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Mythos Emotionalisierung

Frau mit verschiedenen Emotionen
„Emotionen“-Bild von Shutterstock

Immer wieder wird für gute Umsätze und feste Kundenbindung gefordert, Shops müssten „Emotionen transportieren“.

Emotionalisierung wird dabei als eine Basisbedingung angesehen für gute Konversionen und hochfrequente Kundenbesuche. Woher kommt diese Idee? Vielleicht kommt sie aus einer verkürzten Wahrnehmung von Statments wie Googles Forderung nach „User-Experience“. Die Frage ist jedoch: Stimmt diese These überhaupt, die behauptet:

Emotionen = verbessertes Kauferlebnis

Doch Zweifel sind hier durchaus erlaubt. Sie werden jetzt unterfüttert von einem Bericht über Konversion-Optimierungstest bei Marc O’Polo, über deren Ergebnisse Olaf Kolbrück auf etailment.de berichtet. In langwierigen, iterativen (Schritt-für-Schritt-) Tests wurden im Onlinehsop von Marc O’Polo unterschiedliche Elemente auf der Startseite sowie bei der Produkt-Detaildarstellung verändert und der Einfluss auf die Konversionsrate untersucht. Am Ende konnte durch Kombination der gefundenen Einzel-Verbesserungen eine Steigerung der Konversionsrate um fast 100% erreicht werden (wobei der Ausgangswert natürlich wie immer leider nicht genannt wird).

Ganz abgesehen von den Veränderungen im Einzelnen ist interessant, welche Elemente sich überhaupt nicht auf die Konversionsrate ausgewirkt haben.

Emotionalisierung hatte keinen Einfluss auf die Konversionsrate

So wurden auf der Startseite neben anderen Optionen auch zwei Elemente getestet, die die Seite „emotionalisieren“ sollten: So wurde zum einen ein Video eingebunden, das ein „Making-of“ zeigte, zum anderen wurde ein Bild getestet, das ein Schaufenster eines Marc O’Polo-Shops zeigte. Beide Elemente hatten keinerlei Einfluss auf die Konversionsrate, schreibt Kolbrück, „Die ursprüngliche Vermutung, dass eine emotionalisierte Visualisierung den User stärker ansprechen würde, erwies sich als falsch.“

Dieses Testergebnis ist allerdings gar nicht so verwunderlich, wenn man die Motivation von Nutzern betrachtet, die einen Shop mit Kaufbereitschaft betreten. Wer einen Onlineshop mit Kaufabsicht betritt, möchte eher besonders zügig zu seinen Wunschprodukten finden. Er möchte die für ihn kaufentscheidenden Informationen nicht suchen müssen. Und er möchte möglichst einfach und übersichtlich vergleichen können, um schließlich zu seiner Entscheidung zu finden.

Funktionen, Informationen und Argumente ziehen mehr

Tatsächlich zeigen die Ergebnisse der Konversionsoptimierung bei Marc O’Polo, dass die ausschlaggebenden Änderungen tatsächlich aus diesen Bereichen stammen:

  1. Verbesserte Hinführung der Kunden zu den Produkten (Startseite)
  2. Verbesserte Positionierung von Infoelemten sowie Hochsetzen des Warenkorbbuttons (Detailseite)

So hat die Startseite des Shops mittlerweile eine klare Unterteilung zwischen Herren- und Damenmode erhalten, zu den beliebtesten Kategorien gibt es jetzt direkte Hinführungen und es werden Neuheiten direkt angezeigt. Hinzugekommen ist eine „Trustbox“, die Besuchern der Startseite direkt die „Vorteile“ eines Kaufes im Marc O’Polo-Shop nennt.

Kunden, die den Shop kennen oder gezielt nach etwas Bestimmten suchen, finden somit schneller an ihr Ziel. Neue Besucher, die die Site erstmals betreten, sehen zudem sofort die Vorteile, die ein Einkauf im Shop bietet.

Auf der Produkt-Detailseite punkteten vor allem eine verbesserte Positionierung der alternativen Produktvorschläge und die Verschiebung des Call-to-Action (Warenkorb-Buttons) weiter nach oben. Ebenfalls vorteilhaft zeigte sich die Hinzufügung der Trust-Box „Ihre Vorteile bei Marc O’Polo“ direkt neben den Warenkorb-Button.

Markenshop folgt denselben Regeln

Nun könnte man einwerfen, dass es sich bei Marc O’Polo ja um einen Markenauftritt handelt, der von daher – durch den Zweck der Markenbindung – anderen Regeln zu folgen habe als normale Shops. Müssen nicht Marken eh stets Emotionen transportieren, um den Besuchern ihren Markenkern zu vermitteln? Erwarten nicht Besucher gar bei Markenshops Emotionselemente?

Befragt man Besucher, würden sie dies eventuell sogar bejahen. Wenn es jedoch um das Kaufen geht, übernimmt allerdings ein anderer Fakt die Regie, den André Morys auf Konversionskraft so beschreibt:

Das Problem: Menschen mögen es nicht, wenn Ihnen etwas “emotional” verkauft wird. Wir definieren unser Selbstbewusstsein wie der Name schon sagt über das Bewusstsein, die Ratio. Und dennoch geben die meisten so viel Geld wie für eine Einraumwohnung in Dresden aus wenn sie ein 5er Kombi kaufen

Das bedeutet nicht, dass komplett emotionslos argumentiert werden muss. Aber Emotionen müssen eingewoben werden, „die emotionalen Faktoren auf impliziter Ebene ansprechen“ nennt Morys das, wenn er über Produkttexte spricht. Und dies gilt – betrachtet man die Ergebnisse der Marc O’Polo-Optimierung – offenbar analog für die Gesamtpräsentation eines Shops.

Herzlich aus Hürth
Nicola Straub

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