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Und Gütesiegel wirken doch…!

Schon früher hatten wir bedauert, dass es keine unabhängigen Studien über die Wirkung von Gütesiegeln gibt und sogar ein eigenes Testszenario vorgeschlagen. Jetzt gibt es eine wissenschaftliche Untersuchung zum Thema. Allerdings mit einem anderen Versuchs-Set-up als von uns vorgeschlagen: Das ECC-Handel testeste für die Studie "Die Effektivität vertrauensbildender Maßnahmen im E-Commerce" das Verhalten von repräsentativ ausgewählten Testkäufern mittels "simulierter Käufe" (siehe Kasten). Im Test waren der Einfluss von Gütesiegeln (Trusted Shops versus Geprüfter Online-Shop) und Internet-Zahlungsverfahren ("Giropay" versus "Clickandbuy").

Die Ergebnisse fasst ECC-Handel so zusammen:

Sowohl die Zahlarten, als auch die Gütesiegel wirken positiv – in der simulierten und stark isolierten Umgebung des Test sogar massiv positiv:

Die Methode "simulierter Käufe": Für die Tests wurden den Probanden bestimmte Gesamtbudgets zur Verfügung gestellt und sie bekamen den Auftrag ganz bestimmte Waren einzukaufen, darunter sowohl physische Produkte als auch Downloads und unterschiedlichste Warengruppen. Das vorgegebene Ziel war, ihr Restguthaben hoch zu halten, also möglichst günstige Preise zu finden. Je aufgesuchtem Shop wurden jedoch "Suchkosten" vom Budget abgezogen. Außerdem wurden hin und wieder "Lieferprobleme" simuliert, wobei den Probanden für solche nicht gelieferten Waren ebenfalls Beträge vom Budget abgezogen wurden, um den tatsächlichen "Ärger mit unzuverlässigen Shops" zu simulieren.

Auf der für die Studie erstellten Shopplattform standen jeweils maximal fünf unterschiedliche Shops zur Verfügung, alle mit nur minimalen Funktionen (nur das gesuchte Produkt, keine Händlerinfos etc. Nur bei den Zahlungsarten-Tests musste auch ein (minimaler) Warenkorbprozess durchlaufen werden. Manchen Shops waren bekannte Händlermarken zugeordnet, um den vertrauensbildenden Einfluss von Markenbekanntheit zu testen.

Dass die Nebenbedingungen so minimiert gehalten wurden (minimale Shopausgestaltung, keine Produktsuche im Shop etc.) sollte ermöglichen, dass die zu untersuchenden Faktoren ganz isoliert betrachtet werden können.

Gezählt wurden die Käufe in Kontroll-Durchläufen, bei denen keiner der fünf simulierten Shops ein Siegel bzw. eine der Zahlarten aufwies sowie die Käufe in den Versuchs-Durchläufen, bei denen jeweils im 2. und im 4. besuchten Shop die zu untersuchende Maßnahme (Siegel oder Zahlart) eingeblendet wurde. Die Effektivität der Vertrauensbildung drückt sich dann in "Mehr-Verkäufen" bei Shops mit Maßnahme aus.

Teilgenommen haben 513 Personen – keine Riesenanzahl, aber für solch aufwendige Tests auch keine zu geringe Zahl, die Personen waren repräsentativ ausgewählt worden. Insgeamt basiert die Studie auf knapp 15.000 simulierten Käufen.

Einzelergebnisse

Neben den Siegeln und Zahlarten wurde zusätzlich untersucht, ob diese "Vertrauensverstärkung" je nach Produktwert (Preis etwa 50 Euro bzw. etwa 200 Euro) und/oder von der Art der Güter (physische versus digitale Waren) unterschiedlich ausfällt.

Hier zeigte sich, dass die untersuchten "vertrauensbildenden Maßnahmen " bei digitalen Gütern noch weitaus wirksamer waren – mit einer Ausnahme: Bei Giropay fiel der Kaufzuwachs bei digitalen Gütern niedriger aus als bei realen Gütern.

Im Vergleich zwischen Shop unbekannter Händler versus Shops, denen bekannte Namen zugeordnet wurden (Amazon, Karstadt) dagegen zeigten sich die meisten vertrauensbildenden Maßnahmen bei Shops mit bekanntem Namen wirkungslos bis negativ. Einzig Giropay wirkte positiv, Trusted Shops dagegen sogar deutlich negativ!*

Die Ergebnisse der Auswirkungen bei unterschiedlichen Preiskategorien sind erwartungsgemaß deutlich: Je mehr Geld für die Test-Kunden "auf dem Spiel" stand, desto stärker orientierten sie sich an Siegeln bzw. "sicheren Zahlarten".

Sehr interessant sind auch noch weitere Test im Rahmen der Studie: So wurde auch untersucht, wo im Bestellablauf eine vertrauensbildende Zahlart am besten eingeblendet werden sollte. Hier zeigte sich, dass ein Einblenden erst im Warenkorb einen Großteil der Wirksamkeit verpuffen lässt.

Fazit

Alle Zahlen der Studie sind als absolute Werte generell mit Vorsicht zu genießen, warnt die Studie: Durch die enorme Isolierung der untersuchten Merkmale in den Testshops, sind die Reaktionen der Testkäufer auf die jeweilige Simulation überdeutlich. Im tatsächlichen Shop würden sie von anderen vertrauenslenkenden Maßnahmen (Shoplayout, Händlerinfos etc.) mit beeinflusst und damit im Ausmaß abgepuffert.

Dennoch liegt hier erstmals eine wissenschaftlich abgesicherte und isolierte Verhaltensbeobachtung vor, die belegt, dass Shops unbekannter Namen Vorteile daraus ziehen können, sich quasi unter das "Schutz-Siegel" einer bekannten Organisation zu stellen. Spannend dabei ist aber, dass entsprechend als sehr sicher angesehene Zahlmethoden die gleichen positiven Auswirkungen haben kann, wie Gütesiegel.

Wie hoch der positive Einfluss im realen Shopbetrieb ausfällt, dürfte dennoch erst eine Untersuchung nach der von uns vorgeschlagenen Methode herausfinden. Dann allerdings spielen wiederum die flankierenden Vertrauensmaßnahmen des jeweiligen Shops in die Ergebnisse hinein. Händler können aber auch ohne A/B-Tests überprüfen, ob bzw. wieviel ihnen ein Siegel (bzw. eine andere Maßnahme) bringt. Dazu reicht es, sein Web-Controlling intelligent zu konfigurieren!

Die spannende, 41 Seiten umfassende Studie ist für € 25,- unter www.ecc-handel.de oder über den Buchhandel erhältlich.

Herzlich aus Hürth
Nicola Straub

*(Hierfür bietet die Studie mehrere mögliche plausible Erklärungen an – eventuell aber kannten die Probanten die vorgespielten Marken aber so gut, dass das Vorspiegeln einer Maßnahme, die normal bei der Marke nicht vorhanden ist, merklich irritierte – jedenfalls wäre ich sehr irritiert, wenn Amazon plötzlich ein Shopsiegel trüge ;-))

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