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Statt Mobile First und Mobile Only Customer First: Wie sich Onlinehändler im mobilen Zeitalter positionieren müssen

Hand aufs Herz: Wie hoch ist Ihr Mobile-Anteil am Traffic? Schon bei mehr als 50 Prozent? Und steigend? Bei großen E-Commerce-Playern wie Zalando wächst der mobile Anteil an Traffic und Umsatz seit Jahren exponentiell. Mobile-Anteile von über 70 Prozent Kundenkontakte sind keine Seltenheit. Durchschnittlich fast jeder zweite Besuch in einem deutschen Online-Shop erfolgte 2016 über ein mobiles Endgerät, so eine Studie von intelliAd. Der Anteil der Smartphones am Traffic wuchs in einem Jahr um 65 Prozent.

Und auch die Geschichte vom Kunden, der mobil nur schnell an der Bushaltestelle was recherchiert, um das erspähte Kleid dann doch erst abends am PC zu kaufen, stimmt nicht mehr: Mittlerweile laufen 30 Prozent der Online-Käufe über Smartphones ab. Bis zum Jahr 2020 werden es wohl 45 Prozent sein.

Bildquelle: ©bigstock.com/ Yastremska

Der britische Online-Modehändler Asos, der sich gerade anschickt, Zalando auf dem deutschen Markt ordentlich einzuheizen, generiert bereits mehr als 50 Prozent seines Traffics über Smartphones und Tablets, berichtete CEO Brian McBride in seiner Keynote zum Internet World Kongress vorletzte Woche. 30 Millionen Mal wurden die Asos-Apps bereits heruntergeladen, die Nutzer verbringen im Durchschnitt 17 Minuten im Monat mit den mobilen Anwendungen des Händlers.

Ergänzt man solche Zahlen um einen Blick in die Zukunft und zieht die Nutzungsgewohnheiten der „Millenials“, also jener Jugendlichen, die um die Jahrtausendwende herum geboren wurden, mit in Betracht (also die Generation, die eher auf Sex verzichten würde als auf ihr Smartphone), ist es nicht verwunderlich, dass Agenturen und Berater das Motto „Mobile First“ für die Website-Gestaltung ausgegeben haben: Online-Shops sollten vornehmlich so konzipiert werden, dass sie auf einem Smartphone gut aussehen und gut funktionieren.

Wenn eine Seite auf dem Smartphone läuft, dann klappt’s quasi automatisch auch mit dem Desktop, so die Lehrmeinung.

Noch radikaler ist der Ansatz „Mobile Only“, mit dem Gerrit Heinemann in einem Interview mit der Internetworld kürzlich hohe Wellen geschlagen hat: Die Innovationstreiber von morgen wie beispielsweise der US-Marktplatz Wish setzen ausschließlich auf das Smartphone. Trotzdem hat sich Wish nach eigenen Angaben innerhalb von kurzer Zeit bereits zum sechstgrößten E-Commerce-Unternehmen der Welt aufgeschwungen.

Das deutsche Schwarzbrot: Responsives Design

Von solchen Überfliegern ist die Realität des deutschen E-Commerce-Alltags weit entfernt. Nur etwa 30 Prozent der deutschen Retailer ist für Mobile Commerce ausreichend gerüstet, und wenn, dann meistens gerade mal mit einer responsiven Website, die die eigenen Inhalte mit möglichst wenig Aufwand einigermaßen anständig auf den kleineren Smartphone-Screen transportiert.

Wer aber das Motto „Mobile First“ ernst nehmen will, für den sollte ein Responsives Design nicht ausreichen. Denn hier fehlt der Zugang aus Kundensicht. Ein mobiler Nutzer, der mit dem Smartphone an der Bushaltestelle aus Langeweile nach einer Jacke sucht, die ein Mitwartender gerade trägt, hat eine andere Zielsetzung als ein User, der abends am PC in aller Ruhe eine neue Klamotte für den nächsten Wanderurlaub recherchiert.

Das Produkt am Ende der Recherche mag eventuell das gleiche sein – aber die Customer Journey, und damit auch die Kundenansprache, ist völlig unterschiedlich. Das gleiche gilt für den Checkout-Prozess: Sowohl der mobile als auch der Desktop-Nutzer muss seinen Einkauf am Schluss bezahlen, aber der mobile Nutzer muss die wichtigsten Informationen auf einem kleinen Screen verarbeiten und Eingaben per Fingertipp vornehmen.

Doch diese unterschiedlichen Anforderungen nimmt kaum ein Online-Shop ernst; die Folge sind besonders hohe Abbruchraten im mobilen Checkout-Prozess. Viele solcher kleiner, aber feiner Details, an die bei der Gestaltung eines mobilen Shops gedacht werden sollte, hat übrigens kürzlich zusammengefasst.

Auch Mobile First hat seine Tücken

Wenn aber viele Design-Entscheidungen, die für die Desktop-Nutzung geeignet sind, auf dem Smartphone völlig daneben ausfallen – gilt dann das gleiche nicht auch umgekehrt? In einem radikalen „Mobile First“-Ansatz wird zuerst die mobile Nutzung eines Online-Shops konzipiert – und diese mobilen Inhalte dann ohne viel Federlesens auf den Desktop übertragen.

Und ähnlich wie beim responsiven Design, das sich eben nicht 1:1 in alle Screengrößen übertragen lässt, weil die Nutzungssituation eine ganz andere ist, kommt es auch bei der umgekehrten Transition zu vermeidbaren Fehlern, wie konversionskraft.de anhand von recht überzeugenden Beispielen betont.

Am Ende gibt es eben – mal wieder – leider nicht die eine Lösung, die für alle passt. Stattdessen hilft einzig und allein ein Blick auf die eigenen Zahlen: Wenn die Nutzer eines Shops fast ausschließlich über Desktop-PCs auf die Seite kommen, sollte die Seite vor allem dort funktionieren, der mobile Kanal aber auch nicht ganz vernachlässigt werden – einerseits als Investition in die Zukunft und andererseits zu Gunsten des Google-Rankings, das mobil optimierte Seiten bevorzugt.

Sind die Nutzer hauptsächlich Smartphone-verrückte Millenials, muss der mobile Shop oder die App knallen. Und wer im Durchschnitt liegt und etwa 50 Prozent seines Traffics über den mobilen Kanal generiert, kommt aber um eine getrennte Entwicklung von Desktop- und Mobil-Shop kaum herum.

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