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Die Schattenseite des E-Commerce-Booms

Der Enthüllungsjournalist Günter Walllraff hat es wieder getan. Diesmal mischte er sich unter die Paketzulieferer und deckte übelste Arbeitsbedingungen beim Logistiker GLS auf. So seien 14-Stunden-Einsätze bei einem Dumpinglohn von 3 – 5 Euro die Stunde gang und gäbe.

Da die GLS-Fahrer zu Subunternehmern gemacht würden, seien die Bedingungen oft nur schwer zu durchschauen, wobei sogar oftmals nur mündliche Verträge vorlägen. Dabei seien sich die Beschäftigten der unternehmerischen und finanziellen Risiken nicht bewusst und werden total ausgebeutet und geraten in eine Schuldenfalle, wie in einem ausführlichen Zeit-Artikel geschildert wird.

Nun den Blick ausschließlich auf GLS zu wenden ist aber zu einfach. Immerhin haben auch andere Logistiker ihre Paketzustellung komplett an Subunternehmer ausgegliedert. Dann muss man sich auch nicht um Tariflöhne kümmern, sondern kann den Preisdruck unbekümmert weitergeben. Einzig DHL und UPS würden teilweise noch mit eigenen Fahrern – unter etwas besseren Bedingungen – arbeiten.

Der Konsument entscheidet

Diese unerträglichen Bedingungen zu ändern, haben in erster Linie wir alle als Konsument in der Hand. Oder wie Wallraff meint: „Wir verschließen nicht nur die Augen vor den Ausbeutungsmethoden, denen die Fahrer und ihre Subs ausgesetzt sind. Wir machen uns zu Mittätern, solange wir weiterhin Waren bedenkenlos zu Billigtarifen ordern.

Hier ist es doch wie in allen anderen Lebensbereichen auch. Wer zu den Textil-Discountern rennt um ein T-Shirt für 2,99 Euro zu kaufen, nimmt billigend in Kauf dass es nicht unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt worden sein kann. Wer ein tiefgefrorenes Hähnchen für 2,39 Euro kauft, weiß doch genau dass es aus der Massentierhaltung kommt und muss sich nicht wundern wenn es nach Fisch schmeckt. Aber wenn keiner mehr all diese T-Shirts und Hähnchen kauft, werden sie auch nicht mehr produziert. So einfach ist das.

Bei Textilien und Lebensmitteln ist in weiten Teilen der Bevölkerung nun ja bereits ein gewisses Bewusstsein gewachsen. Hinsichtlich der Nachhaltigkeit beim Warenversand muss dieses sicherlich erst noch entstehen.

Onlinehandel ist in der Pflicht

In einem Interview mit Der Handel nimmt der Journalist übrigens auch den Versand- und Onlinehandel in die Pflicht, der gefordert sei Druck auf die Logistiker auszuüben.

Und sei es nur aus Eigennutz. Denn wer wie in der Werbung vor Glück schreit, weil gerade das ersehnte Päckchen mit dem Onlinekauf angekommen ist, will womöglich nicht, dass gebeutelte Subunternehmer die Ware für weniger als 5 Stunden Lohn transportieren.

Recht hat er, schließlich kann der Versand- und Onlinehandel ja entscheiden welchem Logistiker es seinen Auftrag gibt. Man kann jedoch getrost davon ausgehen, dass bei der Auswahl des Logistikpartners derzeit ausschließlich noch Kriterien wie Kosten, Liefergeschwindigkeit oder Service gelten.

Auch wenn Händler die höheren Versandkosten letztlich an den Käufer weiterreichen müssen bzw. werden, stellt sich die Frage ob Händler überhaupt bereit sind auf Nachhaltigkeit und ein faire Bezahlung bei ihren Logistik-Partnern zu achten.

Wobei ich ja der Meinung bin, dass die Beachtung einer gewissen Nachhaltigkeit ein hervorragendes Marketinginstrument sind. Man kann im Onlineshop wunderbar an prominenter Stelle darauf hinweisen, kurzer Erläuterungstext dazu, fertig. Klappt allerdings nicht bei Onlineshops die TK-Hähnchen für 2,39 Euro oder T-Shirts für 2,99 Euro verkaufen.

Umfrage

Aber sind Sie als Händler bereit ggf. etwas mehr für Ihren Warenversand zu bezahlen, auch wenn Sie nicht alles an den Kunden weitergeben können bzw. befürchten müssen dass er künftig woanders – mit günstigeren Versandkosten – einkauft?

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Nachtrag 12.07.2012: Gerade erst gesehen, dass es bei Sellerforum bereits seit einigen Tagen eine Diskussion zum Streik (Ende Juni) für Bezahlung oder Freizeitvergütung der Überstunden bei der DPD laufen hat. Hierin werden auch einige Meinungen seitens der Händler zur aktuellen Situation abgebildet.

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