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Allyouneed-Aus: Vorhersehbares Ende einer halbscharigen Totgeburt

Es ist kein guter Sommer für deutsche Marktplätze: Nach dem viel beweinten Ende von Dawanda wurde nun bekannt, dass auch die DHL-Tochter Allyouneed.com (früher MeinPaket.de) noch in diesem Jahr ihre Pforten schließen wird. Ich weiß, wenn etwas schief gegangen ist, will niemand hören „Ich hab’s Dir doch gesagt“, aber Allyouneed.com war ein von Anfang an ein Schildbürgerstreich, wie er im Buche steht.

2010 brachte die DHL MeinPaket.de an den Start, damals mit einigem Getöse: Unter dem Leitsatz „Mehr verkaufen, mehr verdienen“ sollte MeinPaket.de die erste Wahl für Händler werden, Formel 1-Star Kimi Raikkönen wurde als Testimonial angeheuert, um die B2C-Kampagne zu befeuern. Von Anfang an sah man dem Projekt allerdings Haken und Ösen an, sei es die erzwungene Verknüpfung zwischen MeinPaket.de und den Packstationen der DHL, der Zwangsregistrierung für Nutzer, die einer Bestellung vorausging oder auch das Problem der mangelhaften Schnittstellen, das bis heute nicht behoben wurde, wie mir der Onlinehändler Sascha Busch bestätigte, der auf Allyouneed.com aktiv ist:

„Es gibt keine Anbindung an unsere bestehende Warenwirtschaft. So konnten wir immer nur bedingte und händisch gepflegt Warenbestände hinterlegen um keine Überverkäufe zu produzieren.“

Das größte Problem von Allyouneed.com blieb aber über die gesamten acht Jahres seines Bestehens das zu geringe Nutzervolumen. Mit Bezug auf die einschlägigen gut informierten Kreise schätzte Mark Steier gestern in seinen Morning News das Gesamtmarktplatz-Volumen auf rund 50 Millionen Euro pro Jahr. „Die größten Händler haben etwa eine Million Euro Umsatz pro Jahr gemacht“, meint Mark. „Zu ihren besten Zeiten allerdings.“

Diese besten Zeiten waren spätestens letztes Jahr vorbei. Damals wurden die relativ erfolgreichen Wochendeals eingestellt und erste interne Auflösungserscheinungen traten auf: So wurden einige Mitarbeiter innerhalb der DHL von Allyouneed abgezogen, andere wechselten zu Crowdfox. „Seitdem sind die Umsätze eingebrochen und zuletzt schaffte es Allyouneed nur noch auf 1,25 Millionen monatliche Seitenaufrufe“, so Mark.  Die DHL selbst spricht von 5 Millionen registrierten Privatkunden – ohne anzugeben, wie viele diese Kunden „aktiv“ sind und innerhalb der letzten 12 Monate gekauft haben – und 3.000 Händlern.

Damit war der DHL-Marktplatz natürlich meilenweit weg von einem Amazon oder ebay, aber auch noch zu weit entfernt von einem Real.de. Dabei hätte man beim Start von MeinPaket.de durchaus davon ausgehen können, dass die nötige Nutzerzahl zu erreichen das kleinste Problem der DHL sein dürfte: Einfach auf jedes Post-Auto ein MeinPaket-Aufkleber und fertig ist die Marketing-Wurst. Doch dazu kam es nie, der Marktplatz lief immer weitgehend unter dem Radar und trat auch selten in den Medien in Erscheinung. Aber mit Understatement fängt man keine Nutzer.

Diese Marketing-Zurückhaltung, die sicher, neben technischen Unzulänglichkeiten, vornehmlich zum Ende von Allyouneed.com beigetragen hat, ist eigentlich nur zu verstehen, wenn man bedenkt, dass Amazon der größte Kunde der DHL ist – und dem größten Kunden steigt man wohl ungern mit einem Konkurrenzprodukt zu offensichtlich auf die Füße. Andererseits: Warum dann überhaupt einen Marktplatz ins Leben rufen – und im Laufe von acht Jahren sicherlich Millionen verbrennen?

Die offizielle Erklärung der DHL, die in den Händler-Gruppen Multichannel Rockstars und Wortfilter angeregt diskutiert wird, hilft nicht wirklich weiter:

„Wir haben 2010 – damals noch unter dem Namen „MeinPaket.de“ – einen Online-Marktplatz an den Markt gebracht. Damit war es uns möglich, über mehrere Jahre in einem schnell wachsenden E-Commerce-Umfeld alle Facetten des Online-Handels auch aus Kundensicht kennenzulernen. Unser primäres Ziel war es aber von Anfang an, intern E-Commerce-Expertise branchenspezifisch aufzubauen und dieses Know-how unserem logistischen Kerngeschäft zugutekommen zu lassen, denn unsere Kernkompetenz ist und bleibt die Logistik.

Mit dem Marktplatz-Modell haben wir wertvolle E-Commerce-Expertise aufgebaut und ein tiefes branchenspezifisches Verständnis für den Online-Handel gewonnen. Allerdings wollen wir jetzt unsere Kräfte bündeln und uns auf unser Kerngeschäft fokussieren – und dazu gehört für uns nicht der Betrieb eines Online-Marktplatzes. Wir haben alle Erfahrungen gesammelt, die wir benötigen, wenn wir zukünftig für solche Kooperationen zwischen Einzelhandel und E-Commerce logistische Lösungen anbieten sollen.“

Das Statement stößt vor allem den auf Allyouneed aktiven Händlern sauer auf: Soll man etwa acht Jahre lang für eine Selbsterfahrungsgruppe zum Thema E-Commerce hergehalten haben? Für mich hört sich die Erklärung eher wie die Ausrede des Fuchses aus der Fabel an, dem die Trauben, die er nicht erreichen konnte, irgendwann eh zu sauer waren: Nachdem man acht Jahre lang einen Marktplatz mit einer Menge Potenzial nicht zum Fliegen bringen konnte, behauptet man jetzt, das sei sowieso nie die Absicht gewesen.

Schade für die Vielfalt im deutschen E-Commerce. Aber letztlich der Beweis, dass sogar ein Dickschiff wie die DHL im E-Commerce nicht erfolgreich sein kann, wenn sie mit zuviel Halbscharigkeit ans eigene Projekt herangeht.

Bildquelle: © bigstock.com/ sanchairat

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