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Zwitscher, twitter, pieps, piep

blauer VogelTwitter.

Zugegeben, ich tue mich schwer damit – bin vermutlich schon zu alt dafür 😉  Vor allem aber rudere ich täglich gegen die Infoflut an und scheue mich davor, nun auch noch Informatives aus dem Durcheinander des Vogelgezwitschers ausfiltern zu müssen. Andererseits ist Twitter ein Phänomen und schlichtes Ignorieren ein schlechter Ratgeber.

Also Twitter: Nutzen? Und wenn ja, wie damit umgehen?

Eines vorweg: Stärke beweist der Microblogging-Dienst regelmäßig, wenn er als Transportkanal für Nachrichten aus Krisengebieten dient. Ob Iran oder aktuell Urumqi (VR China) – selten verbreiteten sich Nachrichten über Krisen und Menschenrechtsverletzungen so schnell. Wobei aber gleichzeitig auch eine Schwäche zu Tage tritt: Es ist selbst für geschulte Fachleute oft kaum erkennbar, was an den Nachrichten authentisch und was getürkt ist.

"Authentizität" allerdings ist genau das, was Nutzer an Twitter erwarten und schätzen – und was Unternehmen dazu bringt, Twitter in den Marketingplan einzubinden. In der direkten und knappen (um nicht zu sagen, kastrierten) Kommunikation vermuten Kunden keine Marketingstrategie, sondern eher "echte Gespräche". So zeigen sich Kunden in Unternehmens-Feeds oft vom Kundenservice extrem befriedigt. Und dies, obwohl auch hier von Unternehmensseite meist nur Standard-Messages a la "Send me PM, so I can look into this" (übersetzt: Bitte Mail senden, damit ich mich kümmern kann) kamen und die eigentliche Anfragebearbeitung dann über den "normalen" Kundenservice-Weg ablief.

Insofern ist – noch – Twitter ein Weg für Unternehmen, Kunden so zu adressieren, dass diese sich sehr persönlich und sehr authentisch menschlich angesprochen fühlen. Ganz so war es bei den frühen Unternehmens-Blogs. Die allerdings haben diesen Nimbus längst verloren. Und ich wette, dass auch Twitter mit der Zeit "entzauberter" wahrgenommen wird.

Aktuell jedoch funktioniert diese Wahrnehmung bei Kunden. Jedenfalls bei Unternehmen, die mit großem Engagement Twitter nutzen: Dell beispielsweise vermeldet, via Twitter "auf direktem Weg Transaktionen mit einem Umsatzvolumen von 3 Millionen Dollar" gewonnen zu haben (Quelle: F.A.Z.).

Ein Shophändler, der "nebenbei" – z.B. von seiner Arbeit – zwitschert, kann dies also nutzen, um seinem Unternehmen den für Vertrauen und Sympathie der Kunden so wichtigen Faktor "Menschlichkeit" anzuheften.

Man stelle sich einfach mal vor, Kunden lesen Notizen wie "Ordere gerade Artikel xy nach, war unvorbereitet, dass die so gut gehen" oder "Sichte gerade Muster neuer Artikel, YZ ist ja der Hammer!", aber auch mal ein "Mist, über 1h an Retoure gesessen, weil die völlig chaotisch und kaputt zurückkam. Wozu lege ich die Aufkleber bei?". Oder ein Gartenbetrieb der vermeldet: "Nie so viele Schnecken gesehen wie dies Jahr. Fünf Laufgänse regeln das jetzt für uns. Prima!" Solche Tweets sollten dann aber tunlichst auch direkt im Shop lesbar sein!

Die meisten Twitter-Nutzer vermelden Nichtigkeiten – diese Unterstellung der Gegner stimmt schlicht und einfach. Und hieraus folgt auch der Vorwurf, Twitter sei ein reiner Zeitdieb. Es bedarf schon besonders entwickelter "Informations-Sortierungs-Fähigkeiten", um Twitter-Feeds zu verfolgen, ohne sich zu verirren. Aber nichts hindert einen daran, selbst anders vorzugehen. Statt als Transportweg zur Vermeldung persönlicher Befindlichkeiten, kann man Twitter ja auch als Nachrichtenticker in der ursprünglichen Bedeutung nutzen:

So können Shops Twitter auch als reinen Ankündigungs-Kanal nutzen: Für Preisaktionen, neue Produkte etc.

Solche Kanäle sind im Prinzip nicht anders, als Mini-Newsletter – nur ohne die mittlerweile dem Newsletterversand immanenten Hürden (Spamblockaden, Darstellungsschwierigkeiten/Bildunterdrückung, notwendige echte Mehrwerte, um Öffnungshürde zu nehmen…).

Kein neuartiger Internet-Dienst wächst ähnlich stark wie Twitter: Allein im Juni 2009 legten die Account-Zahlen um über 20% zu (Quelle: Webpronews). Gegenüber dem Vorjahr betrug das Wachstum (im Feb. 09) gar 1.382% (Quelle: nielsen wire). Und es sind eben nicht nur Jugendliche in dem Netzwerk vertreten: Die
Hauptgruppe der Nutzer ist zwischen 35-49 Jahren alt. Belanglos oder nicht – die Menschen nutzen Twitter zur Kommunikation. Sie vernetzen sich darüber und tauschen sich aus.

Insofern ist der Microblogging-Dienst auch eine wichtige Basis zur Kunden-Beobachtung: Was wird über einen gesprochen? Und zur Marktforschung: Was zwitschern die Menschen zu den für den eigenen Shop relevanten Themen?

Leider ist die Suche über Twitter im Moment noch extrem schlecht. Aber die Suchmaschinen greifen langsam in das Geschehen ein: Google arbeitet angeblich an einem Index, um Twitter-Tweets in die Suche einbinden zu können (Quelle: Google Operating System), Bing zeigt bereits die aktuellsten Tweets von "ausgesuchten Twitterern" an (Quelle: Bing). Auch Twitter sieht die Suchfunktion als kritisch an und will die eigenen Fähigkeiten noch verbessern.

Basis jeglicher Überlegung zu Twitter als Marketing-Medium muss immer sein: Was sind die Ziele? Lassen sie sich mit Twitter erreichen? Und ist der Aufwand dafür angemessen?

Zumal Marketing via Twitter auch eigenen Regeln folgt. Ähnlich wie beim Bloggen, müssen Unternehmen erst einmal umlernen, um sich den Gepflogenheiten anzupassen. Und damit ist nicht nur die Beschränkung auf 140 Zeichen gemeint: "Werbung über solche Dienste ist sehr viel komplizierter als über klassische Medien", sagt Klaus Wilsberg vom Siegfried Vögele Institut für Dialogmarketing (SVI) laut einem Artikel von Heise News. Er sieht die Notwendigkeit, die Werbeempfänger ‚cross-medial‘, über alle Kanäle abgestimmt anzusprechen, um Erfolg zu haben.

Dazu gehört auch, nicht nur zu beobachten und darauf zu warten, dass von allein über einen ge’tweet’et wird, sondern aktiv zur Weiterbreitung aufzurufen.

Wer "Vogelfutter ausstreut", macht es den Nutzern einfacher, die Unternehmens-Informationen weiter zu verbreiten. Als Lockmaterial dienen dabei kleine "Twitter-Icons", unter denen analog zu den bekannten "delicious" oder "wong"-Links ein Link liegt, um die jeweilige URL in Twitter zu posten. Icons hierfür gibt es viele, wer etwas Ausgefalleneres sucht, wird bei Designer-in-Action fündig.

Konkrete Tipps, wie man Twitter in den eigenen Marketing-Mix einbindet, gibt Karsten Büttner auf online-marketing-praxis. Neben möglichen Strategien und Vorgehensweisen nennt er darin auch hilfreiche Anwendungen rund um Twitter.

Wer sich entscheidet, Twitter zu nutzen, sollte diesen Artikel auf keinen Fall verpassen! Wie Sie sich entscheiden, interessiert auch das Team des E-Commerce-Leitfaden. Darum hat es aktuell eine kleine Befragung umgesetzt, bei der Sie angeben können, wie Sie zum Twitter-Einsatz stehen. Das erfordert nur zwei Klicks – hier.

Zu guter Letzt noch etwas Unterhaltung: Die kritischen und die positiven Ansichten zu Twitter launisch und ungemein unterhaltsam in einem Video zusammengestellt, haben SIXTUS vs. LOBO. Und die TAZ bringt bereits den Abgesang auf Twitter, das mit dem Riesenset an 140 Zeichen die Lesegewohnheiten der Jugend längst überfordere. Sie sieht schon einen Nachfolger: ‚o-fart‘ ("Online-Furz") erlaubt nur noch fünf Zeichen… Na dann:

HaHNS

PS: Übrigens: Shopanbieter twittert auch – noch allerdings nur SEHR gelegentlich. Dennoch steigert sich die Followerzahl täglich. Dass man auch ganz ohne Tweets SEHR viele Followers (aktuell über 40.000!) bekommen kann, zeigt das Besserwerber-Blog – Fazit: "Das ist ein Zeichen".

PPS: Alle meine Versuche, mich bei Twitter zu registrieren quittiert der Server mit einem charmanten: "403 Forbidden: The server understood the request, but is refusing to fulfill it." Und dies reproduzierbar seit heute morgen. Na dann… ;-(

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