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Erlebnis-Shopping – das sagen Experten

Im Artikel Erlebnis-Shopping – die Zukunft oder einfach nur ein Buzzwort? ging es vor allem noch um eine Begriffsdefinition und der Zusammenfassung der derzeitigen Geschäftsmodelle die hierunter verstanden werden könnten. Erfahren Sie jetzt was Handels- und E-Commerce Experten zum Thema Erlebnis-Shopping und der Zukunft im E-Commerce sagen und was den Onlinehandel in einigen Jahren revolutionieren bzw. zum Erlebnis machen wird.

Expertenmeinungen

Wir behaupteten ja, Erlebnis-Shopping bedeute im Onlinehandel Kundenbewertungen anzubieten und eine optimale Produktdarstellung. Auch über Produktvideos oder sog. Style-Finder fände Erlebnis statt. Aber grundsätzlich suche der Käufer Shopping-Erlebnisse woanders, zum Beispiel in der Stadt. Um diese provokative Aussage einer Prüfung zu unterziehen, befragten wir erfahrene Handels- und E-Commerce Experten zum Thema Erlebnis-Shopping und der Zukunft des E-Commerce.

Björn Schäfers, Geschäftsführer der Shopping-Plattform smatch.com

Wir müssen uns vom Begriff des Erlebnis-Shopping im Stationärhandel lösen. Während das Internet anfangs überwiegend Informations- und Kommunikationsmedium war, rückt heute das eigentliche Leben immer stärker in den Mittelpunkt. Digital und real vermischen sich immer mehr. Und „Erlebnis“ kommt von „Leben“: Das heißt, wenn das Leben immer stärker mit dem Internet verbunden wird, werden auch die Erlebnisse zunehmen. Überall, auch im Shopping-Umfeld.

Das kann teilweise getrieben sein von variable Preismodellen oder neuen Auktionsformaten, bei denen das Erlebnis allerdings eher durch eine Art Gaming-Effekt geprägt ist, ähnlich wie bei ebay. Das Erlebnis wird aber vor allem gefördert werden durch Konzepte, die mit der zunehmenden Vernetzung der User möglich werden. Also das, was das „Leben“ im Internet ausmacht. Das Ganze geht dann schon stark in die Richtung „Social Commerce“. Gerade hier werden in den nächsten Jahren noch sehr kreative Geschäftskonzepte entstehen, die immer größeren Einfluss auf die Umsätze im E-Commerce haben werden.

Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung an der Universität zu Köln

Der Handel wird seit Tausenden von Jahren durch verschiedenste Bedürfnisse geprägt, am wenigsten aber von „Erlebnis“: Bietet Aldi Erlebnis-Shopping? Oder Otto? Vielleicht Lidl? Oder Ikea? Oder vielleicht Schlecker? Media Markt? Alles große, sehr erfolgreiche Handelsunternehmen. Auch wenn es Händler wie Globetrotter und Shopping-Malls gibt, die stark auf Erlebnis setzen: Der überwältigend Großteil der Handelsumsätze beruht nicht auf Erlebnis, sondern auf Faktoren wie Lage, Sortiment, Preis-/Leistungsverhältnis.

Im Internet wird es verstärkt Erlebnis-Shopping geben, weil es immer mehr technische Möglichkeiten geben wird, Erlebnisse auch virtuell zu erzeugen. Die (selbsternannten) Experten, die heute verkünden, dass Erlebnis-Shopping im Web die Preisorientierung ablösen werde, kommen meist aus genau diesen technischen Bereichen. Doch auch zukünftig gilt für die meisten Online-Käufe: Der Kunde will das für ihn optimale Produkt zum besten Preis schnellstmöglich mit dem bestmöglichen Service und der höchsten Sicherheit geliefert bekommen. Das ist Erlebnis genug!

Martin Groß-Albenhausen, Chefredakteur „Der Versandhausberater

Was ist ein Erlebnis? Selbst bei heute gerühmten modernen Shopkonzepten ist der Hebel entweder ein Gaming-Aspekt bzw. ein stark bildlich-emotionales Konzept. Oder es wird eben der Preis als größter Hebel angesetzt. Doch ist Preis ein Erlebnis? Wie oft ist Mass Customization ein "Erlebnis"?

Im Internet dominiert momentan die Suchfunktion. Für den Kunde ist es ein Erlebnis, die optimale Produktdarstellung und Kompetenz im Shop zu finden. Dies ist die Basis, auf der dann gern auch emotionalere "Erlebniskonzepte" aufgesetzt werden können. TVINO.de, ASOS in England sind Beispiele für ein Andocken an die emotionale Welt der Zielgruppe. Es funktioniert, solange die such-relevanten und bedarfs-orientierten Aspekte gedeckt und die Shops gut sortiert sind. So setzen auch Preisbock (Liveshopping) und Swoopo (Rückwärts-Auktionen) inzwischen auf klassische Shop-Elemente (Preisbock-Club) bzw. den Direktkauf, weil das Spielerlebnis allein eben nicht weit genug trägt.

Trotzdem: Es tut jedem Anbieter gut, sich über das "Shopping-Erlebnis" Gedanken zu machen. Nicht gähnen, wenn ich mal kurz auf den Katalog zurückkomme: Der kann aussehen wie eine bebilderte Preisliste. Oder er kann eine Dramaturgie haben, Preisbögen, Farbkonzeptionen, Foto-Auffassungen, Teaser-Führung, Hot-Spots, Cold-Spots… Es gibt ein technisches Instrumentarium, um die Kunden bei der Stange zu halten, dies vermisse ich in vielen Shops. Da muss man schon sehr am Produkt interessiert sein, um sich durch die Kategorien zu klicken. Das Web ist hier allzu oft ein "männliches" Format, kein weibliches – Baumarkt, nicht Ikea.

Übrigens wissen Kunden ziemlich genau, dass sie es mit einem Versender zu tun haben, nicht mit einem Entertainer. Hendrik Thoma bei TVINO.de hat zwar die Produkt-Kompetenz und ist sehr unterhaltend. Die "Verkäufe" aber laufen letztlich über die Teaser, die Produktinfos und die Shop-Logik. Von daher ist tvino.de in meinen Augen auch nicht „das Vorbild für die Zukunft des Weinverkaufs“.

Die Zukunft liegt weniger in inszenierten Erlebnissen, denn im „Themen-Shopping“: Ich habe letztens einen Tablet-PC-Prototyp getestet, der Onlineshopping auf die Couch bringt, in eine "Lean back"-Haltung. Da fließen auf einmal Dinge zusammen. Sie nutzen das gleiche Gerät, um z.B. eine schön gestaltete Zeitschriften-Seite "online" zu lesen. Weil die Regeln der Trennung von content und werbung dort verschwimmen, kann sehr gut kontextuell verkauft werden. Sie können sich quasi durch ein Themennetz bewegen, das Videos, Texte, Spiele und eben den Verkauf – als ein Element im Mix – verbindet. So wie heute in Malls, wo Ruhezonen, Fress-Bereich, Shops, Bummelei, vielleicht Kinos oder Kneipen zusammenstehen. Die Stores drängen nicht zum Verkauf, sie halten sich in einem Kosmos von Waren auf, der mit ihrer "sozialen" Selbstinszenierung verschmilzt. Darum „hängen“ Frauen-Cliquen oder Teenies so gern gemeinsam in den Läden "ab" – und das wird geduldet oder sogar gefördert. Der Kauf findet nicht am POS statt, sondern später, vielleicht im Web.

Onlineshops brauchen solche Schnittstellen: Content, der nicht unbedingt zum Kauf dazugehört, aber interessant genug ist, um mal wieder vorbeizuschauen. Charlotte Russe in den USA bietet z.B. einfache Formen des Coshoppings über Facebook an. Im Blog habe ich gerade etwas über die "Magic Mirrors" von Icon Nicholson geschrieben, die sogar die physischen Umkleidekabinen mit dem sozialen Netzwerk verbinden.

Über all dem dürfen Versender nicht vergessen, dass sie vor allem Händler sind: Sie beschaffen Ware. Sie wählen aus und bewerben und begründen, warum gerade dieses Produkt jetzt für diesen Kunden das richtige ist. Und sie bieten Services, die den Kauf einfach machen. Das Erlebnis des Kaufs findet gerade bei Versandkonzepten (nur) dann seinen Abschluss, wenn der Kunde zur Kasse geht und später die Ware erhält. DAS ist die Kernkompetenz. Globetrotter bietet ein Beispiel, wie man „Erlebnis“ im Laden, im Katalog, im Shop und im Content ("4 Seasons" mit Magazin, Website, TV) inszeniert. Die wissen, was wann wo richtig ist!

Lesen Sie weiter, wie die technische Entwicklung auch den Onlinehandel verändern wird.

Außerdem, haben wir alle drei Artikel, der besseren Übersicht wegen, zu einem Fachartikel "Erlebnis-Shopping" zusammengefasst, welches unseren Newsletter-Abonnenten (Anmeldung selbstverständlich kostenlos!) zum PDF-Download bereitsteht.

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