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Wo geht die Reise von Shop.co hin?

Ein Start-up aus Deutschland macht gerade international von sich reden, weil es den Mund unteutonenhaft voll nimmt: Shop.co und sein Gründer Jay Habib backen nämlich keine kleinen Brötchen. Stattdessen will das junge Unternehmen Amazon höchstpersönlich vorknöpfen. Wieviel ist dran an den großen Worten?

Kleindenken liegt dem Jungunternehmer Jay Habib nicht: „Wenn wir alle für uns relevanten Umsatzkanäle zusammenrechnen, liegt das globale Marktpotenzial bei rund 100 Milliarden US-Dollar“, sagt er beispielsweise gegenüber t3n. Und Business Insider zitierte Habib kürzlich damit: „Ich rechne fest damit, dass uns Amazon verklagen wird.“

Shop.co ist im Grunde genommen ein universeller Warenkorb. Kunden, die das Browser-Plug-In von Shop.co installiert haben, können Produkte aus allen möglichen Online-Shops in einen einzigen Warenkorb ziehen; die Software dahinter befüllt die Bestellformulare der einzelnen Shops automatisch und löst die Bestellung aus.

Der Vorteil für den Kunden: Man muss seine Daten nur einmal eingeben, auch wenn man verschiedene Shops nutzt. So ein ähnliches Tool habe ich übrigens schon vor zwei Jahren herbeiorakelt, als ich im Rahmen des plentymarkets E-Commerce Jahrbuchs 2015 nach meinem Wunsch für die E-Commerce-Zukunft gefragt wurde:

„Ich warte schon seit langem auf den Shop-übergreifenden Checkout. Dies hätte zur Folge, dass Käufer nur noch ein einziges Konto haben und dann in jedem Online-Shop unkompliziert einkaufen können. Also der 1-Click-Button für alle. Um die breite Akzeptanz zu erreichen, wäre zwar eine hohe Investitionssumme notwendig, aber vermutlich wurden schon schlechtere Ideen finanziert.“

Eine solche Lösung könnte nicht nur für die automatische Eingabe der Adress- und Lieferdaten genutzt werden, sondern bspw. auch bei den Themen Payment oder Logistik eine aggregierende Funktion erfüllen.

Doch auch mit Paypal oder Amazon Pay können sich Kunden natürlich zentral anmelden und sparen sich damit die wiederholte Eingabe ihrer Bezahldaten. Der Unterschied zu Shop.co: Das Tool ist ein Browser-Plug-In zur automatisierten Eingabe von Daten in Formulare und muss als solches für die Nutzung nicht in einem Online-Shop integriert werden – deshalb braucht das Start-up auch nicht die Erlaubnis der Online-Shops, um sich zwischen ihre Interaktionen mit den Kunden zu schalten.

Theoretisch wird dadurch eine schnelle Verbreitung des Tools erleichtert, da Shop.co nicht erst mühsam Händler von sich überzeugen muss. Stattdessen kann das Start-up alle Marketing-Anstrengungen auf die Akzeptanz auf Kundenseite konzentrieren. Deshalb sagt Habib auch: „Amazon kann uns vielleicht mal gefährlich werden“. Vielleicht wohlgemerkt.

Solche Wildwest-Töne kennt man von deutschen Start-ups kaum, dafür eher von Uber oder Jet.com – Sie erinnern sich an diesen US-Marktplatz, der vor gut zwei Jahren als Amazon-Killer in den Markt einstieg? Amazon ist zwar trotz der Vorschusslorbeeren für Jet.com immer noch da, aber zumindest haben die Gründer den vermutlich spektakulärsten Exit der E-Commerce-Geschichte hingelegt, indem sie ihr Unternehmen letztes Jahr für 3,3 Milliarden US-Dollar an Walmart verkauften.

So weit ist es bei Shop.co noch nicht, aber das Unternehmen hat dennoch schon einiges an Staub aufgewirbelt. 2014 gegründet, expandierte das Start-up bereits im Februar 2015 in die USA. Ein gutes Jahr später vermeldete Shop.co eine Seed-Finanzierung in Höhe von 6,25 Millionen US-Dollar von verschiedenen prominenten Investoren. Und im Februar dieses Jahres übernahm das junge Unternehmen ein anderes Start-up, das US-amerikanische Zenshopping, ein Spezialist für Mobile Commerce. Mittlerweile wird Shop.co mit 25 Millionen US-Dollar bewertet.

Andererseits: Auch nach vielen Testläufen und über 2-jährigem Gebastel an dem Service gibt es noch kein offizielles Tool von Shop.co. Die Aktivitäten in Deutschland wurden sogar wieder komplett eingestellt, weil die Nutzer die Browser-Erweiterung nicht annahmen. Ein erster Test in den USA 2015 ging ebenso in die Hose, die Nutzer blieben aus.

Es hakte vor allem bei den technischen Details weiterhin gewaltig, wie Habib bereits im Interview mit Gründerszene einräumte: „Jeder Bundesstaat hat eine andere Mehrwertsteuer, jede Stadt andere Lieferoptionen, jeder Produkttyp andere Lieferzeiten und Lieferkosten. Da unsere Technologie diese Informationen nicht präzise erfassen konnte, konnten unsere Nutzer damals mit Shop.co keine Kaufentscheidung treffen.“ Damit traf das Start-up auf den typischen Haken an Rundumschlag-Lösungen: Das Shop.co-Plug-In sollte enorm viele Probleme gleichzeitig lösen – Payment, Versandkostengestaltung, Steuerberechnung etc. – und scheiterte letztlich an den Details.

Seit Anfang des Jahres ist Shop.co in den USA jetzt wieder verfügbar, diesmal scheint es besser zu laufen, angeblich bewegen sich die Nutzerzahlen bereits im 6-stelligen Bereich. Ein Finanzierungsmodell für das Plug-In gibt es aber noch nicht. Da Shop.co nicht in Shops integriert wird, kann man die Händler schlecht für die Vermittlung der Käufe zur Kasse bitten – und die Kunden werden wohl auch kaum bereit sein, für das Tool zu zahlen.

Bei aktuellen Investoren-Gesprächen im Silicon Valley vertritt Habib offenbar ein Targeting-Modell: Über das Browser-Plug-In könnte das Unternehmen die Customer Journey eines Kunden genau verfolgen und kurz vor der Kaufentscheidung passende Angebote oder Rabatte ausspielen. Das mag in den USA sogar funktionieren; in Deutschland dürfte es datenschutzrechtlich schwierig werden.

Fazit: Auch im dritten Jahr bleibt Shop.co den Beweis für seinen Anspruch als Killer-App noch schuldig. Die Vorteile für den Kunden – nämlich die automatische Formularbefüllung in verschiedenen Online-Shops – sind zwar nice-to-have, in Zeiten von One-Click-Checkout-Lösungen wie Paypal oder Amazon Pay aber auch nicht gerade bahnbrechend.

Die vielen abgebrochenen Testphasen mit immer neuen Varianten des Produkts lassen auch nicht viel Gutes ahnen. Zudem bringt sich in Deutschland gerade ein interessanter neuer Player in Position: Eine Allianz aus RTL, ProSiebenSat.1 und United Internet arbeitet an einem übergreifenden Registrierungs- und Anmeldeverfahren, mit dem Online-Nutzer mit einem einzigen zentralen Log-in möglichst viele Online-Seiten und –Dienste nutzen können.

Auch wenn die Allianz eher von der Marketing-Seite kommt: So ein übergreifender Log-In könnte natürlich auch fürs Online-Shopping genutzt werden. Und mit ProSiebenSat.1 ist ja auch ein Player mit starken E-Commerce-Interessen an Bord. Man wird sehen, ob Shop.co dagegen bestehen kann – oder ob es als Übernahme-Ziel für die Allianz interessant wird. Jet.com hat ja vorgemacht, wie das mit dem Exit funktioniert.

Bildquelle: © bigstock.com/ motive56

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