Der 36-stündige Prime Day, den Amazon letzte Woche feierte, beschäftigt die Branche noch Tage später. Wie war er denn nun, der große Schnäppchentag? Das „größte Shopping-Event“, das Amazon je veranstaltet hat, wie der Online-Marktplatz selbst behauptet? Das erwartete Umsatzfest, vor allem für kleine und mittelständische Händler? Oder ein Sammelsurium aus Pleiten, Pech und Pannen, garniert mit wenig attraktiven Angeboten mit oft eher zweifelhaftem Schnäppchen-Charakter?
Die aufmerksamkeitsstarken Kampagnen schienen sich gelohnt zu haben: Zu Beginn des Prime Day herrschte ein dermaßen hoher Verkehr auf den Amazon-Websites, dass die Server des Unternehmens zwischenzeitlich nicht hinterherkamen. Immerhin überbrückte Amazon die Wartezeit mit süßen Vierbeinern.
Zu diesen Positivmeldungen scheinen die Erfahrungsberichte von deutschen Amazon-Händlern in den einschlägigen Facebook-Gruppen (z.b. Wortfilter und Multichannel Rockstars) nicht so recht zu passen – denn die fallen durchaus gemischt aus. Während die einen sich über fünf- und mehr-fach höhere Umsätze als an normalen Tagen freuen, konstatieren die anderen unzufrieden: Außer Spesen wenig gewesen. Und sogar die Händler, die, wie Bernhard Rauscher von brandonaut, vom Prime Day profitiert haben, zeigten sich enttäuscht – zumindest im Vergleich zum Schnäppchen-Tag des Vorjahres. Rauscher beispielsweise hat am Prime Day 2018 das fünffache seines üblichen Tagesumsatzes erzielt – 2017 brachte er es auf einen 25-fachen Tagesumsatz. „Es gibt Seller, die haben bereits im Vorfeld ihren Pessimismus [über den Prime Day, Anm. d. R.] kundgetan – im Gegensatz dazu bin ich zufrieden“, schreibt Rauscher. „Aber eben nicht im Vergleich zum Vorjahr.“
Des Rätsels Lösung – ein unattraktives Angebot?
Ebenso gemischt fielen die Reaktionen der Endverbraucher auf Twitter aus, die teilweise schon tagelang dem Prime Day entgegengefiebert hatten. Positiven Meldungen von Kunden, die beim Prime Day zugeschlagen hatten und dabei in Deutschland vor allem Fire TV-Sticks, Amazon Echos oder die aktuelle Sony Playstation gekauft hatten, wechselten sich mit enttäuschten Nachrichten ab.
Die Hauptkritikpunkte der Verbraucher hat Bernhard Rauscher treffend zusammengefasst: Neben Beschwerden über die mangelnde Performance wurde vor allem die Unübersichtlichkeit der Angebote mit teils üblen Usability-Bugs, die komplizierte Bedienung/Bestellung sowie die grundsätzliche Auswahl der Schnäppchen moniert. Die Produkte seien nichts Neues, die Rabatte in vielen Fällen nicht attraktiv. Oder wie t3n-Redakteur Tobias Weidemann es ausdrückte: „Unterm Strich ist Amazon gerade nicht mehr das „alles so schön einfach“-Einkaufsportal, das Jeff Bezos immer vorschwebt und das den Online-Händler so populär und beliebt gemacht hat.“
Das ist schade, denn zumindest in der Werbung für den Prime Day hat Amazon in diesem Jahr vieles richtig gemacht und bei vielen Kunden und Händler die Neugier geweckt – und es dann scheinbar mit zu viel Chaos auf der Website und vor allem mit schlechter Performance wieder verspielt. Es sieht fast so aus, also würde der eigene Erfolg mittlerweile zum Problem für die Plattform, wenn immer mehr Händler – auch solche mit minderwertigen und wenig attraktiven Sortimenten – den Marketplace stürmen und damit die Attraktivität des Angebots für den Kunden schmälern. Es wird spannend zu sehen, wie Amazon dieser Entwicklung entgegensteuern kann.