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Was die Plattformökonomie für den Handel bedeutet

Der Trend geht zum Marktplatz: Immer mehr größere und kleinere Player öffnen ihre Webshops für externe Anbieter und hoffen, so gegen Amazon zu bestehen. Für die angeschlossenen Händler bedeutet die Marktplatzpräsenz Zugang zu mehr Kunden und höhere Umsätze – bezahlt wird mit prekären Abhängigkeitsverhältnissen.

Letzte Woche hat Zalando zu seiner ersten hauseigenen Networking-Konferenz für Plattformökonomen nach Berlin geladen. Am Rande eines gut besetzten Sprecher-Line-ups gab der deutsche Vorzeigeonliner zalandotypisch unaufgeregt die nächste hauseigene Revolution bekannt: Die Zalando-App wird für Services von externen Fashion-Start-ups geöffnet. Die Integration dieser Services in die App soll dabei so nahtlos vonstattengehen, dass Kunden überhaupt nicht realisieren, dass sie eigentlich gerade nicht mit Zalando, sondern einem anderen Anbieter Geschäfte machen. Damit wandelt Zalando seinen wichtigsten Vertriebskanal – die Berliner haben einen Mobile-Anteil von über 50 Prozent – zur Plattform.

Dass sich Zalando schrittweise vom Modehändler zur Modeplattform entwickeln will, ist bekannt – seit rund einem Jahr spricht das Unternehmen über kaum etwas Anderes, als über diese Transformation. Bereits vor zwei Jahren band Zalando die Angebote externer Händler via Tradebyte in seine Plattform ein und wandelte sich damit zum Marktplatz. Letztes Jahr übernahm der Fashionhändler den Technologiepartner und erhöhte beinahe zeitgleich seine Beteiligung an dem britischen Tradebyte-Konkurrenten Anatwine – ebenfalls ein ­Anbieter für Marktplatzintegration.

Im letzten Sommer startete das Unternehmen dann eine Initiative zur Integration stationärer Händler auf der Zalando-Website – Stichwort #Integrated Commerce. Auch die Übernahme der Streetwear-Fashionkette Kickz passt in die Plattformstrategie: Letztendlich will Zalando für Kunden der zentrale Zugangsknoten zum Thema Mode werden – egal über welchen Kanal, sei es online, mobile, stationär oder eine ganz andere Form, wie beispielsweise Voice Commerce à la Amazons Alexa. Noch verdient das Unternehmen das Gros seines Geldes mit Vertriebsumsätzen – doch das könnte sich bald in Richtung Vermittlungsprovisionen verschieben. Ein ähnlicher Trend ist schon seit Jahren bei Amazon zu beobachten. Während Amazons eigenes Retailgeschäft 2016 auf Branchenniveau wuchs (+12,4 Prozent), legte der Umsatz der Amazon Marketplace-Händler um 24,2 Prozent zu. Mittlerweile werden schon etwa 17,25 Mrd. Euro Außenumsatz über Amazons Webseite erzielt.

Marktplatzintegration liegt im Trend – bei den Großen

Bildquelle: BVOH

Auch wenn Zalando aktuell der lauteste deutsche Befürworter der sogenannten Plattform- oder Marktplatzökonomie ist: Die Berliner sind mit ihren Ansichten nicht allein. Otto, Plus, Real, Home24, Allyouneed, GartenXXL, Mirapodo, Babywalz, Thalia, sogar kleine Player wie HessNatur – sie alle haben ihre Onlineshops bereits für externe Anbieter geöffnet. Ständig kommen neue Marktplätze dazu und diese Entwicklung dürfte sich in diesem Jahr nur noch verstärken.

Dass die Wandlung zum Onlinemarktplatz für viele Onlinehändler faszinierend ist liegt vor allem daran, dass sich die Idee der Marktplatzintegration auf den ersten Blick nach einer Win-win-Situation für alle Beteiligten anhört: Durch die Öffnung für externe Partner erweitern und vertiefen die am Marktplatz angeschlossenen Händler ihre Sortimente, ohne dafür mehr Lagerplatz anmieten oder Kapital in Waren investieren zu müssen. Mit dem ­erweiterten Sortiment können sie sich in ihrem Segment als umfassender Anbieter positionieren, was das Marketing erleichtert.

Das gesteigerte Angebot und die bessere Positionierung führen wiederum zu höheren Warenkörben und besserer Kundenbindung – und letztlich zu mehr Umsatz. „Die Umstellung auf ein Marktplatzmodell hat sich für alle unsere Kunden gelohnt“, berichtet Rabie el Hassani, Director of Sales Central and Eastern ­Europe beim französischen Marktplatz­integrator Mirakl gegenüber Internetworld.de: „Im Schnitt verzeichnen unsere Kunden innerhalb des ersten Jahres abhängig von der Produktkategorie ein Umsatzplus von acht bis 25 Prozent.“

Angesichts solcher Zahlen treibt aktuell viele Händler die Frage um: Sollte ich meinen Shop zum Marktplatz umbauen? Aber was auf den ersten Blick einfach und vielversprechend aussieht, hat seine Tücken.

„Marktplätze funktionieren nur dort, wo ein starker Traffic und damit auch gewisse Umsätze zu ­erwarten sind“, erklärt Matthias Schulte, CEO von Tradebyte. „Der Marktplatz selbst lohnt sich aus Betreibersicht erfahrungsgemäß ab einem Umsatz von zwei Millionen Euro jährlich. Wenn man einen 30-Prozent-Anteil der Marktplatzange­bote unterstellt, sollte der eigene Umsatz ­also mindestens rund fünf Millionen Euro jährlich ausmachen.“

Ich persönlich sehe die notwendige Umsatzschwelle nicht ganz so optimistisch, da diese 30 Prozent Marktplatzanteil ja auch erst einmal erreicht wollen werden. Aber egal.

Der unvermeidliche saure Apfel

Händler müssen sich fragen, wie sie auf das sich verändernde Konsumentenverhalten reagieren können. Oft bleibt nur die Möglichkeit, das eigene Angebot auf anderen Marktplätze zu integrieren, wenn sie vom Trend der Plattformökonomie profitieren wollen. Laut aktuellem Leitfaden des E-Commerce nutzen mehr als die Hälfte der deutschen Onlinehändler Marktplätze als Vertriebsweg. Und drei Viertel der Befragten sind der Meinung, dass Onlinemarktplätze ihnen den Einstieg in das Onlinegeschäft erleichtern. Durchaus zurecht, ist Hagen Fisbeck, Managing Consultant bei der BridgingIT GmbH überzeugt. „Die Händler sollten dorthin gehen, wo die Kunden sind“, empfiehlt der Omnichannel-Experte. „Sicher werden die Marktplätze dadurch gestärkt. Aber ihre Marktmacht ist einfach zu groß, als dass es sich Händler leisten könnten, diese Plattformen zu ’schneiden‘.“ Die Kehrseite der Medaille ist bekannt: Abhängigkeit von einer fremden Plattform (und deren Hausrecht), mangelnde Markenbildung für den eigenen Shop, Preisdruck durch direkte Konkurrenz mit anderen Händlern auf den Plattformen.

Anderseits ist an der weiter voranschreitenden ‚Plattformisierung‘ des E-Commerce nicht zu rütteln; der Trend wird sich mit seinen Vertriebswegen Voice Commerce oder der zu erwartenden Entdeckung des Autos als Zugangsweg noch weiter verschärfen. Denn welcher kleine oder mittelständische Händler hat schon die Ressourcen, einen Alexa-Skill für den Einkauf in seinem Onlineshop zu erstellen? Oder die Möglichkeit, mit VW oder BMW zu verhandeln, um ein Plätzchen im Cockpit der Zukunft zu ergattern? Gut positionierte Plattformen werden mit den zukünftigen Entwicklungen im E-Commerce besser umgehen können, als einzelne Händler. Und ein Anschluss an diese Plattformen könnte zum wichtigsten Überlebenswerkzeug dieser Händler werden.

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Auch wenn Händler um Onlinemarktplätze als Vertriebsweg nicht herumkommen: Zumindest an der Abhängigkeit von einer einzelnen Plattform können sie arbeiten – indem sie ihre Marktplatzstrategie beispielsweise breiter aufstellen. Schließlich gibt es jenseits von Amazon und eBay mehrere Dutzend kleinere und größere Marktplätze, auf denen eine Präsenz rentabel sein könnte. Da lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Wie sieht das Sortiment auf dem Marktplatz aus? Wie ist die Konkurrenzsituation? Wie sehen die Onboarding-Prozesse, also die Maßnahmen bis zur Integration der eigenen Produkte, auf dem fremden Marktplatz aus? Ein kleiner vertikaler Marktplatz mit einer spitzen Zielgruppe kann beispielsweise für Spezialhändler in Sachen Rendite durchaus lohnenswerter sein, als eine Präsenz bei einem großen Generalisten.

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Bildquelle: Bigstock, HappyJack

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