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EuGH konkretisiert Beweislast des Verbrauchers bei mangelhafter Ware

Gastartikel: Mit einer aktuellen Entscheidung hat der EuGH die Rechte und Pflichten von Verbrauchern innerhalb des Kauf- und Gewährleistungsrechts konkretisiert. Damit dürfte er die derzeitige Spruchpraxis des BGH auf den Kopf stellen.

Der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH; Urteil vom 04.06.2015, C-497/13) lag ein niederländischer Rechtstreit zugrunde, in dem die Käuferin eines Fahrzeugs Schadenersatzansprüche gegen den Verkäufer geltend machte, nachdem der Wagen vier Monate nach Kauf Feuer fing und ausbrande. Ob ihr diese zustehen, ist unter anderem davon abhängig, wie eine europäische Beweislastregelung anzuwenden ist. Diese Frage legte das mit dem Fall befasst niederländische Gericht dem EuGH vor.

Käufer muss Vorliegen und Zeitpunkt des Mangels beweisen

Will ein Käufer Schadenersatzansprüche gegen den Verkäufer wegen eines Mangels an der Kaufsache geltend machen, muss er zum einen beweisen, dass überhaupt ein Mangel im Sinne des Gesetzes vorhanden war und zum anderen, dass dieser auch schon bei Übergabe der Kaufsache vorlag. Ist der Käufer allerdings ein Verbraucher, gilt für ihn die Beweiserleichterung des Art. 5 Abs. 3 der „Richtlinie zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantie für Verbrauchsgüter“ (RL 1999/44/EG).

Beweiserleichterung für Verbraucher

Nach dieser wird „bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden…“. Das vorlegende Gericht wollte nun wissen, welche Tatsachen der Verbraucher beweisen muss, damit diese Regelung zum Zuge kommt.

Verbraucher muss nicht den Grund für den Mangel beweisen

Der EuGH urteilte, dass der Verbraucher vortragen – und im Zweifel auch beweisen – muss, dass die Kaufsache mangelhaft ist, entweder weil sie nicht die vereinbarten Eigenschaften aufweist oder weil sie sich nicht zum Gebrauch eignet, der von einem derartigen Gegenstand gewöhnlich erwartet wird. Den Grund der Mangelhaftigkeit muss er hingegen nicht beweisen. Beim Kauf eines Fahrzeugs würde das bedeuten, dass er darlegen müsste, dass der Wagen nicht fährt, nicht aber, warum das so ist.

Mangel tritt innerhalb von 6 Monaten nach Lieferung auf

Der Verbraucher muss außerdem vortragen – und notfalls beweisen -, dass der Mangel innerhalb von 6 Monaten nach der Lieferung der Kaufsache aufgetreten ist. Gelingt ihm beides, greift die Beweiserleichterung des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie. Der Käufer muss folglich nicht nachweisen, dass der Mangel bereits bei Übergabe des Kaufgegenstandes vorgelegen hat.

Beweislastumkehr: Verkäufer muss Mangelfreiheit nachweisen

Hintergrund der Regelung ist, dass der Verbraucher vor „unüberwindbaren Schwierigkeiten“ stünde, wenn er belegen müsste, dass der Mangel bereits bei Lieferung vorlag. Für den Verkäufer wäre es hingegen deutlich leichter nachzuweisen, dass der Gegenstand zu diesem Zeitpunkt mangelfrei war.

Deshalb soll es diesem obliegen, in derartigen Fällen die gesetzliche Vermutung zu entkräften, indem er beweist, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe nicht vorlag, sondern er vielmehr auf ein Tun oder Unterlassen nach der Lieferung zurückzuführen ist.

BGH vertritt „verbraucherunfreundliche“ Auffassung

Anders sieht das bisher der Bundesgerichtshof (BGH). Seiner Meinung nach muss der Verbraucher nicht nur die sichtbar werdende Funktionsunfähigkeit oder –beschränkung beweisen, sondern vielmehr den dahinterstehenden, oftmals aber nicht erkennbaren Grundmangel. Die Vermutung des § 476 BGB (der der Umsetzung des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie dient) beziehe sich lediglich auf den Zeitpunkt, seit wann dieser Mangel vorliegt.

Verlegt man den niederländischen Fall nach Deutschland, hätte das zur Folge, dass die Verbraucherin beweisen müsste, auf welchen Mangel der Fahrzeugbrand zurückzuführen ist. Sie müsste also die Ursache des Brandes belegen, nicht nur die Tatsache, dass dieser stattgefunden hat. Kann sie das, würde nach § 476 BGB vermutet werden, dass der Mangel bereits bei Lieferung vorgelegen hat. Kann sie das nicht, hat sie keine Ansprüche gegen den Verkäufer.

Fazit: BGH Wird Rechtsprechung wohl anpassen müssen

Nach dem Urteil des EuGH könnte diese Ansicht des BGH allerdings bald der Vergangenheit angehören. Denn auch wenn das höchste deutsche Gericht eine andere Meinung vertritt, ist es dennoch gezwungen, § 476 BGB „richtlinienkonform“ auszulegen, also im Sinne des EuGH. Die weitere Entwicklung in diesem Bereich wird also spannend werden.

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