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Wer nutzt „Web 2.0“ (und wie)?

Web 2.0 ist Realität – aber für wen? Dieser Frage sind Andreas Duscha, Martin Sendrowski und Maryna Gurevich nachgegangen, indem sie gesichtet haben, was für Daten aus aktuellen Studien vorliegen. Ihre Ergebnisse haben sie in einen umfänglichen Artikel beim E-Commerce-Center Handel gegossen.

Die Grunderkenntnisse vorweg: Der Begriff "Web 2.0" ist in Deutschland durchaus recht bekannt, die reale Nutzung aber hinkt dem noch stark hinterher. Vor allem aber zeigen sich noch starke Unterschiede zwischen verschiedenen Nutzergruppen. Ähnlich den Anfängen des Web überhaupt sind auch bei der ’neuen Art der Webkommunikation‘ die Vorreiter die jüngeren und männlichen Nutzer.

Vor kurzem machte eine Aussage Schlagzeilen, nach der die Zahl der Blogleser zunehme, die der Blogschreiber jedoch abnehme. Dies würde einen Trend entgegen des Web 2.0 bedeuten, hin zum alten Zustand, in dem wenige ‚Produzenten‘ die Inhalte des Webs dominieren, die von den anderen konsumiert werden. Kern des Web 2.0 jedoch ist ja, dass die Inhalte des Webs von Jedermann (jederfrau) mitgestaltet werden, das Web mithin nicht mehr hier Produzenten, dort Konsumenten hat, sondern ein einziges Feld verteilter und freier Kommunikation.

Begriffs-Bekanntheit: "Web 2.0"

Wenn also Web 2.0 auf der Basis des allgemeinen ‚Mitmachens‘ fußt, wie ‚allgemein‘ ist dieses Partizipieren wirklich? Für die Planung von Web 2.0-Anwendungen ist es wichtig, zu wissen, wer diese Dienste überhaupt zu nutzen bereit ist. Der Frage, wie verbreitet das Wissen um Web 2.0 ist und wer sich bereits in solchen Projekten engagiert, ist eine vergleichende Studie (PDF, 891,2 kb) von dialego nachgegangen:

Demnach ist der Begriff ‚Web 2.0‘ mittlerweile relativ bekannt, 37% der befragten deutschen Internetnutzer gaben an, den Begriff zu kennen, das sind mehr als in den UK oder Frankreich, für die dies ebenfalls untersucht wurde. Schlüsselt man die Bekanntheit für Altersgruppen bzw. nach Geschlecht auf, so liegen die jüngeren Benutzergruppen weit vor den älteren, die Männer weit vor den Frauen (siehe Abbildung). Seltsam: Obwohl ‚Web 2.0‘ ja wohl der Buzz-Begriff par excellence ist, fiel die Steigerung des Bekanntheitsgrades im zweiten Halbjahr 2006 eher gering aus
(über alle Befragten: von 35 auf 37%).*

Bekanntheit von Blogs und Web 2.0-Sites

Nicht ausgewertet wurde, was genau die Befragten unter dem Begriff verstanden. Dass wichtige Teile des Web 2.0 nicht als solche erkannt werden, zeigten die Fragen nach Weblogs: Die sind nämlich auch vielen Leuten ein Begriff, die "Web 2.0" nicht kannten. Insgesamt sagten 62% der deutschen Befragten, sie kennten Weblogs. Das sind nicht nur deutlich weniger als bei den Franzosen (88%) und Engländern (80%), es sind auch weniger, als bei der Befragung im Juni 2006. Den eingangs erwähnten Trend machen die Deutschen also (vorerst?) nicht mit.

Klassische Web 2.0-Websites sind noch wenig bekannt: Spitzenreiter ist die Wikipedia, die fast 90% der Befragten (in DE) kennen. Auf den Plätzen landen Google Mail, Google Maps und YouTube. Letzteres konnte 2006 seine Bekanntheit von deutlich unter 20% auf rund 55% steigern, der Verkauf an Google ging ja auch durch alle Medien. Ansonsten sind nur noch Blogger und MySpace mehr als 20% der befragten deutschen Webnutzer bekannt. Selbst das in Deutschland so erfolgreiche XING (ehemals openBC) kennt kaum jemand (siehe Grafik).

Nur rund 10% nutzen Web 2.0-Anwendungen aktiv

Noch dünner sieht es bei der Nutzung solcher Anwendungen aus: Keine der von Dialego abgefragten Websites wird von mehr als 10% der Befragten tatsächlich genutzt.

Auf etwas bessere Werte kommt eine Web 2.0-Studie (Presseerklärung, PDF, 141,3 kb – die Studie selbst kann kostenlos bestellt werden), die result zusammen mit dem SWR durchgeführt hat. Danach wären 11,8% der Onliner mindestens einmal pro Woche in Sachen Web 2.0 unterwegs, 8,5% nutzen sogar täglich Web 2.0-Anwendungen (siehe Grafik, Zahlen auf Onliner umgerechnet).

Doch dies sind noch lange nicht alles aktive Mitgestalter des ’neuen Webs‘. Denn ein nicht geringer Teil der Nutzer konsumiert Web 2.0-Anwendungen nur. Tatsächlich aktiv partizipieren nur 57% der ‚Web 2.0-Nutzer‘ am neuartigen Netzleben. Somit kommt auch result insgesamt nur auf einen Anteil von 11,6% aktiver Web 2.0-Nutzer unter den Onlinern.

Was ankommt und was noch kümmert

Am meisten zum Mitmachen animieren nach den Ergebnissen von result Videocommunities und Wiki-Websites. Beides sind auch die stärksten Magnete für passive Teilnehmer – insgesamt nutzen 82% der "Web-zwo-nuller" diese beiden Anwendungstypen auf die eine oder andere Art. Mittel stark ziehen Weblogs Web 2.0-Konsumenten an – und noch weniger regen sie zum selbst aktiv werden an: Nur jeder fünfte Web 2.0-Nutzer ist aktuell auf diesem Feld aktiv.

Ähnlich sieht die aktiv/passiv-Verteilung bei den generell noch schwächer frequentierten Anwendungsfeldern ‚Fotocommunities‘ und ‚Podcasts‘ aus. Am ausgewogensten zeigt sich Konsum und Teilnahme bei Social-Networking-Sites.

Für eine Reihe bekannter Web 2.0-Portale hat Dr. Torsten Schwarz (Absolit) genauer untersucht, welche Nutzeranteile sie kennen, welche als Mitglieder registriert (passiv) tätig sind bzw. wieviele Mitglieder sich aktiv beteiligen. Testgruppe waren dabei allerdings ausschließlich Online-Marketer (dafür aber maß diese Stichprobe knapp zweitausend Menschen!). Für die drei bekanntesten Portale fand er folgende Daten:

Portal Bekannt Mitglied Mitglied aktiv
Wikipedia 96,5% 11,8% 13,4%
YouTube, Video 87,7% 13,4% 20,9%
OpenBC, Treffen 81,1% 55,1% 78,4%

Die Zahlen für alle untersuchten 23 Portale finden Sie in der "Hitliste der bekanntesten und aktivsten Web2.0-Portale" (Eine Auswertung als Pressemitteilung dazu gibt es hier). Bei dieser speziellen Nutzergruppe stellten sich Netzwerk-Anwendungen wie XING (ehem. openBC), LinkedIn, StayFriends etc. als die Web 2.0-Arten dar, die den höchsten ‚Mitmach-Effekt‘ zeigten. Videoportale und Wikipedia finden sich ganz unten in der Liste der Portale mit den meisten aktivsten Mitgliedern. Kurzbeschreibungen und Links auf die genannten 23 Portale finden sich hier.

Web-zwo-nuller, (un)bekanntes Wesen?

Die result GmbH extrahiert aus ihren Studienergebnissen acht unterschiedliche Nutzertypen für Web 2.0-Anwendungen (grün: passive Nutzer, apricot: aktive Nutzer; da sich diese Typen überschneiden, addieren sich die Anteile zu mehr als 100%.):

Diese Nutzertypen lassen sich nach dem Grad ihrer Aktivität bzw. Passivität und der Art der Kommunikation auftragen, was zur dargestellten Matrix führt. Sie bietet einen guten Überblick über die Nutzertypen und man kann daraus ableiten, wen man auf welcher Art Web 2.0-Anwendung am ehesten antreffen wird.

Web 2.0 wirkt bereits auf Marketing und Geschäftsmodelle

Die einen loben Web 2.0 über den gründen Klee, die anderen belächeln es milde. Abseits der Diskussionen um hü oder hott aber nehmen die Web 2.0-Entwicklungen zunehmend realen Einfluss auf die Geschäfte. Auch unsere Interviews zeigen, wie immer mehr (gerade auch mittlere oder kleinere) Webshops sich für Marketing und Kundenbindung Web 2.0-Elemente oder -Portale bedienen.

Wie sehr Marketer sich bereits heute mit diesen neuen Web-Nutzungsarten konfrontiert sehen, hat Karsten Büttner von der Online-Marketing-Praxis versucht herauszufinden. Dazu fragte er im Online-Marketing-Praxis-Newsletter vom Oktober 2006: "Web 2.0 – Hype oder realer Einfluss auf Online-Marketing?". Aus 148 Antworten ermittelte er, dass Web 2.0 bei Marketing-Interessierten bereits zu einem wichtigen Thema geworden ist: Nur gute 12% der Teilnehmer zeigen sich vom Thema unbeeindruckt, sie gehen davon aus, dass die Web 2.0-Entwicklungen generell (8,1%) oder für ihr Unternehmen (4,1%) keinen Einfluss haben wird.

Die Mehrzahl der Teilnehmer aber spaltet sich in zwei Gruppen: Die einen äußern die Erwartung, dass ihr Geschäft beeinflusst werden wird ("Wird Einfluss auf unser Geschäft nehmen" 44,6%), die anderen zeigen sich verunsichert ("Kann ich noch nicht einschätzen" 43,2%). Die Ergebnisse gibt es hier, einen Überblicksartikel zu Web 2.0 von Büttner hier.

Herzlich aus Hürth
Nicola Straub

*Diese aktuellen Zahlen haben in den ECC-Artikel noch nicht Einzug gehalten, dort finden sich nur die Zahlen von Juni 2006

Linktipp: 12 Tipps für die eigene Web 2.0-Strategie (Dr. Torsten Schwarz)

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