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Interview mit Unternehmensverkäufer Robin Thies: „Für einen höheren Verkaufspreis muss der Händler mehr ins Risiko gehen“

2017 hat Robin Thies die beiden E-Commerce-Marken Brunolie (Hundebetten) und Homeoutfit24 (Gartenmöbel) gestartet und innerhalb von drei Jahren auf einen Jahresumsatz von 6,8 Millionen Euro und zum Bestsellerstatus in seinen Hauptkategorien auf Amazon gebracht. Ende 2020 entschied sich der Händler zum Verkauf seiner Marken – und bereits am 1. Februar erfolgte die Übergabe seines Unternehmens an die Berlin Brands Group. Mit shopanbieter.de sprach Robin Thies über seine Erfahrungen im Onlineshop Verkauf. Sein Rat an Händlerkollegen, die ebenfalls über einen Verkauf nachdenken: Ehrlich und hartnäckig sein. Denn: Ein bisschen was geht immer.

Herr Thies, nach dem Verkauf Ihres Unternehmens haben Sie auf Facebook angeboten, andere Händler bei deren Verkaufsprozessen zu beraten. Wie viele Kollegen haben sich denn bisher gemeldet?

Robin Thies: Über 30 Händler haben mich angeschrieben. Die meisten waren schon im Verkaufsprozess oder wollten bald erste Angebote einholen und wollten sich einfach ein bisschen über Details austauschen.

Und was wollen die meisten von Ihnen wissen?

Thies: Am häufigsten kommt die Frage nach meinem Multiple – die ich aus Vertragsgründen nicht beantworten kann. Aber selbst wenn ich die Zahl nennen dürfte, hätte sie meines Erachtens wenig Aussagekraft für den Preis, den ein anderer Händler erzielen kann, weil sehr viele Faktoren in diesen Multiple reinspielen. Mir selbst ist diese Messgröße auch zu abstrakt. Ich habe mir vorgenommen: Ich will nicht zu einem Preis verkaufen, der unter dem liegt, was ich selbst mit meinem Unternehmen innerhalb von fünf Jahren verdienen könnte. 

Warum wollen die Händler, die Sie anschreiben, denn verkaufen?

Thies: Vielen geht es so wie mir: Die Risiken für das eigene Geschäft werden immer größer. Die Versanddienstleister erhöhen beispielsweise seit Jahren fleißig die Preise, was an der Marge zehrt, weil man die Kosten nur selten auf den Kunden umlegen kann. Zudem denkt Amazon eindeutig global, und wer die Internationalisierung nicht mitgehen will oder kann, wird schnell abgehängt. Das fängt bei der Zahl der Bewertungen an – die natürlich stark ansteigt, wenn man in mehrere Märkte verkauft statt nur in einem – und hört beim Preiskampf noch längst nicht auf. Für mich war das der Hauptverkaufsgrund: Um als relativ kleines Unternehmen mit weniger als 10 festen Mitarbeitern international mitspielen zu können, muss man sehr, sehr viel Arbeit investieren. Da war ich mir sicher, dass eine große Firma wie zum Beispiel BBG sich mit der Skalierung unserer Marken deutlich leichter tut. 

Da trifft es sich ja gut, dass aktuell um den Aufkauf von Amazon-Geschäftsmodellen so ein Hype in der Branche entstanden ist…

Thies: Absolut, momentan ist ein sehr guter Zeitpunkt für einen Verkauf, da viel Geld auf Aufkäuferseite zur Verfügung steht, welches investiert werden muss. Grundsätzlich kann ich jedem Seller nur raten, sich wenigstens einmal mit dieser Option zu beschäftigen. Ich bin mir beispielsweise sicher, dass ich nun mit der gewonnenen Liquidität einen umso größeren Hebel auf meiner Seite habe, um innerhalb der nächsten 5 Jahre etwas noch Größeres aufzubauen, was unterm Strich zu mehr Gewinn führt, als wenn ich das Unternehmen weitergeführt hätte

Wie sind Sie an den Verkauf herangegangen?

Thies: Wie viele D2C-Händler in letzter Zeit haben auch wir als Bestseller-Anbieter in unseren Hauptkategorien in den letzten Monaten viele Cold Calls, Mails und Briefe von Aufkäufern bekommen. Diese Optionen habe ich dann einfach geprüft, als ich mich zum Verkauf entschlossen hatte. Mit KW Commerce, Razor Group und BBG habe ich dann genauere Gespräche geführt. 

Hat es sich gelohnt, mit mehreren Aufkäufern parallel zu verhandeln?

Thies: Auf jeden Fall. Ich bin ja in die Verkaufsgespräche mit eher geringer Planung reingegangen. Da war es auf jeden Fall gut, mehrere Angebote einzuholen und so ein Gefühl für einen realistischen Preis zu bekommen. Das würde ich jedem Händler, der verkaufen will, auf jeden Fall raten. 

Warum haben Sie dann nicht mit noch weiteren Aufkäufern gesprochen?

Thies: Wir betreiben ein eigenes Lager und versenden nicht über FBA, weil die meisten unserer Produkte recht groß sind; unsere Pakete haben ein Durchschnittsvolumen von 200 Liter. Dadurch kamen nur Aufkäufer in Frage, die ein eigenes Lager in Deutschland betreiben – und das sind nicht besonders viele. Wer aber per FBA versendet, hat unter den Aufkäufern definitiv mehr Auswahl und sollte die auch nutzen. 

Wie lang hat sich der Verhandlungsprozess hingezogen?

Thies: Nach zwei, drei Wochen Gesprächen stand fest, an wen wir verkaufen werden. Danach kam ein detaillierter Prüfungsprozess. Da werden die BWAs genau angeschaut, Lieferantenkontakte geprüft, die Profitabilität auf ASIN-Ebene unter die Lupe genommen und die Konkurrenzsituation genau analysiert. Später in der Due Dilligence-Phase kamen dann noch Compliance-Themen auf den Tisch. So laufen die meisten Verkaufsprozesse ab.

Wie viel Arbeit hatten Sie mit dem Prozess?

Thies: Das hielt sich in Grenzen. Ich hatte ja, nachdem ich mich recht schnell zum Verkauf entschlossen hatte, wenig vorbereitet und habe sämtliche Unterlagen im laufenden Verkaufsprozess zusammengetragen. Das war eigentlich kein Problem, obwohl unser Verkauf sogar parallel zum Weihnachtsgeschäft ablief. Die Aufkäuferseite unterstützt den Händler in der Regel auch sehr. 

Haben Sie Tipps für den Verhandlungsprozess?

Thies: Meiner Erfahrung nach haben die Aufkäufer klare Preisvorstellungen – aber daran lässt sich schon noch drehen. Unsere ersten drei Angebote lagen zunächst alle in ähnlicher Höhe und nach und nach haben sich die Aufkäufer eine Zeitlang gegenseitig überboten. Für einen höheren Verkaufspreis muss man als Verkäufer aber auch mehr ins Risiko gehen: Der Earn-Up-Anteil am Verkaufspreis wird dann erhöht, der Upfront-Anteil verringert sich. Da muss man dann schon ganz genau wissen, welchem Aufkäufer man die Umsetzung der Umsatzprognosen auch zutraut. Auch über einen Earn-Up-Bonus, den man bekommt, wenn die Umsatzsteigerung die Prognosen übertrifft, kann man verhandeln. Auch über die Eigenleistung in der Earn-Out-Phase kann man reden, um festzulegen, wie stark beratend man wie lange an Bord bleibt, und wie dieser Einsatz vergütet wird. Zudem lohnt es sich, einen Zeitplan für die Übergabe des Unternehmens schriftlich festzulegen und einen Anwalt mit Erfahrung in Unternehmensverkäufen auf den Vertrag schauen zu lassen. Ansonsten rate ich in den Verhandlungen dringend zu Transparenz und Ehrlichkeit.

Leichen im Keller verstecken bringt also nichts?

Thies: Nein. Im Verkaufsprozess wird mit den Lieferanten gesprochen, wenn es da Probleme gibt oder Preiserhöhungen anstehen, kommt das auf jeden Fall raus. Auch auf gefälschte Bewertungen wird zum Beispiel geprüft. Und außerdem gibt man im Vertrag ja auch Garantien ab. Wenn sich während der Earn-Out-Phase Probleme auftun, kann das für den Verkäufer richtig teuer werden. Große Hindernisse, die den Verkaufspreis stark beeinflussen oder einen Verkauf verhindern würden, kommen sowieso irgendwann ans Licht, und kleinere Probleme lassen sich im Gespräch klären, wenn man ehrlich miteinander umgeht. 

Was haben Sie nach dem Verkauf Ihrer beiden Marken vor?

Thies: Ich möchte mich in Zukunft zusammen mit drei Mitgründern ganz dem Brand Building verschreiben. Wir wollen drei bis vier Marken auf Amazon parallel aufbauen mit dem klaren Ziel, diese nach einiger Zeit wieder an größere Unternehmen zu verkaufen. Brand Building macht mir Spaß, Brand Skalierung weniger, da man hierfür ein großes Team braucht, wodurch das Risiko wieder steigt. Jetzt kann ich mich auf das konzentrieren, was mir Spaß macht. Zusätzlich berate ich weiterhin andere Seller bei deren Verkaufsprozessen.

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