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Amazon Marketplace: Fluch oder Segen

Vor einiger Zeit gab es im Oxid-Forum eine Diskussion zum Verkauf über Amazon. Viele Händler äußerten sich dort recht frei über ihre Erfahrungen. Heraus kam eine kurze Liste mit Vor- und eine lange mit Nachteilen, die ich unten einmal zusammenstelle.

Am meisten Unmut macht den Händlern das (unterstellte!) Verhalten, dass Amazon die Topprodukte der Händler über kurz oder lang in den eigenenKatalog nimmt. Dabei unterbiete Amazon angeblich auch noch die Marketplaces-Preise und bote so die eigenen Händler aus. In das gleiche Horn stößt diese Woche eBay-Kenner Axel Gronen im Gespräch mit iBusiness: "Ebay ist ’nur‘ ein Marktplatz, während Amazon den eigenen Händlern mit eigenen Produkten Konkurrenz macht", wobei Amazon anhand der Marketplace-Verkaufsdaten "die Ladenhüter der Händler erkennt und meidet."

Amazon-Chef Bezos ging bereits im letzten November in einem Interview mit der FAZ auf dieses verbreitete Gerücht ein:

"Jedes dritte Produkt, das wir verkaufen, stammt inzwischen von diesen [Marketplaces-]Händlern – und der Anteil steigt weiter. Auch in Deutschland ist dieser Anteil schon sehr hoch", sagt Bezos. Angst, dass die Kunden die Produkte der anderen Händler besser finden, hat er nicht. "Uns ist es egal, ob ein Kunde ein Produkt bei Amazon oder bei einem unserer Händler kauft. Unser Umsatz ist zwar geringer, wenn der Kunde das Produkt eines Händlers wählt, aber die Verkaufsgebühr, die wir dafür erhalten, entspricht im Durchschnitt unserem Gewinn, wenn wir es selbst verkauft hätten", sagt Bezos.

Allerdings hat Amazon auch ein starkes Interesse daran, die Marketplaces als Erfolgsstory für die Händler darzustellen, schließlich ist das Konzept eine solche vor allem für Amazon: Weit über eine Million Händler setzen dort Waren um und zahlen dabei an Amazon zwischen 10 und 15 Prozent Kommission.

Welche Vor- und Nachteile sehen nun deutsche (Oxid-Shop-)Händler am Marketplaces-Vertrieb? Und ist es für das Geschäft vielleicht sogar gefährlich, bei amazon mitzumischen?

Als   V O R T E I L E   nennen die Händler im Oxid-Forum:

Die Möglichkeit der Neukundengewinnung: "[amazon]de läuft – zur Neukundenfindung – ganz prima nebenbei mit – wobei die Gebühren nicht ohne sind". Besonders mit Nischenprodukten, die Amazon selbst nicht führt und die zudem gute Gewinnspannen haben, sei dort ein Geschäft zu machen.

Positiv wird auch die Zahlungsgarantie gesehen: "Das Geld ist bei jedem Auftrag durch Amazon versichert!" und "das Zahlungsrisiko ist gleich null".

Zudem seien bei Amazon deutlich höhere Preise erzielbar als bei Ebay weil bei Amazon relativ viele kaufwillige Kunden unterwegs sind, die auch weniger preiskritisch seien.

Vielleicht etwas überraschend ist der Tipp, das Amazon-Engagement als sehr kostengünstige SEO-Maßnahme anzusehen: "Es ist aber so, daß wir bei Amazon für 39 EUR im Monat mit unseren Artikeln auf den obersten Plätzen bei Google sind. Egal wie viele klicken oder sonstige Tricks – es kostet uns nur 39 EUR. Sämtliche anderen Möglichkeiten, bei Google da so hoch zu kommen sind meines Wissens nach deutlich teurer.. Andere fühlen sich durch die SEO-Stärke Amazons geradezu zum Marketplaces-Vertrieb getrieben: "Wenn ich also nicht meine Artikel darüber verkaufe, machen es die Mitbewerber. Die Prämie ist zwar nicht gerade gering, aber dafür werden adwords geschaltet, auf Wunsch Werbeaktionen gemacht".

Dagegen fallen die genannten   N A C H T E I L E   zunächst geringer ins Gewicht:

Hier stößt vor allem der aufwendige Datenimport mit unübersichtlichen csv-Dateien negativ auf.

Auch die Provisionen sind vielen Händlern zu hoch und es ärgert, dass sich diese i.d.R. auch auf die Versandkosten erstrecken. Zudem sei das Abrechnungssystem zu kompliziert.

Wer international verkauft, würde gern auch auf Amazon.com gelistet werden – dies scheint aber nicht zu funktionieren.

Als Problem stellt sich die Amazon-Datenbank dar, die manchmal so "träge" reagiere, dass die Aufträge schon mal mit zwei Tagen Verspätung eintrudeln würden. Gleichzeitig aber sind die Amazon-Kunden verwöhnt und erwarten eine Liefung binnen zweier Tage. Hängt ein Auftrag länger, hagele es dann oft negative Bewertungen.

Dennoch wird in der Diskussion eher von Amazon abgeraten. Dies liegt weniger an den paar genannten Nachteilen des Amazon-Systems – vielmehr werden   E C H T E G E F A H R E N    für das eigene Geschäft gesehen!

Diese großen Fallen stecken nach Meinung der Händler in den Marketplaces:

Die SEO-Stärke Amazons kann zur Gefahr werden, wenn die eigenen Shops durch die eigenen Marketplace-Angebote von guten Google-Rängen verdrängt werden. Und dies auch noch nach einer Beendigung der Amazon-Angebote: "auch nachdem ich das Listing beendet hatte waren die Seiten immer noch erreichbar ("Diesen Artikel führen wir nicht mehr.".. stand dann da)."

Ganz besonders übel stößt den meisten auf, dass sich Amazon per AGB die Nutzungsrechte an den Texten und Bildern der Marketplaces-Händlern sichert – zur eigenen Nutzung sowie auch zur Nutzung durch konkurrierende Marketplaces-Händler: "Du musst unterschreiben, dass Bilder, Texte etc. sowohl von Amazon als auch Deinen Mitbewerbern auf der Plattform verwendet werden dürfen."

Das wiederum nehmen Konkurrenz-Anbieter als "Einladung", unter Nutzung genau dieser mühsam hinterlegten Beschreibungen und Fotos gezielt Artikel billiger anzubieten – teilweise sogar unter dem Einkaufspreis: "Man stellt Bilder und Texte mühevoll ein und dann kommen da so Krauter mit einem ebay-Bauchladen daher und springen auf und treiben die Preise weit unter den EK, nur um Umsatz zu machen und am Schluss eine positive Benotung vom Käufer zu erhalten."

Auch mit der Zahlungssicherheit gibt es manchmal Probleme, die an ähnliche Vorfälle bei Paypal erinnern. Ein Händler wittert dahinter sogar eine Masche: "Seit 2007 berichten viele Händler von plötzlichen Sperren des "Wachposten" in der Regel 3 Tage vor der Auszahlung. Einige Kollegen haben bis zu 90 Tage auf Ihr Geld gewartet."

Generell soll für Amazon unter den Marketplace-Händlern eine "2-Klassen-Gesellschaft" existieren: "1. Händler, die bei Amazon verkaufen wollen und 2. Händler, bei denen Amazon will, dass deren Artikel bei Amazon angeboten werden sollen." Ein zweiter Händler unterstützt diese Vermutung: "So ist es, da wurden AdWords für Produkte ausgewertet die Amazon nicht liefern konnte. Also dachte man sich, bevor die Kunden über AdWords wieder verschwinden, holen wir den Verkäufer lieber ins Boot."

Aber vor allem die ganz oben beschriebene (und von Bezos zurückgewiesene) Unterstellung des "Unfair-Spiels" wird in einer Großzahl der Postings unterstrichen: "Die derzeitige Strategie ist eine Lizenz zum Gelddrucken" ärgert sich ein Händler: "Die Händler Bilder + Texte liefern lassen, sich damit die umfangreichste Datenbank überhaupt im eCommerce gratis aufbauen, einmal im Monat auf den Knopf drücken und schauen was sich gut verkauft und dann selbst ins Sortiment aufnehmen. Und den Preis des Händlers unterbieten natürlich, denn Amazon zahlt ja selbst keine Provision."

Aus diesem Grund gehen manche Händler sogar soweit, die Nutzung von Amazon Marketplaces als eine Art Selbstmord zu betrachten: "Fakt ist, es ist eigentlich auf lange Sicht tödlich für den eigenen Shop bei Amazon zu verkaufen. Nicht nur weil Mitbewerber aufspringen können, sondern auch weil Amazon sieht, was wer wie oft verkauft und wenn es sich lohnt, nimmt Amazon das Produkt selber ins Sortiment auf. Dann liefert Amazon in der Regel versandkostenfrei und Du hast das Nachsehen. Welcher Hersteller fällt nicht um, wenn Amazon anruft? Von daher sehe ich das so: Hände weg und auf den eigenen Shop konzentrieren!"

Soweit die Händler im Oxid-Forum – was sind Ihre Erfahrungen?

Herzlich aus Hürth
Nicola Straub

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