbauen können, sehr attraktiv. Der lokale Metzger gibt den abgewogenen Aufschnitt ohne Aufwand in die Lieferung – weil der Kunde bei uns im Shop nur das zahlt, was er tatsächlich bekommt.

Was machen Sie denn dann bei Kunden, die die Bestellung nicht abholen?

Müller:Da bleibt immer ein Restrisiko. Aber das gibt es heute auch schon: Wenn die Leute vor Weihnachten beim Metzger anrufen und vier Filetsteaks bestellen und nicht abholen, bleibt der Metzger auf dieser Ware sitzen. Das ist bei uns ähnlich, auch wenn der Fall noch nie eingetreten ist. Wir haben die Regel: Was binnen zwei Tagen nicht abgeholt wird, muss entsorgt werden.

Sie verdienen einerseits mit den Händlern Geld, bei denen Sie Waren abholen, andererseits auch mit Kunden, die Ihre Stores als Abholstation für Online-Bestellungen nutzen. Deutsche Kunden sind ja recht empfindlich, was Versandkosten angeht. Wie machen Sie denen begreiflich, dass Sie 1,99 Euro pro Tag zahlen müssen, wenn Sie ein Amazon-Paket bei Ihnen abholen wollen?

Müller:Unser Argument ist die Frachtkonsolidierung – für Händler wie für Verbraucher. Der Kunde kann bei uns alle Online-Bestellungen, Einkäufe bei lokalen Händlern oder auch die gereinigten Kleidungsstücke aus der örtlichen Reinigung zentral abholen, er muss nicht zuhause sein, wenn das Paket ankommt oder zu den üblichen Post-Öffnungszeiten am Schalter stehen. Er kann bestellte Artikel vor Ort ansehen oder mithilfe der Umkleide auch anprobieren, und alles was nicht gefällt, direkt zurückschicken. Er muss sich nicht mal um die Entsorgung der Verpackung kümmern.

Das muss er auch nicht, wenn ihm der Rewe-Bote oder der Kurier-Fahrer von Amazon Go die Waren direkt in die Wohnung bringt – und das auch noch teilweise innerhalb von zwei Stunden…

Müller:Ich glaube nicht, dass sich Same-Day-Delivery-Konzepte und Frachtkonsolidierungskonzepte wie unseres gegenseitig ausschließen müssen. Man muss sich nur klarmachen: Die Lieferung bis an die Haustür kann auf Dauer nicht kostenlos bleiben. In vielen Städten wird aktuell darüber nachgedacht, die Einfahrtserlaubnis für Lieferfahrzeuge in den Innenstädten zu beschränken, weil Verkehr und Umwelt von den vielen Lieferfahrzeugen zu stark belastet werden. Dann bleibt für die Haustürlieferung tatsächlich nur noch der Fahrradkurier – und der ist teuer, auch für Amazon. Ich denke, es wird in Zukunft immer noch die Haustürlieferung geben – für die Kunden, bereit sind, dafür einen gewissen Aufpreis zu bezahlen. Alle anderen Kunden übernehmen, um Kosten zu sparen, einen Teil der Last-Mile-Logistik selbst und holen ihre Waren an einer zentralen Sammelstelle ab. Es wird keine ausschließliche Lösung geben, sondern mehrere Angebote, aus denen der Kunde situativ auswählt, was für ihn passt.

Sie sind nicht der einzige Anbieter eines Sammelstellen-Konzepts. Wie können Sie gegen DHL Paketstationen oder Amazon Locker bestehen?

Müller: Das Problem an Lösungen individueller Dienstleister ist ja, dass immer nur ein System darüber abgewickelt wird – also nur DHL-Sendungen in den Packstationen oder nur Amazon-Bestellungen im Amazon Locker. Das führt zu zeitintensiven und umständlichen Situationen, wenn ein Kunde in verschiedenen Shops bestellt und dafür dann verschiedene Abholstationen anfahren muss. Diese Systeme werden in Zukunft vermutlich nicht mehr funktionieren, weil das dem Kunden zu kompliziert ist. Der Konsument wird letztlich aufgrund des Servicegedankens entscheiden.

Wie dicht muss Ihr Netz sein, um den Konsumenten eine sinnvolle Alternative anbieten zu können? Wie viele Stationen brauchen Sie in München beispielsweise?

Müller:Da sind wir gerade am Testen. Wir haben Stationen, die mit dem Auto gut anfahrbar sind, wir haben Stationen in Wohngebieten oder an U-Bahnhöfen, und aktuell sind wir dabei zu evaluieren, welche Standorte und Einzugsgebiete am besten genutzt werden. Da sind wir noch im Lernprozess. Klar ist aber jetzt schon, dass unser Konzept ein City-Logistik-Konzept ist, mehr für städtische als für ländliche Regionen geeignet ist.

Wie lang geben Sie sich für die Lernphase?

Müller:Die Lernphase ist abhängig von den Rückmeldungen der Konsumenten, da brauchen wir noch etwas Zeit. Wir bekommen aber bereits gute Rückmeldung von den Kommunen, die aktuell gerade auf der Suche nach Alternativen für die Innenstadt-Lieferlogistik sind. Das Interesse ist auf jeden Fall hoch – und wir haben auch einen ausreichend langen Atem, um die weiteren Entwicklungen in diesem Feld noch abzuwarten.

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