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LG Berlin – Amazon haftet für seine Marketplace-Händler

Gastartikel: Während in der Vergangenheit vielfach Marketplace-Händler wegen Verstößen des Plattformbetreibers abgemahnt und gerichtlich verurteilt wurden, trifft es nun Amazon selbst. Der Online-Riese wurde für das Fehlverhalten eines Marketplace-Händlers und die eigene Firmenphilosophie zur Verantwortung gezogen.

Das war passiert

Ein Vertragshändler von Davidoff hatte auf Amazon ein Angebot für den Verkauf eines bestimmten Parfums eingestellt und in diesem Zusammenhang Fotos des Flacons und der Verpackung hochgeladen. Die Bilder wurden ihm vom Hersteller der Produkte, der die ausschließlichen Nutzungsrechte daran hielt, für die Nutzung im stationären Ladenlokal und im eigenen, autorisierten Webshop überlassen. Eine Veröffentlichung auf Webseiten Dritter war in der Form nicht gestattet.

Auf Amazons Marketplace erschienen die Produktbilder anschließend nicht nur bei Vertragshändlern des Parfumherstellers, sondern auch bei anderen Marketplace-Verkäufern und in Angeboten des Plattformbetreibers selbst. Zudem wurde eines der Bilder auch innerhalb einer Bannerwerbung verwendet, die von Amazon auf einer externen Webseite geschaltet worden war.

Rechteinhaber mahnt Amazon ab

Davidoff sah durch diese Nutzung der Fotos ihre Rechte verletzt und mahnte Amazon ab. Zwar entfernte der Plattformbetreiber die entsprechenden Bilder, gab jedoch keine Unterlassungserklärung ab, weshalb der Parfumhersteller seine Rechte vor Gericht geltend machte. Das Landgericht (LG) Berlin gab dieser Klage statt (Urteil vom 26.01.2016, AZ 16 O 103/14).

Amazon wurde vorgeworfen, die streitgegenständlichen Bilder widerrechtlich öffentlich zugänglich gemacht zu haben, indem es sie in den Angeboten der Vertragshändler, anderer, mit Davidoff nicht in Vertragsbeziehungen stehender Marketplace-Händler und auch in eigenen Angeboten eingebunden hatte. Weiterhin wurde die Veröffentlichung im Rahmen der Bannerwerbung beanstandet.

Die Entscheidung: Amazon ist für die Rechtsverletzung verantwortlich

Die Richter machten Amazon für die Rechtsverletzung durch die Veröffentlichung der Bilder auf der eigenen Webseite verantwortlich. Und zwar nicht nur bezüglich der Verwendung in eigenen Angeboten und solchen von Marketplace-Händlern, die nicht in vertraglicher Beziehung zum Parfumhersteller stehen, sondern auch für die Einbindung der Fotos in die Angebote der Vertragspartner des Herstellers. Also jener Händler, die die Bilder ursprünglich hochgeladen hatten.

Gestaltung der Produktdetailseite liegt in der Hand von Amazon

Wird ein Produkt auf dem Amazon-Marketplace eingestellt, wird diesem eine bestimmte sog. ASIN (Amazon Standard Identification Number) zugeordnet. Alle Informationen, die zu dieser ASIN zur Verfügung gestellt werden (Produktbeschreibungen, Fotos etc.), werden dem betreffenden Produkt zugeordnet, unabhängig davon, welcher Händler sie hochgeladen hat (das können durchaus mehrere sein, wenn verschiedene Anbieter den Online-Marktplatz für den Vertrieb desselben Produktes – z.B. Markenparfum – nutzen).

Bei der Erstellung der Produktdetailseite wird dann über einen Algorithmus aus dem gesamten Fundus dasjenige Material ausgewählt, das letztendlich auf dem Bildschirm erscheint. Das führt beispielsweise dazu, dass beim Angebot des Marketplace-Händlers X Produktfotos erscheinen können, die Marketplace-Händler Y hochgeladen hat. Verkäufer X kann die Auswahl des Produktbildes nicht beeinflussen.

Trotz Automatisierung – Amazon ist verantwortlich

Dieser Algorithmus arbeitet vollautomatisch. Eine Entscheidung des Marktplatzbetreibers oder eines Mitarbeiters erfolgt bzgl. der Auswahl der Materialien nicht mehr. Mit diesem Argument versuchte sich Amazon vor Gericht zu verteidigen. Dem folgte das LG Berlin jedoch nicht. Amazon hat sich für den Einsatz dieses Algorithmus entschieden und beschränkt sich deshalb nicht nur darauf, eine technische Einrichtung zur Verfügung zu stellen, um Waren auf der Plattform anzubieten. Das Unternehmen nimmt vielmehr Einfluss auf die Gestaltung der einzelnen Angebotsseiten.

Ob dies durch einen Mitarbeiter geschieht, der auf Grundlage festgelegter Kriterien die Materialien aus dem Gesamtfundus auswählt, die für die Produktdetailseite verwendet werden, oder über einen Algorithmus, der entsprechend programmiert wurde, ist dabei unerheblich, so die Richter. Amazon hat sich für den Einsatz eben jenes Algorithmus entscheiden, über den es selbst eine Auswahl der verwendeten Materialien trifft – und dies nicht dem Händler überlässt, der das Angebot auf dem Marketplace einstellt. Deshalb ist auch der Plattformbetreiber für daraus resultierende Verletzungshandlungen verantwortlich.

Amazon haftet für seine Marketplace-Händler

Davidoffs Vertragshändler waren nicht berechtigt, die Bilder, die Ihnen vom Rechteinhaber zur Verfügung gestellt wurden, auf Webseiten Dritter – also beispielsweise dem Marketplace von Amazon – zu nutzen. Für diesen Rechtsverstoß haftet nun der Plattformbetreiber.

Hinzu kommt, dass Amazon keine eigenen Nutzungsrechte am streitgegenständlichen Bildmaterial hatte. Zwar regelt der Online-Riese in den Marketplace-Nutzungsbedingungen, dass die Händler, die Material hochladen, dem Plattformbetreiber umfangreiche Nutzungsrechte daran einräumen. Diese Klausel läuft jedoch dann ins Leere, wenn der Hochladende selbst kein Recht zur Verwendung des urheberrechtlich geschützten Werkes hat oder dieses nicht weiterlizenzieren darf. So war es hier. Die Vertragshändler durften ihre Nutzungsrechte – die sie sogar überschritten hatten, s.o. – nicht an Dritte übertragen.

Für Amazon hatte das zur Folge, dass die Fotos weder auf der Marketplace Website veröffentlicht noch zu Werbezwecken auf externen Internetseiten genutzt werden durften.

Rechtsmissbrauch durch Davidoff?

Amazon versuchte sich letztlich noch mit dem Argument zu verteidigen, dass der Parfumhersteller über den Weg der Urheberrechtsverletzung versuche, kartellrechtswidrige Vertriebsverbote durchzusetzen. Mittlerweil gäbe es mehrere Urteile, die ein pauschales Verbot des Warenvertriebs über Online-Marktplätze seitens der Hersteller für unzulässig erklären. Das gleiche Ergebnis würde aber erreicht werden, wenn die Vertriebspartner der Hersteller nicht berechtigt wären, Produktfotos, die ihnen vom Rechteinhaber zur Verfügung gestellt wurden, auf Online-Marktplätzen zu verwenden.

Die Richter ließen die Frage, ob ein solches Verhalten kartellrechtswidrig ist, offen. Denn selbst wenn dies so wäre, könnten die Vertragshändler des Herstellers Amazon keine Nutzungsrechte an den betreffenden Bildern einräumen. Ein solches Recht stand ihnen nämlich – unabhängig davon, dass sie selbst die Bilder nicht auf Webseiten Dritter verwenden durften – nicht zu.

Konsequenzen des Urteils – auch für Marketplace-Händler

Die Entscheidung aus Berlin dürfte weitreichende Konsequenzen haben. So muss Amazon wohl seine Geschäftspraxis überdenken, sämtliches, von seinen Marketplace-Verkäufern eingestelltes Material umfangreich für eigene Zwecke zu verwenden. Denn Rechtsverletzungen der einzelnen Händler könnten künftig dem Plattformbetreiber angekreidet werden.

Gravierender dürften jedoch die möglichen Folgen für die Marketplace-Händler sein. Diese haben durch den von Amazon verwendeten Algorithmus kaum Einfluss auf die Gestaltung ihrer eigenen Angebotsseiten. Wird dort nun ein urheberrechtsverletzendes Produktbild eingefügt, drohen Abmahnungen der Rechteinhaber. Darauf, dass die Rechtsverletzung vom Plattformbetreiber begangen wurde – nämlich weil dieser das konkrete Foto über den Algorithmus ausgewählt hat – und nicht durch den Händler selbst – der darauf keinen Einfluss hat -, können sich die Betroffenen nicht berufen. Denn die Gerichte machen in ständiger Rechtsprechung die einzelnen Verkäufer für Rechtsverletzungen des Plattformbetreibers verantwortlich.

Nach Angaben von Golem.de geht Amazon gegen das Urteil vor. Das letzte Wort dürfte in dem Fall also noch nicht gesprochen sein.

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