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Corona-Virus: Das sollten Online-Händler jetzt tun

Das Corona-Virus hat viele Produktionsstätten in China lahmgelegt und die internationale Logistik ausgebremst. Vor allem Online-Händlern, die ihre Produkte in China sourcen, könnte die Ausnahmesituation handfeste Geschäftsprobleme bereiten. Das Motto lautet jetzt, wie in jeder Krise: Ruhe bewahren, Strategie ausarbeiten, Vorbereitungen treffen. Wir stellen fünf Überlebensstrategien vor.

Das Corona-Virus (offiziell: Covid-19) dominiert seit Anfang des Jahres die Schlagzeilen auf der ganzen Welt. Aktuell haben sich laut offiziellen Angaben fast 65.000 Menschen mit dem Grippe-Erreger infiziert, 1.400 Patienten sind bisher daran gestorben. 

Zentrum der Erkrankung ist China – und das hat auch Folgen für den Welthandel. Die größte Handelsmacht der Erde ist lahm gelegt, Schifffahrt und Flugverkehr stehen teilweise still, viele Fertigungsbetriebe sind geschlossen. Das könnte sich vor allem für Händler, die ihre Waren in China sourcen, zum massiven Problem auswachsen.

„Alle Informationen, die ich aus verschiedenen Teilen Chinas erhalte, sagen klar, dass es einen deutlichen Einschnitt bei der Produktion und dem Transport von Waren aus China gibt“, sagt bvoh-Präsident und China-Kenner Oliver Prothmann. „Alle Händler, die nicht noch größere Mengen vor dem chinesischen Neujahrsfest geliefert bekommen haben, werden sich auf erhebliche Verzögerungen einstellen müssen. Aus unseren Kontakten hören wir, dass die Produktionen frühestens in vier Wochen wieder normal laufen.“ 

Widersprüchliche Meldungen aus der Händlerschaft

Bereits jetzt berichten viele Händler in den einschlägigen Facebook-Gruppen von Lieferschwierigkeiten und schwindenden Beständen. „Die Lieferketten in China sind unterbrochen“, sagt unter anderem Klaus Forsthofer, Co-Gründer von ACE Deutschland. „Zum Teil liegen auch schon gelieferte Container im Hamburger Hafen, die chinesischen Lieferanten bringen aber die entsprechenden Papiere nicht bei.“ Bei anderen ist die Krise dagegen noch nicht angekommen. „Auswirkungen von Covid-19 auf mit Otto assoziierte Produktionsstandorte oder Lieferketten können wir aktuell nicht erkennen“, teilte uns auf Anfrage beispielsweise ein Sprecher der Hamburger Otto Group mit, die ihren Mitarbeitern aktuell Reisen von und nach China verboten hat. 

Der unvermeidliche Einbruch sei aber wohl nur eine Frage der Zeit, meint Oliver Prothmann: „Ich gehe davon aus, dass wir diesen Sommer bei vielen Artikeln ein Verfügbarkeitsproblem bekommen werden. Jeder Händler, der Sommerware aus China bezieht und diese noch nicht im Lager hat, wird starke Schwierigkeiten bekommen, diese rechtzeitig zu erhalten.“ Das Problem liege dabei vor allem in der Logistik, warnt Wortfilter-Blogger Mark Steier auf Basis eigener Recherchen: „Selbst wenn im Idealfall Rohmaterial für die Produktion vorhanden ist und die Arbeiter wieder in die Fabriken kommen können, werden die meisten Händler mit stark gestiegenen Frachtraten und sehr knappen Frachtraum zu kämpfen haben. Ich denke, wir müssen im Worst Case mit Verzögerungen von bis zu 12 Wochen rechnen.“

Amazon warnt vor Out-of-Stock wegen Corona

Und das bedeutet im Umkehrschluss: Vielen Händlern droht eine empfindliche Out-of-Stock-Situation – die vor allem Amazon Marketplace-Sellern das Geschäft durch eine verschlechterte Seller-Performance langfristig verhageln kann. Folgerichtig hat Amazon diese Woche im Seller Central auf die Gefahren rund um das Corona-Virus hingewiesen:

„Wenn Ihre Geschäftsabläufe beeinträchtigt werden könnten, empfehlen wir Vorkehrungen, um die Verkäuferleistung Ihres Kontos zu schützen. […] Wenn Ihre Statistiken zur Verkäuferleistung von diesem Ereignis beeinflusst werden, geben Sie bitte eine kurze Beschreibung der Auswirkungen auf Ihr Geschäft an.“

Händler sollen sich also auf die drohende Krise vorbereiten – ein guter Ratschlag. Aber wie macht man das konkret? Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten, stattdessen muss jeder Händler den für ihn passenden Plan B finden. Wir stellen Ihnen deshalb fünf Varianten für akutes Corona-Krisen-Management vor.

1. Hamstern

Händler, deren Lieferwege noch einwandfrei funktionieren, können diesen Glücksfall nutzen, um ihre Bestände noch einmal ordentlich aufzupolstern. „Wir haben immer einen Jahresvorrat unserer Bestseller auf Lager“, berichtet beispielsweise Marc Schommertz, E-Commerce-Leiter bei Shopping.de. „Die Produktionsdauer dieser Produkte liegt bei vier Wochen. Bei einem unerwarteten deutlichen Verkaufsanstieg, oder bei einer Lieferkrise würden wir sonst eventuell Gefahr laufen, out-of-stock zu gehen, wenn wir just-in-time nachproduzieren lassen.“ Auch Amazon selbst setzt einem Reuters-Bericht zufolge auf diese Strategie: Der Konzern hat wohl für mehrere Wochen vorgesorgt und den Zulieferern dabei sogar Liefer-Vergünstigungen zugesagt. 

Diese Strategie eignet sich vor allem für Händler von preisgünstigen Produkten mit geringem Lagerplatzbedarf. Bei einem wertigeren Sortiment wird durch Hamstern sehr viel Kapital im Lager gebunden. „Wir müssen sehr sorgsam mit unserem Lagerplatz umgehen“, sagt zum Beispiel Klaus Forsthofer. „Wir holen uns deshalb nur genug Produkte für die nächsten 3-6 Monate ins Lager.“ 

2. Verkäufe vermeiden

Um nicht out-of-Stock zu gehen, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten – für Nachschub sorgen oder weniger verkaufen. Auch wenn die zweite Möglichkeit aus Händlersicht widersinnig klingt, kann sie in akuten Krisenzeiten ein probates Mittel sein, um die Lagerreichweite zu erhöhen und nicht durch Lieferengpässe an Sichtbarkeit zu verlieren. Konkret bedeutet das: Marketing-Ausgaben runter, Preise hoch. Dadurch werden weniger Kunden bestellen, und der Lagerbestand reicht etwas länger. „In Krisenzeiten müssen Händler vorübergehend eher in Verfügbarkeiten denken als in Abverkäufen“, meint Oliver Prothmann. „Das gilt auch für die Online-Marktplätze.“

3. Lieferantenwege diversifizieren

Zum Kunden hin denken bereits viele Händler in Multichannel-Strategien und sprechen den Konsumenten auf den unterschiedlichsten Vertriebswegen mit ihren Produkten an. Auch bei der Endkunden-Logistik setzen die meisten Händler auf wenigstens 2 Logistik-Dienstleister – so bekommt man das Paket auch während eine DHL-Streiks zum Kunden. Auf der Lieferantenseite herrscht dagegen oft noch Eintönigkeit: Die Händler haben einen Exklusivvertrag mit genau einem chinesischen Zulieferer – und sind von diesem natürlich maximal abhängig. Wer hier auch in guten Zeiten in ein breiteres Lieferantennetzwerk investiert, profitiert davon in der Krise. „Wir unterhalten neben unseren chinesischen Hauptlieferanten auch Beziehungen zu Lieferalternativen innerhalb der EU“, erzählt Marc Schommertz. Diese hält er sich im normalen Geschäftsbetrieb mit kleinen Zuwendungen warm. „Kleinere Produktchargen oder kurzfristige B2B-Bestellungen ordern wir bei diesen Lieferanten. Auch für den Produktlaunch nutzen wir sie regelmäßig.“ Andere Händler werfen von vorneherein ein breites Lieferantennetzwerk aus. „Wir kaufen den größten Teil unseres Sortiments in der EU sowie in asiatischen Ländern abseits von China ein“, berichtet Klaus Forsthofer. „Damit sind wir beim Einkauf ähnlich breit aufgestellt wie im Verkauf. So können wir nicht nur auf Ausnahmesituationen wie die Corona-Krise gut reagieren, sondern zum Beispiel auch auf Währungsschwankungen.“

4. Restposten-Sourcing

Wenn das Lager allen Bemühungen zum Trotz immer leerer wird, weil die Lieferanten nicht liefern können, müssen die Produkte für den Verkauf von anderer Stelle kommen. Schnell verfügbar, da bereits fertig produziert und in der Regel in der EU gelagert, sind Restposten. Einkäufe über die üblichen Restposten-Marktplätze oder auch im Direktverkauf unter Händlern können die Lagerreichweite eventuell um den entscheidenden Tag verlängern. 

5. Geschäft mit gutem Controlling verschlanken

In einem Sturm hat ein windschnittiges, wendiges Schiff bessere Überlebenschancen. Ähnliches gilt auch für ein Unternehmen inmitten einer weltweiten Handelskrise: Händler, die genau wissen, an welchen Produkten sie am meisten verdienen, wo die Penner im Lager liegen und welche Lieferantenwegen am meisten kosten, haben ein klareres Bild von möglichen Schwachstellen und eventuellen Alternativen. „Dazu muss man sich nur vor Augen führen, dass sich bei jedem Händler im Normallfall 30-50% seiner Produkte in den letzten 12 Monaten nicht gedreht haben, also keine einzige Bestellung dafür einging“, sagt Controlling-Experte Peter Höschl. „Das ist also nicht nur totes Kapital im Lager, sondern verursacht letztlich ja weiterhin jeden Monat für Kosten. Also raus damit! Das geht aber natürlich nur, wenn man weiß, was sich verkauft hat. Und nur wer seine Lagerreichweite kennt, kann passgenau nachbestellen und vermeidet dauerhaft unnötige Kapitalbindungen. Gerade in Krisenzeiten kann dies über wohl und wehe entscheiden.“ Wie wir schon mehrfach auf shopanbieter.de betont haben, hilft gutes Controlling nicht nur im Fall von chinesischen Pandemien, sondern auch bei ganz normalen Konjunkturkrisen. „Die beste Vorbereitung ist ein gutes Geschäftsmodell, das margenseitig krisenresistent ist“, bestätigt auch Klaus Forsthofer. „Die Hochs und Tiefs im Welthandel werden in immer kürzeren Abständen kommen. Da muss man dynamisch aufgestellt sein.“

Wenn es damit jetzt schnell gehen muss: Einen ersten Einblick in Ihre wichtigsten Geschäftszahlen liefern wir Ihnen zusammen mit unserem Partner DataWow. Reinschauen lohnt sich. Auch ohne Corona-Krise. 

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