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Christian Lindner auf der Internet World expo: „Im Plattform-Kapitalismus brauchen wir den Staat als Schiedsrichter“

Referee showing the red card in the soccer stadium focus on card

Der Auftritt von Christian Lindner war der mit Abstand am besten besuchte Vortrag auf den durchweg hoch frequentierten Bühnen der Internet World Expo. Der FDP-Politiker zog sogar mehr Zuhörer an als Ex-Stuntman Jochen Schweizer – der doch zuvor immerhin mit Live-Bildern von waghalsigen Bungee-Sprüngen hatte punkten können. Der FDP-Bundesvorsitzende blieb dagegen ganz am Boden und sprach über sein Lieblings-Sujet – die Digitalisierung. Er schimpfte über die designierte Staatsministerin für Digitales, empörte sich über mangelnden Breitbandausbau und schlug zur Lösung des Fachkräftemangels in der Internetbranche ein Einwanderungsgesetz vor. Nur beim Thema Amazon kam der gewandte Redner kurz in Stocken.

Nach ein paar Spitzen gegen das ominöse Flugtaxi von Dorothee Bär machte sich Lindner zunächst daran, seine fünf Thesen für ein digitalisiertes Deutschland darzulegen. Ganz oben auf der Agenda steht für ihn, wenig überraschend, der flächendeckende Breitbandausbau. Nur vier Prozent der deutschen Haushalte hätten heute Zugang zum Glasfasernetz (zur Orientierung: Nordkorea steht bei 0 Prozent, Südkorea bei 70 Prozent). Die vorgeschlagene Geschwindigkeit der nächsten Großen Koalition, die den Zugang zum Breitband-Netz bis 2025 zum Grundrecht erklären will, ist Lindner deshalb viel zu langsam. „2025 werden wir abgehangen sein“, rief der Redner seinem Publikum zu und erntete breite Zustimmung.

Auch in Sachen E-Government hinkt Deutschland Lindners Meinung zufolge hinterher; der Politiker verwies in Richtung Estland, wo Unternehmen innerhalb weniger Tage über komplett elektronische Prozesse ein Unternehmen einstragen lassen können. Um die Angriff auf viele Arbeitsplätze abzufedern, den Digitalisierung, Robotisierung und künstliche Intelligenz in den nächsten Jahren bedeuten werden, schlägt Lindner lebenslange, staatlich geförderte Weiterbildungsprogramme vor. Ein bedingungsloses Grundeinkommen lehnte er dagegen entschieden ab. „Das ist nichts weiter als eine Stilllegungsprämie“, wetterte der Politiker.

Amazon regulieren – ja. Aber wie?

Als eine der größten Herausforderungen einer digitalisierten Wirtschaft identifizierte Lindner aber die Plattform-Ökonomie. „Wir haben bei den großen Fragen zu wenig Staat, der als Schiedsrichter fungiert, und bei den kleinen Alltagsfragen zu viel“, zeigte sich der FDP-Mann überzeugt. „Der Plattform-Kapitalismus verändert die Regeln des Spiels. Die Unternehmen sind so mächtig, dass sie keine Steuern zahlen, sich nicht den Gesetzen eines Landes unterwerfen, dass sie entscheiden können, wer auf ihrer Plattform erfolgreich ist und wer nicht, ohne dass man genau versteht, warum. Das deformiert die Marktwirtschaft, deren Idee es ja ist, dass nie ein Spieler so mächtig werden kann, dass er die Bedingungen für die Kleineren diktiert.“

Doch auf die Frage hin, wie beispielsweise Amazon reguliert werden könnte, tat sich der geschliffene Redner schwer mit einer konkreten Antwort. Das Bundeskartellamt müsste sich um das Problem kümmern, müsste dafür aber erst „intellektuell und personell aufgerüstet“ werden, so Lindner. Unter Umständen müssten auch neue Wege der Regulierung für international aufgestellte Plattformen, die gleichzeitig als Verkäufer und als Marktplatz fungieren, gefunden werden. Zu klaren Aussagen beispielsweise über eine Haftungsregelung für Plattformbetreiber, welche die Finanzminister der Länder Ende letzten Jahres forderten, oder über eine Quellensteuer, wollte sich Lindner auf der Bühne nicht hinreißen lassen. Es gebe bei dem Thema eine Menge Graubereiche, so die ausweichende Antwort.

Zum Schluss wurde der FDP-Mann aber beim Thema Amazon doch noch konkret und wandte sich ans Publikum: „Wenn hier irgendein Amazon Marketplace-Händler ein konkretes Problem mit dem Verkauf auf Amazon hat, wenn er oder sie konkret von Amazon behindert wird, weil Amazon die bestehenden Gesetze nicht beachtet oder die bestehenden Gesetze nicht funktionieren – schicken Sie es mir das Problem, ich kümmere mich darum.“

Wer das Angebot annehmen will: Auf www.christian-lindner.de findet sich der direkte E-Mail-Draht ins Büro des FDP-Spitzenkandidaten. Man darf gespannt sein, wie seine Antworten auf ganz konkrete Händlerprobleme, wie sie in den einschlägigen Facebook-Foren täglich diskutiert werden, ausfallen werden.

Bildquelle: Bigstock,Eugene Onischenko

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